Homeland – die komplette Season 4

Blu-ray Review

Homeland Season 4 komplette vierte Staffel Blu-ray Review Cover
20th Century Fox, ab 03.11.2015

OT: Homeland

 


Dronenkönigin

Im vierten Jahr von Homeland stehen alle Zeichen auf Neuanfang.

Inhalt

Der Plan von Saul, einen Spitzel in den höchsten Kreisen der iranischen Regierung zu platzieren, ist aufgegangen – doch zu welchem Preis? Brody hat während der Aktion den Tod (und seinen Frieden) gefunden, Saul hat die leitende Funktion in der CIA verloren und Carrie muss zähneknirschend unter dem neuen Chef Lockhart eine Position in Istanbul antreten. Noch dazu ist sie schwanger und über den Tod Brodys nicht hinweg. Da kommt es ihr gelegen, dass nach kurzer Zeit der Posten als Station Chief in Kabul frei wird. Nicht nur, weil sie dort niemanden mit hin nehmen darf und ihr Baby, zu dem sie keine Bindung eingehen kann, bei ihrer Schwester lassen kann, bedeutet es auch mehr Action. Eine entsprechende Aktion geht jedoch unerwartet nach hinten los. Der vermeintlch sichere Tipp eines Mitarbeiters der US-Botschaft veranlasst Carrie dazu, ein Haus zu bombardieren, in dem sich ein Terrorist aufhält. Dass dort jedoch auch eine große Hochzeitsgesellschaft anwesend ist, wird erst klar, nachdem zwei Dutzend Leichen geborgen werden. Es bahnt sich ein Fiasko an, denn nur einen Tag später wird Carries Informant enttarnt und auf offener Straße gelyncht. Um die Vorgänge aufzuklären, lässt sie sich nach Islamabad versetzen und als sich herausstellt, dass der Akt der Vergeltung geplant war und der afghanische Geheimdienst seine Finger mit im Spiel hat, spitzt sich die Situation zu. Noch schlimmer wird es, als sich herausstellt, dass Haissam Haqqani, der anvisierte Terrorist, bei dem Anschlag nicht getötet wurde. Damit Carrie sich die Zusammenhänge erklären kann, macht sie sich an dessen Neffen, den jungen Medizinstudenten Ayan ran. Gleichzeitig wird Saul, der für kurze Zeit in Afghanistan verweilte, vor Ort entführt – die Ereignisse spitzen sich zu …

Homeland ohne Damien Lewis, ohne die ursprünglich zentrale Figur des Irak-Heimkehrers Nicholas Brody? War das überhaupt möglich? Würden die Fans diese Veränderung akzeptieren? War Damian Lewis in der Rolle des Brody schon in Season 3 zunächst unterbeschäftigt, ja praktisch von der Bildfläche verschwunden und erschien seine Reaktivierung durch Saul mehr wie ein Zugeständnis der Macher an die Fans der Figur, muss die vierte Staffel nun (bis auf eine kurze Ausnahme) komplett auf Brody verzichten. Und nicht nur auf ihn, sondern auch auf dessen Familie, die auch in der „Nachsorge“ keine Rolle mehr spielt. Damit verlagert sich Homeland vollständig von einer sehr individualisierten Serie auf eine cosmopolitischere, ganzheitliche Ebene. Nicht mehr das Schicksal einer Figur, die Frage, ob er nun oder ob er nicht zum Terroristen geworden ist, steht im Vordergrund, sondern die vielen Kriegsschauplätzes des US-Kampfes gegen den Terror. Natürlich greift sich die vierte Staffel auch hier exemplarisch wieder einen Fall heraus und fokussiert sich auf das angespannte Verhältnis zwischen den USA und Pakistan, bzw. zwischen deren beider Geheimdienste. Zentraler Punkt ist die Jagd nach einem Terroristen, der nicht mal sonderlich weit oben auf der Liste der vom CIA gesuchten Typen steht, den Carrie aber ganz persönlich zur Strecke bringen möchte – immerhin hat sie wegen ihm eine ganze Hochzeitsgesellschaft ausraddiert. Da Haissam Haqqani jedoch lange nur ein Phantom bleibt und erst in der Mitte der vierten Staffel erstmals richtig in Erscheinung tritt, konzentriert sich das Geschehen bis dahin auf interne Rangeleien und eine Neuordnung der Zuständigkeiten sowie der Figuren zueinander. Carrie muss sich ihren Job in Islamabad mit einer Erpressung erkämpfen, Quinn versinkt für kurze Zeit in kolossale Selbstzweifel und Saul ist eine Randfigur, die nur mal kurz für eine kleine Hilfestellung hinzugezogen wird. Das, so muss man ehrlich konstatieren, dauert etwa sechs Episoden lang, bevor es nachhaltig packend wird. Erneut beginnt die Staffel nämlich relativ verhalten und ruhig: Der Bombenangriff wird nicht „live“, sondern per Satellitenkamera verfolgt und der Zuschauer bekommt eine äußerst coole Carrie Matthews präsentiert. Sie hat ihre Tochter im Stich gelassen, hakt kaum nach, bevor sie ein Haus bombardiert, in dem sich eventuell Zivilisten befinden und Quinn raunzt sie an, als der nach einer heftigen Aktion mal eine Minute Ruhe braucht. Gegenüber ihrer Vertrauten Fara wird Carrie in Episode 6 derart ausfallend, dass man als Zuschauer schon etwas verwundert die Augenbrauen hochzieht.

Ohnehin ist das Finale der sechsten Folge ein erster echter Höhepunkt, wenn die bipolare Störung der Agentin just in dem Moment ausbricht, als sie den gejagten Terroristen per Drohne ausschalten will und nur Quinn sie vor einer folgenschweren Entscheidung mit Konsequenzen bewahren kann. Im Gegensatz zur hochemotionalen Carrie, die zu Beginn der dritten Staffel fast pausenlos in Tränen ausbrach, muss man sich allerdings schon etwas umgewöhnen. Bedingt durch die vergangenen Erlebnisse der ersten drei Staffeln von Homeland fällt es der Agentin noch schwerer als bisher, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. Sie wirkt noch roher und berechnend-manipulativer als zuvor. Das gipfelt dann konsequenterweise schon früh in einer intensiven und selbst fürs US-Pay-TV ziemlich tabubrechenden Szene mit ihrem Baby. Ähnliches Verhalten äußert sich dann im späteren Verlauf gegenüber ihrem eigentlichen Vertrauten Saul. Die angesprochene anfängliche Ruhe der vierten Staffel von Homeland verwandelt sich erstmals im Finale der ersten Episode in Dramatik, wenn der Botschaftsmitarbeiter Sandy aus Quinns Auto gerissen und von dem aufgebrachten Mob auf der Straße erschlagen wird. Ähnliche Highlights lassen zwar zwischendurch immer mal auf sich warten, doch wie es bei Homeland so üblich ist, steigert sich das Geschehen zum Finale hin immer weiter. Das gerät dann zu einem Actionhöhepunkt, den man so bisher aus der Serie noch gar nicht kannte. Waren die letzten Episoden der Seasons 1-3 eher spannend und thrillerhaft inszeniert, geht’s hier ziemlich rasant und laut zu. Was besonders die deutschen Zuschauer freuen wird: die folgende Staffel 5 wird nicht nur teilweise in Berlin spielen, sondern einige hiesige Darsteller in prominenten Nebenrollen präsentieren.
Was man Homeland leider in der vierten Staffel etwas stärker anlasten kann als bisher, ist sein teils vorhandener Mangel an politischer Differenziertheit. Abgesehen von einem sehr guten und reflektierten Dialog zwischen Saul und Haqqani, in dem der Moslemführer zu Protokoll gibt, dass die Christen auch keine Heiligen waren und Saul antwortet, er sei Jude, sind die Feindbilder in der vierten Staffel ziemlich klar und es wird arg schwarz-weiß-gemalt. Damit ist nicht einmal nur das kaltschnäuzige Verhalten Carries gemeint, die sich (stellvertretend für das Verhalten der USA im Nahen und Mittleren Osten) benimmt wie ein Elefant im Porzellanladen, sondern auch der CIA-Chef, der seiner um den Dialog mit Pakistan bemühten Botschafterin mehrfach in die Parade fährt. Ginge es nach der vierten Staffel der Serie, müsste man sich nicht wundern, wenn der Groll gegenüber dem Weltpolizisten #1 vor allem seitens der pakistanischen Bevölkerung und Regierung noch größer geworden wäre. Beschränkten sich die vorhergehenden Staffeln noch auf Einzeltäter, die durch private Gruppen finanziert und gestützt wurden, wird in Season 4 eine Regierung sowie deren Geheimdienst mit hineingezogen und beide kommen nicht gerade gut weg.

Bild- und Tonqualität

In gut ausgeleuchteten Szenen sowohl in Innenräumen als auch bei Außenaufnahmen ist die Schärfe und Auflösung von Homeland – Season 4 nochmal spürbar besser als während der bisherigen Staffeln. Auch die Kontrastdarstellung gelingt sehr gut. Details werden sowohl in hellen als auch während dunkler Szenen gut herausgearbeitet und die Farbgebung kann sich ebenfalls sehen lassen. Natürlich, je nach Drehort, werden mal wärmere und mal kühlere Filter eingesetzt. Akustisch war und ist Homeland schon immer eine sehr dezente Serie gewesen. Filmmusik findet fast gar nicht statt und wenn nicht gerade geschossen, bombardiert oder verfolgungsgejagt wird, reduziert sich das Geschehen auf die sehr gut eingebetteten Dialoge und ein wenig Atmosphäre. Letzteres beispielsweise während der Szenen auf offener Straße in Kabul oder Islamabad oder auch in der Kirche bei der Bestattungsfeier für Sandy.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial der vierten Season von Homeland, das in Bezug auf die Featurettes komplett auf der dritten Disk abgelegt ist, warten zunächst sieben entfernte Szenen, die bis auf das angespannte Gespräch zwischen Saul und Haqqani eher entbehrlich scheinen. Des Weiteren finden sich insgesamt drei Charakterprofile, die mit Quinn beginnen. Der gibt eine nette Anekdote preis, dass er an seinem zweiten Drehtag für die Serie überhaupt mehrere Stunden zu spät kam, da er seinen Wecker überhört hatte. Das ist ihm derart peinlich gewesen, dass er an diesen Tag noch heute unangenehme Erinnerungen hat. Das zweite gilt der neuen Figur Aasar Khan, dem Lieutenant-Colonel, der für den ISI arbeitet und mit einer europäischen Ausbildung im Hintergrund eher zu den gemäßigten Kräften gehört. Das Charakterprofil beschreibt vornehmlich seine Verbindung zu Carrie. Profil Nummer drei kümmert sich um Fara, deren Figur in der vierten Staffel ziemlich gebeutelt wird. Im knapp 25-minütigen und dreiteiligen Feature „From Script to Screen“ geht es um die Neuausrichtung der Serie nach dem Tod Brodys. Von der veränderten Carrie bis zum Staffel-Showdown in der Botschaft bekommt man teils sehr spannende Einblicke hinter die Kamera.

Fazit

Homeland – Season 5 muss ohne Brody auskommen und schafft das am Ende ganz gut. Allerdings auch nicht so gut, wie es in manchen Reviews zu lesen ist. Denn die ursprüngliche Idee, mit der die Serie vor vier Jahren vor allem auch vermarktet wurde, ist mit der dritten Staffel komplett zu Ende gegangen. Übrig geblieben ist eine (oft politische einseitige) Kampf-gegen-den-Terror-Serie, die nach wie vor stark geschauspielert und bisweilen höchst spannend inszeniert ist – man muss eben nur bereit sein, den Neuanfang auch mitzumachen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%

Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2014/’15
Regie: Diverse
Darsteller: Claire Danes, Mandy Patinkin, Rupert Friend, F. Murray Abraham, Tracy Letts, Nazanin Boniadi, Laila Robins, Numan Acar, Michael O’Keefe, Mark Moses, Nimrat Kaur, Nina Hoss, Damian Lewis
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 585
Codec: AVC
FSK: 16