Blu-ray Review
OT: Honest Thief
Die-9-Mio.-Dollar-Frau
Liam Neeson hat genug vom Bankräuber-Dasein.
Inhalt
Tom Dolan ist das, was man einen Gentleman-Gangster nennt. Einer, der niemals anderen Gewalt antut. Einer, der Tresore knackt und Banken ausraubt, dabei aber stets auf den Codex acht, dass niemand ernsthaft zu Schaden kommt. Als solcher ist er als „In-and-Out-Bandit“ zwar berüchtigt, aber das nur, weil er intelligent und gewitzt genug ist, den Behörden stets einen Schritt voraus zu sein. Da er seit einem Jahr wieder in einer Beziehung steckt und es damit wirklich ernst meint, stellt er sich nach reiflicher Überlegung dem FBI und möchte gern einen Deal aushandeln – per Telefon. Seine Erklärung, er tue das aus Liebe zu seiner Freundin Annie, ruft bei den beiden Beamten, Sam Baker und Sean Meyers, allerdings eher Belustigung hervor. Kein Wunder, dass sie ihm zunächst nicht glauben. Immerhin gab’s vor ihm schon zig andere, die sich für den berühmten Bankräuber ausgaben. Und weil das so ist, geben sie den Fall an zwei jüngere Kollegen ab. Doch die sind nicht so integer, wie es Tom gehofft hatte und reißen sich dessen Beute selbst unter den Nagel. Anschließt wollen sie Dolan aus dem Weg räumen. Doch just in dem Moment taucht Sam Baker auf, was zu einer Kettenreaktion von Ereignissen führt, an deren Ende Dolan nun auch noch als Mordverdächtiger dasteht. Und all das erfährt nun auch Annie – kein guter Tag für Tom Dolan …
Lange Zeit war Liam Neeson abonniert auf Haupt- und Nebenrollen in Lebensdramen oder Liebes- und Historienfilmen. Ein Actionstar war er eher nicht. Doch dann kam das Jahr 2008 und mit 96 Hours – Taken begeisterte der smarte Nordire mit einer rohen und schonungslosen Rache-Rolle nach (aufgefrischtem) Ein-Mann-sieht-rot-Prinzip. Das hatte man von dem Mann, der als Oskar Schindler über 1000 Juden vor den KZs bewahrte, nun wirklich nicht erwartet. Und genau deshalb war die Rolle so faszinierend. Neeson brachte das „Den-möchte-ich-als-Nachbar-haben“-Gefühl mit einer charismatischen und zackig choreografierten Rächer-Geschichte überein, auf dass man zu keiner Zeit das reaktionäre Moment eines Charles-Bronson-Revenge-Films empfand – erstaunlich genug, wenn man bedenkt, wie rau und gnadenlos sich Neeson durch seine Gegner pflügte. Was folgte war ein zweiter Frühling für den früheren Drama-Akteur als Action-Filmstar. Unzählige sehr ähnlich gestrickte Rollen säumten seine Karriere von da an. Angefangen bei den beiden Sequels zu 96 Hours über Non-Stop und Run All Night bis hin zu The Commuter und Hard Powder. Und nun also Honest Thief, eine Geschichte über einen Gentleman-Bankräuber, der einer Frau zuliebe nicht nur den „Job“ an den Nagel hängt, sondern sich auch gleich noch selbst ausliefern will. Das beginnt zunächst gemäßigter und relaxter als die früheren Thriller mit Neeson in der Hauptrolle, passt damit aber zum einen besser zur Bankräuber-Geschichte und ein wenig auch zu Neeson – immerhin ist er auch kein junger Hüpfer mehr. Auch wenn er das dann nach gut 30 Minuten zu ignorieren scheint, während er aus dem Fenster des zweiten Stocks springt. Wirklich schön ist das Wiedersehen mit Kate Walsh, die man als Dr. Addison Montgomery aus Grey’s Anatomy (ihr wisst schon, die Ex von McDreamy) sowie aus ihrer „eigenen“ Serie Private Practice kennt. In Spielfilmen ist sie nur selten zu sehen und passt hervorragend an Neesons Seite. Gerade, weil sie stets selbstbewusste und auf Augenhöhe agierende Figuren spielt und keine „hübschen Beiwerke“ zu machohaften Filmhelden. Wenn Honest Thief sich allerdings an einer Erklärung für Toms Bankraubzüge versucht, hört sich das aus Neesons freundlichem Mund zwar herzerwärmend an, wirkt dann aber doch ein bisschen wie ein ungelenker Versuch, Verbrechen nach Manier eines Robin Hood zu rechtfertigen.
Aber Schwamm drüber. Immerhin zeigt er ja Reue und ist sonst eigentlich ein ganz patenter Kerl. Der Film spitzt die Geschichte dann natürlich zu, damit sich auch entsprechende Spannung entwickeln kann. Das tut’s bisweilen sogar ganz gut, wenngleich nicht so ganz nachvollziehbar ist, warum Nivens so völlig ohne mit der Wimper zu zucken den korrupten Weg einschlägt und Ramon das ebenso easy zu schlucken scheint. Wenn man über solche (und ein paar ähnliche) Konstruktionen hinwegsehen kann, gefällt Honest Thief aber gerade durch seine eher entspannte Erzählweise, die nicht pausenlos durch vehemente Action unterbrochen wird. Man kann Neeson sicherlich vorwerfen, dass er seit 12 Jahren immer wieder sehr ähnliche Charaktere in sehr ähnlich geschriebenen Filmen spielt. Abwechslung sucht man innerhalb dieser Genrefilme vergeblich. Aber manchmal ist es wie ein guter Sonntagnachmittag beim Lieblingskaffee mit dem Lieblingsgebäck: Man fühlt sich wohl und kuschelig und irgendwie daheim. Und Liam Neeson ist wahrlich einer der angenehmsten Darsteller, mit denen man 90 Minuten vertraute Genrekost erleben darf – mangelnd Überraschung hin oder her. Und besser als jeder Film mit Bruce Willis der letzten (gefühlt) zehn Jahre ist Honest Thief allemal. Der nächste Neeson-Actionthriller steht übrigens schon in den Startlöchern: Mit The Marksman gibt’s eine „alter-Mann-und-Ex-Marine-kümmert-sich-um-jungen-mexikanischen-Flüchtling“-Geschichte, die den Darsteller schon wieder als Einzelkämpfer gegen eine Gruppe Bösewichter inszeniert. Für Deutschland übernimmt erneut Leonine den Vertrieb. Neeson-Fans bekommen also weiterhin reichlich Futter.
- Dieser Artikel hat deutschen Untertiteln.
Bild- und Tonqualität
Der mit der ARRI Alexa Mini gedrehte Honest Thief ist vor allem eins: Rattenscharf in Close-ups. Sowohl Neesons mittlerweile fast 70 Jahre alten Gesichtslinien als auch die Gesichtszüge von Robert Patrick werden dreidimensional und sehr plastisch wiedergegeben. Die Bildruhe gerät währenddessen durchweg sehr gut und offenbart kaum (digitales) Rauschen. Auch die Kontrastierung passt und liefert ziemlich sattes Schwarz bei dynamisch wirkenden Spitzlichtern. Hervorragend ist die Detailtiefe während der Vogelperspektive über Boston bei 45’43 – klasse, was man hier an definierten Fenstern und Details auf den Gebäuden erkennen kann. Bei 7’42 gibt’s zwar einen seltsamen und schlagartigen Wechsel im Bildgrößeninhalt innerhalb des eigentlichen 2,39:1-Frames, aber das ist außer einer kurzen Irritation kein echtes technisches Problem (selbst wenn man sich fragen darf, wie so etwas zustande kommt).
Die Blu-ray von Honest Thief enthält zwei unkomprimierte DTS–HD-Masterspuren fürs Deusche und Englische. Und die legen wirklich gut los. Mit bereits fühlbarem Bass und sehr räumlicher Musik beginnen die ersten Minuten, während wir Tom bei der Arbeit zusehen. Das macht von Anfang an Laune, auch wenn der Film selbst nicht vor Actionszenen wimmelt. Stets gut klingen die Szenen, in denen Tom von den Banküberfällen und deren Planung berichtet. Denn dann brandet der Score wieder auf und nimmt den Zuschauer in die Mitte. Schade, dass die deutschen Dialoge gegenüber den Originalstimmen des Englischen etwas belegter und weniger offen klingen. Macht aber nichts, wenn der Achtzylinder von Nivens Wagen nach 33’28 schön sonor brabbelnd den Subwoofer kitzelt. Fallen dann später Schüsse, gibt’s ordentlich Querschläger von den Rears. Insgesamt ein sehr lebhafter und guter Sound.
- Dieser Artikel hat deutschen Untertiteln.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Honest Thief gibt’s zwei Interviews – je eins mit den beiden Hauptdarstellern zusammen und eins mit Regisseur Mark Williams. Die Interviews wurden sichtbar nach Ausbruch von Corona produziert. Denn sie fanden per Videokonferenz statt. Dazu wartet ein Featurette, das rund fünf Minuten läuft, allerdings nicht sonderlich viel interessante Infos bereithält. Leonine-typisch gibt’s keine deutschen Untertitel
Fazit
Wie bereits ein paar seiner vorherigen Actionthriller erfindet auch Honest Thief das Rad nicht neu. Aber er ist entspannt inszeniert, hat ein harmonierendes Hauptdarstellerpaar und gibt einem aufgrund von Neesons Leinwandpräsenz irgendwie ein wohlig-warmes Gefühl. Wem das nicht reicht, der schaut lieber noch mal 96 Hours. Alle Fans des Darstellers machen hier nicht wirklich was falsch. Zumal die Blu-ray klasse aussieht und sehr gut klingt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 30%
Film: 60%
Anbieter: Leonine Distribution
Land/Jahr: USA 2020
Regie: Mark Williams
Darsteller: Liam Neeson, Kate Walsh, Jay Courtney, Jeffrey Donovan, Anthony Ramos, Robert Patrick
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 99
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Leonine Distribution)
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Trailer zu Honest Thief
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Ich empfinde die Darstellung eben nur als pseudodifferenziert. Der Eindruck wird durch die Darstellung Liam Neesons erzeugt und die väterliche Motivation, um dann Handlungen zu legitimieren, die in keinster Weise abgewogener als bei Charles Bronson sind. Und aus Sicht der Tochter wird der abgesägte Ex-Papa zu Superpapa, während Mamas dollarschwerer Neuer eine Lusche ist. Ich finde das sehr primitiv, der Eindruck der Differenziertheit wird nur durch äußere Aspekte erzeugt, um ziemlich reaktionäre Inhalte zu verkaufen, indem man sich oberflächlich anbiedert.
Ich denke der gute Mann bekommt keine anderen Drehbücher mehr und solange das ganze ordentlich produziert wird, wird er auch keinen Rückzieher machen. War Charles Bronsons letzter Film nicht Death Wish 5? Auch der kam nicht mehr weg vom einsamen Rächer Cannon sei dank;) Natürlich war das immer mehr eine Karikatur aber sicher auch der Zeit geschuldet. Das kann man den Leuten heutzutage nur noch differenzierter servieren. Leeson wirkt immer bedacht, niemals überheblich, der realistische Ansatz bei Inszenierung und Charakterzeichnung steht seinen Filmen gut, dementsprechend gibt’s da immer wieder Nachschub…
Ich werfe da mal meine persönliche Meinung zu LN Rachethrillern der letzten Jahre, insbesondere der“Taken“ Reihe inden Raum die ich sehr fragwürdig finde: Ist es nicht noch viel reaktionärer, den gnadenlosen Rächer als netten Onkel von nebenan zu präsentieren mit entsprechendem Identifikationspotental, als in den alten Bronson und Eadtwood Filmen eiskalte Rächer zu zeigen, von denen man sich auch klar distanzieren kann? Meine Meinung , darf jeder anders sehen. Ansonsten geht mir Liam Nelson für das Charakterlich langsam zu oft verloren irgendwann kriegt er nur noch solche Rollen, im Alter nicht gerade karriereförderlich
Durchaus eine spannende Frage und Diskussionsgrundlage, die natürlich zahlreiche Vertreter des Rache-Actioners der letzten Jahre beträfe.
Wie sehen die anderen Leser das?
Wie sieht es hier mit der deutschen Synchronstimme aus, da ja der stamm Sprecher leider verstorben ist, ist die genaus gut?
Da es sich in HONEST THIEF um Helmut Gauß handelt, der Neeson bereits in „Tatsächlich Liebe“, „Michael Collins“, „Rob Roy“ und „Schindlers Liste“ gesprochen hat, dürfte sie vielen Zuhörern sogar recht vertraut klingen.