Blu-ray Review
OT: Hotel Artemis
Nur für Mitglieder
Jodie Foster zwischen einem Dutzend Schwerverbrecher – ob das gut geht?
Inhalt
Was wären die Kriminellen des Jahres 2028 nur ohne das Hotel Artemis? Immer dann, wenn während eines Deals, Einbruchs oder einer Auseinandersetzung was schiefgeht, kehren sie dort ein und lassen sich behandeln. Denn „Artemis“ ist kein Hotel, sondern eine in den oberen Stockwerken eines Gebäudes liegende getarnte Klinik für Gesetzlose und Verbrecher. Geleitet wird die Einrichtung von Schwester Jean Thomas und ihrem Assistenten Everest. Everest sorgt dafür, dass nur diejenigen Zutritt erhalten, die Mitglied im „Club“ sind und auch dafür, dass man sich während des Aufenthalts im Hospital an die Regeln hält: Keine Waffen und kein Morden innerhalb der Mauern!
Draußen auf den Straßen bricht derweil der Bürgerkrieg los, nachdem man die Wasserversorgung privatisiert hat und dies zur Verknappung und Verteuerung des wertvollsten aller Rohstoffe führte. Waikiki und seine Gang halten dies für den perfekten Moment, um eine Bank auszurauben. Gesagt, getan. Doch als sie merken, dass sie nicht an das Geld aus dem Tresor kommen, berauben sie stattdessen die Kunden vor Ort. Unter anderem fällt Waikikis Bruder Honolulu ein wertvoll aussehender Kugelschreiber in die Hände. Auf der Flucht wird er jedoch angeschossen und so landen beide im Hotel Artemis. Was sie noch nicht wissen: Der Kugelschreiber ist voller Diamanten und gehört Orian Franklin. Der ist eigentlich eher unter dem Namen Wolf King bekannt – und dafür, dass er alle tötet, die ihm auch nur fünf Cent klauen. Dumm, dass ausgerechnet der Wolf King nun ebenfalls verletzt ins Hotel Artemis eingeliefert wird …
Was wäre der Gansterfilm ohne sie? Ohne die Vertrauens-Ärzte der Verbrecher und der verletzten Bösewichte, die sich irgendwann dorthin schleppen, um ihre Wunden behandeln zu lassen.
In Hotel Artemis macht Regie-Debütant Drew Pearce aus dieser Situation einen kompletten Spielfilm. Dabei verquickt er das bekannte Motiv des Outlaw-Docs mit dem distinguierten Continental Hotel der Killer in den beiden John-Wick-Filmen. Ohnehin erinnert die Story ein bisschen an die zwei Rache-Actioner mit Keanu Reeves und gibt sich ebenfalls betont cool im Look. Wenngleich wir es nicht mit einem Spin-off vom erwähnten John Wick zu tun haben. Denn für das Hotel Continental ist in der Tat eine Art Prequel-Standalone-Film geplant.
Um seinen Look und die Story fügt Pearce (der bisher als Drehbuchautor beispielsweise für Iron Man 3 oder Mission: Impossible – Rogue Nation verantwortlich zeichnete) noch ein bisschen chaotisches Weltuntergangs-Szenario hinzu und engagiert eine Handvoll überraschend prominenter Darsteller. Von Jeff Goldblum über den momentan immens beliebten Dave Bautista bis hin zum „neuen“ Spock Zachary Quinto und Hollywood-Ikone Jodie Foster. Das Ganze taucht er in eine cyberpunkartige Sci-Fi-Noir-Atmosphäre und reichert es mit coolen Pseudonymen der Figuren an. Denn immerhin ist man im Hotel Artemis inkognito unterwegs, weshalb jeder Verbrecher nach dem Raum benannt wird, in dem er unterkommt – ein Hauch von Tarantino weht also auch durch Hotel Artemis.
Inszenatorisch beginnt Pearce seinen Film mit ein paar Szenen auf den Straßen des chaotischen Los Angeles, dann jedoch wechselt er bald ins Hotel, um dort dann dauerhaft zu bleiben. Man sieht noch mal das Dach des Hochhauses und ein paar umherfliegende Drohnen und Raketen. Das war’s praktisch mit den Außenaufnahmen. Man merkt, dass Hotel Artemis mit einem relativ geringen Budget (15 Mio. Dollar) auskommen musste, sodass groß angelegte Actionszenen nur erahnt werden können. Pearce ging es vielmehr darum, ein Kammerspiel zu inszenieren. Eins, bei dem die Figuren so unterschiedlich und feindselig sind, wie sie nur sein können. Und das genau macht den Film aus. Die ständige Bedrohungssituation, die durch das gegenseitige Misstrauen entsteht. Die Aggressivität, die von den Verbrechern ausgeht, der teils vorhandene Wahnsinn, den Wolf Kings Sohn Crosby und der durch Kokain aufgeputschte Acapulco versprühen – das alles führt unweigerlich irgendwann zur großen Eskalation. Und diese Spannung bleibt dauerhaft erhalten. Zumal der Film mit 95 Minuten eine straffe Laufzeit aufweist und zu keiner Zeit Langeweile aufkommen lässt. Das Szenario ist ungewöhnlich genug, um zu unterhalten
Was die Darsteller anbelangt, so sticht natürlich Jodie Foster aus dem Ensemble heraus – und das schon rein optisch. Gut 20 Jahre hat man sie älter geschminkt, was sie locker als über 70-jährige durchgehen lässt. Optisch passt das gut zu ihrer Rolle aus harter Schale und tieftraurigem Kern.
Denn Schwester Thomas hat nicht nur an ihren Ängsten schwer zu tragen, sondern vor allem an den tragischen Gründen, die zur Alkoholsucht und dem Verlust ihrer eigentlichen Zulassung als Ärztin führten. Foster, die manche sicherlich nicht in einem solchen Film erwartet hätten, macht das schauspielerisch hervorragend und bringt die taffe Seite ebenso glaubwürdig rüber, wie den verletzlichen Kern.
Mit beißendem Sarkasmus bügelt sie die schweren Jungs ab, während sie „Laser Tag in ihren Innereien“ spielt, aber gleichzeitig aufgrund ihrer Erlebnisse unter massiven Angststörungen leidet. Wenn sie dabei Sprüche loslässt wie „Kein Wasser in Los Angeles, aber es regnet Arschlöcher“, ist das schon ziemlich unterhaltsam – und sehr ungewöhnlich aus ihrem Mund.
Als Kontrapunkt zu ihrer spröden Liberalität setzt Hotel Artemis auf Sofia Boutella (Die Mumie, Atomic Blonde), die ein bisschen heiße Erotik versprüht und als eiskalte Killerin im Hotel untergebracht ist. Ihr sollte man definitiv nicht zu nahe kommen.
Everest-Darsteller Dave Bautista, erstaunlich genug, geht neben Foster nicht unter, sondern beschwert sich in bester Obelix-Manier darüber, dass sie ihn als „Fettarsch“ bezeichnet. Sein kantiges Äußeres tut ohnehin seinen Dienst und passt prima zur Rolle des Hospital-Bodyguards.
Ein kleines Highlight setzt (mal wieder) Zachary Quinto als übermotivierter Sohn des Ober-Kriminellen Wolf King. Wenn er Jean immer wieder aggressiv anfährt und vor Daddy seine Eier demonstrieren muss, ist das die fiese Aggressivität, die man schon von seiner Rolle als Sylar aus der Serie Heroes kannte. Einzig Jeff Goldblum bleibt überraschend blass, weil seine Figur praktisch keinerlei Tiefe und nur wenig Screentime bekommt.
Optisch gefällt Hotel Artemis außerdem aufgrund des hübschen und düsteren Designs der Hospital-Räume und -Flure. Hier sieht man nichts davon, dass das Budget begrenzt war – vielmehr machte man das Beste draus. Auch die Kamera-Einstellungen passen und vermitteln viel Atmosphäre. Pearce hat seine Hausaufgaben als Regisseur also durchaus gemacht und liefert inszenatorisch ab. Richtig gut zu sehen beispielsweise bei der Eröffnungs-Sequenz im Hotel, wenn Jean zu den Klängen von California Dreamin‘ ihrer täglichen Routine nachgeht. Und auch der finale Ausbruch der Gewalt ist stilvoll inszeniert. Vor allem die ausgebildete Tänzerin Sofia Boutella darf ihre Beweglichkeit demonstrieren und in ihrer Kampfszene lustvoll aus Oldboy zitieren.
Unterhaltsam und visuell überzeugend ist der Film also. Leider hält das Drehbuch dem nicht ganz stand. Sieht man mal von der Prämisse ab, dass das Hotel seltsamerweise 22 Jahre bei den Offiziellen unentdeckt blieb (was man als Zuschauer halt akzeptieren muss), sind die vielen Figuren zu skizzenhaft. Man hätte sich mehr Tiefe und Substanz gewünscht, damit die Verflechtungen noch intensiver und besser nachvollziehbar werden. Eine um zehn Minuten längere Laufzeit, um diese mit ein paar mehr Hintergrund-Informationen anzufüllen, wäre toll gewesen und hätte Hotel Artemis zum kleinen Kultfilm werden lassen können.
Bild- und Tonqualität BD
Die Blu-ray von Hotel Artemis beginnt mit sauberem, recht rauscharmem Bild und tollen Schärfepunkten auf den Gesichtern der Bankräuber zu Beginn. In der Gasse neben der Bank setzt es dann jedoch schon ein ganz leichtes Korn auf der neutralgrauen Oberfläche des Asphalts (4’12). Das bleibt dann auch in den dunklen Szenen stets gegenwärtig und führt dann auch zu leichtem Farbrauschen, während die Farben und Kontraste sehr harmonisch rüberkommen. Ganz leichte Randunschärfen am unteren Bildbereich sind zwar nicht so schön, aber auch lange nicht so heftig oder häufig wie bei einem Kingsman: Golden Circle. In den Close-ups ist die Auflösung hingegen sehr gut, was vor allem das auf alt geschminkte Gesicht von Jean sehr detailreich darstellt.
Nicht wirklich perfekt ist der Schwarzwert, der in den ganz dunklen Szenen meist lediglich ein Mittelgrau präsentiert.
Der dts-HD-Master-Sound in Deutsch und Englisch baut von Beginn an während der Szenen in der Bank eine breite Bühne auf. Das Hologramm in der Bank liefert feine direktionale Zerstreuungs-Sound, sobald die Kamera durch es hindurch fährt und wenn Waikikis Kollege ein Loch in die Mauer der Bank sprengt, wumst es schon ziemlich kräftig aus Subwoofer und Hauptlautsprechern. Auch der Soundtrack drückt bisweilen ordentlich. Wechselt die Szenerie ins Hotel Artemis, bleibt es etwas ruhiger, weil dort einfach nicht viele Anlässe für Surround-Effekte gegeben werden. Dialoge indes bleiben stets sauber, klar und angenehm ins Gesamtgeschehen eingebettet. Sobald die Action es aber verlangt, greifen auch die Surrounds wieder ein. Ob das die elektronischen Geräte im Hospital sind oder eben der bedrohlich grummelnde Score, der schon mal einzelne feine Instrumente auf die Rears ablegt. Und natürlich wird auch das Finale recht dynamisch ins Heimkino gebracht. Da Waffen allerdings nur am Rande sprechen und meist Faust-, Ellbogen- oder Kopfhiebe das Kampfgeschehen bestimmen, werden diese durch entsprechende Sounds des Scores unterstützt, um für Dynamik zu sorgen. Gleichbleibend gut ist aber die Direktionalität – selbst wenn die richtig fetten Actionszenen hier ausbleiben.
Bild- und Tonqualität UHD
Hotel Artemis wurde vollständig digital aufgenommen. Zum Einsatz kam die Arri-Alexa-XT-Plus-Kamera, die mit 2.8K am Ausgang schon nicht die vollen 4K lieferte. Ergo scheint es nur konsequent, dass für das Digital Intermediate „nur“ ein 2K-Workflow genutzt und für die UHD entsprechend wieder hochskaliert wurde.
Obendrauf gab’s aber natürlich den im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum sowie die höhere Bilddynamik HDR – und zwar nach dem statischen Verfahren HDR10.
Im laufenden Film zeigt sich, dass die Farbgebung nur minimal von jener der Blu-ray abweicht. Hauttöne sind etwas wärmer, was dem etwas blassen Gesicht von Jodie Foster entgegen wirkt. Auch die teils sehr kräftig in einfarbiges Licht getauchten Szenen (rot, orange, gelb) sind etwas kräftiger. Allerdings sieht man das nur im direkten Vergleich. Die Kontrastgebung ist ein wenig homogener geraten, lässt die Flanken nicht ganz so steil ausfallen. Subjektiv könnte man das auch als weniger kontraststark interpretieren, weil der Schwarzwert auch hier nicht wirklich besser ist und Schattenbereiche auf Gesichtern etwas weniger dunkel geraten. Auf der Habenseite steht dann allerdings eine etwas bessere Durchzeichnung. Nicht verhindern kann die eigentlich bessere Komprimierung der UHD, dass man in der dunklen Szene im OP leichte Blockartefakte auf dem grauen Hintergrund ausmachen kann (11’29). Hier sackt die Datenrate aber auch auf schwache 10Mbps ab. Sehr gut aufgelöst sind hingegen die in starke und satte einfarbige Kolorierung getauchten Szenen. Hier vermatscht nichts und die Schauspieler bleiben klar erkennbar (68’15). Bei der Auflösung sind die Unterschiede marginal. Vornehmlich wirken Close-ups von Gesichtern etwas dreidimensionaler, weil die generelle Abstimmung etwas dunkler ist und deshalb Schattenbereiche klarer konturiert bleiben.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Hotel Artemis wurden insgesamt sieben Interviews mit den Darstellern und Regisseur Pearce abgelegt. Bei einer Lauflänge von insgesamt 18 Minuten hat Foster den größten Anteil, allerdings sind die Kommentare der Darsteller aufgrund der relativ harmlosen Fragestellungen eher von geringem Informationsgehalt. Dazu gibt’s den Audiokommentar mit Regisseur Drew Pearce und Produzent Adam Siegel sowie die beiden Originaltrailer.
Fazit
Hotel Artemis ist klasse besetzt, teilweise hervorragend gespielt und stilsicher inszeniert. Dazu gibt’s ein paar coole Fights und die außergewöhnliche Atmosphäre. Schade, dass das Skript da nicht ganz mithält.
Die UHD liefert das insgesamt etwas harmonischere Bild, das mit etwas kräftigeren Farben aufwarten kann. Der dts-HD-Master-Sound nutzt die Speaker effektvoll, könnte aber insgesamt noch etwas mehr Dynamik liefern.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 75%
Bildqualität UHD: 75%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%
Anbieter: Concorde Home Video
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Drew Pearce
Darsteller: Jodie Foster, Sterling K. Brown, Sofia Boutella, Jeff Goldblum, Brian Tyree Henry, Zachary Quinto, Dave Bautista, Charlie Day
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 94
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10
FSK: 16
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Concorde Home)
Ich habe auf verschiedenen Seiten gelesen, dass die US-Version wohl ohne HDR-10 und erweiterten Farbraum veröffentlicht worden ist. Wurde die deutsche UHD von dir wirklich auf das Vorhandensein von HDR-10 und Rec.2020 verlässlich getestet? (Eine andere Farbgebung bzw. ein Kontrastunterschied müssen das ja nicht zwangsläufig bedeuten). Wenn die US-Infos stimmen würden, dann könnte man sich die UHD eigentlich schenken.
Die US-Fassung ist bei einem anderen Anbieter erschienen und in der Tat ohne HDR im Rec.709 Farbraum.
Die deutsche Disk enthält hingegen HDR10 und basiert auf BT.2020. Ist (leider) nicht das erste Mal, dass unterschiedliche Anbieter unterschiedliche Masterings verwenden – wenngleich es in diesem Fall für uns hierzulande günstig ausgegangen ist.