Blu-ray Review
OT: Hustlers
Dream-Team
Wehe, wenn Stripperinnen den Spieß umdrehen.
Inhalt
Destiny ist neu im angesagten New Yorker Strip Club, der des Abends vornehmlich von den reichen Brokern der Wall Street frequentiert wird. Eine gute Möglichkeit als für die unerfahrene Stripperin, ein wenig Geld zu machen, um sich und ihre Großmutter zu versorgen. Vor Ort ist sie vor allem von der erfahrenen Pole-Dancerin Ramona fasziniert. Ihre Darbietungen sind es, die den Männern das Geld gleich massenhaft aus der Tasche locken. Weil sich die beiden schnell leiden können, nimmt Ramona Destiny unter ihre Fittiche und weist sie in die Kunst der Verführung an der Stange ein. Schon bald bildet man ein Duo, das auch im Séparée äußerst erfolgreich Kohle macht. Doch dann kommt der Finanz- und Börsencrash 2008. Den Clubs gehen die Gäste aus, die Damen werden arbeitslos. Destiny bekommt zudem ein Kind. Eines Tages jedoch treffen sie sich wieder und schmieden gemeinsam Pläne, die ehemaligen Kunden mit einem Trick (und der Kooperation der Clubs) bis auf die Unterhose auszunehmen …
Zwischen 2012 und 2014 brachten es die beiden Stripperinnen Roselyn Keo und Samatha Barbash gemeinsam mit ein paar Komplizinnen auf eine stattliche Summe erschwindelten Geldes. Nachdem die Finanzkrise von 2008 zugeschlagen hatte und die vornehmlich reichen Kunden der Wall Street in den Clubs ausblieben, konzentrierte man sich auf einige wenige fette Fische. In Absprache mit dem jeweiligen Strip Club dateten die Damen ihre alten Kunden unter dem Vorwand eines regulären Dates auf, machten sie betrunken und schleppten sie dann in die Clubs. Dort kamen dann weitere Damen hinzu und sorgten dafür, dass die Herren ordentlich Geld ausgaben. Von den entsprechenden Kreditkarten-Belastungen führten die Clubs dann Anteile an die Stripperinnen ab. 2014 überführte man Keo, Barbash und drei weitere Damen und verurteilte sie zu Bewährungsstrafen ohne Inhaftierung. Das „erbeutete“ Geld durften sie übrigens behalten.
Die besten Geschichten schreibt also immer noch das Leben an sich. Und diese Geschichte notierte 2015 die New-York-Magazine-Journalistin Jessica Pressler nachdem sie mit beiden Damen lange Interviews geführt hatte. Auf dem Artikel The Hustlers at Scores basiert nun der von Lorene Scafaria inszenierte Film.
Bis auf einige Änderungen wie beispielsweise die Machtstruktur innerhalb der Damen-Gang orientiert sich der Film vom Prinzip relativ genau an der wahren Geschichte.
Hüben wie drüben hatten sich Keo und Barbash (im Film: Destiny und Ramona) im Business kennen gelernt und hüben wie drüben sorgte eine Mutterschaft bei Destiny/Keo für eine mehrjährige Pause. Allerdings schrieb man die Freundschaft zwischen den beiden Damen dann wohl doch etwas intensiver als es in Wirklichkeit der Fall war.
Hustlers transferiert die wahre Geschichte mit veränderten Namen in eine schwarzhumorige Komödie, die ebenso als Rahmenhandlung die Interview-Situation nutzt. Julia Stiles spielt die Rolle von Jessica Pressler (im Film: Elizabeth) und Constance Wu übernimmt ihre Interviewpartnerin Destiny/Keo. Rückblickend wird dann die unglaubliche Geschichte erzählt und ebenso humor- wie kraftvoll umgesetzt. Dabei gelingt Scafaria in den meisten Szenen ein gelungener Spagat zwischen feministischem Grundtenor, Freundschaft und bisweilen tiefgründigem Drama. Denn wo man fürchten könnte, dass der Background der Damen lediglich zur Nabelschau von nackter Haut wird, vermeidet Hustlers eine Objektifizierung der Stripperinnen. Das gelingt vor allem auch deshalb so gut, weil die versammelten Schauspielerinnen allesamt gnadenlos gut spielen und man ihren Figuren gefühlvolle Hintergrundgeschichten auf den Leib schreibt. So braucht Destiny das Geld auch deshalb, um ihre Großmutter zu unterstützen. Darstellerisch muss man vor allem Jennifer Lopez und Constance Wu Lob und Anerkennung aussprechen. Wie J.Lo mit Selbstbewusstsein und Drive gleichzeitig sensationell tanzt, dabei gleichzeitig sexy aussieht und in ihren durchtriebenen Abgrund blicken lässt, ist schon ein großer Spaß. Und es brachte ihr nicht nur eine Golden-Globe-Nominierung als beste Nebendarstellerin ein, sondern eine noch viel höhere Auszeichnung: Sie bekam den „Himbeeren-Erlöser-Preis“, der alljährlich bei der Verleihung der Goldenen Himbeere an jene vergeben wird, die sich aufgrund herausragender Leistungen vom einstigen Gewinn des „Anti-Oscars“ rehabilitiert haben. Constance Wu wiederum überzeugt gleichermaßen. Sie muss durch die dramatischeren Szenen hindurch, muss einen Todesfall verwinden und den Spagat zwischen Business und Mutter hinbekommen. Von der anfänglichen Naivität bis zur späteren Entschlossenheit meistert Wu diese Rolle sehr gut.
Inszenatorisch und vom Stil her wirkt Hustlers wie eine temporeiche Mischung aus Ocean’s 8 und einem Wolf of Wall Street von Martin Scorsese. Die Neonlichter glühen in der Nacht, die Damen schmieden Pläne in bester Heist-Tradition und parallel wird das Gefälle zwischen den sozialen Schichten verhandelt und auf die korrupte Macht des Geldes eingegangen. Ehrlichkeit zählt in dieser Zeit nicht. Und wenn die Herren an der Wall Street Anleger und am Ende auch sich selbst belügen, warum sollten die Damen dann ganze alleine nach Regeln und Aufrichtigkeit handeln? Ramona und Destiny finden ihren Platz in all dem Chaos aus zusammenbrechendem Kapitalismus und heiler, eitler Kokswelt. Es ist ihre Art der Bestrafung, die sie den arroganten, ekligen und selbstgefälligen Börsenkerlen angedeihen lassen. Es ihr ihr selbstbewusster Kommentar auf das ausnutzende Ungleichgewicht; auf ein Geschäft, das Frauen physisch und psychisch ausbeutet. Und Hustlers legt dann noch einmal nach, wenn sich die Protagonistinnen hinterfragen und merken, dass sie vielleicht doch einen Schritt zu weit gegangen sind. Vielleicht ist der Film damit sogar ein wenig näher an einem idealistischen Bild der Damen und ihres Klassenkampfes als die Realität selbst. Denn im realen Leben war Barbash keineswegs einverstanden mit dem Gezeigten. Sie fühlte sich diffamiert und übergangen, wollte die Produktion gar stoppen (Quelle). Ob diese Worte aus Aufrichtigkeit um die echte Geschichte heraus entstanden, aus dem Neid, dass nun jemand anders als sie selbst Profit aus der Story schlägt oder einfach nur, um Publicity für ihr neues Buch Underscore zu betreiben? Die Antwort darf sich jeder selbst geben.
Bild- und Tonqualität
Hustlers wurde mit der Panavision Millennium DXL aufgenommen, die mit bis zu 8K aufzeichnet. Von dem Material wurde ein 4K DI erstellt, sodass auch für die Blu-ray beste Voraussetzungen für ein knackiges und laufruhiges Bild bestehen. Und das liefert die BD fast ausnahmslos tatsächlich. Die Laufruhe ist hoch und lässt nur selten eine leichte Unruhe zu. Noch seltener werden diese Unruhen mal etwas deutlicher, wie beim leichten Rauschen in den dunklen und in tiefes Rot getauchten Séparées (Hemd 19’00). Close-ups sind bisweilen knackscharf und offenbaren jede noch so feine Pore in der Haut. So gut ist die Auflösung, dass auch unschmeichelhafte Imperfektionen auf der Haut sichtbar werden. Hervorragend gelingt zumeist die Durchzeichnung in den dunklen Szenen, selbst wenn es auch hier in den rot ausgeleuchteten Momenten aufgrund der geringen Farbtiefe von 8-Bit etwas wachsig und matschig wirkt. Die unterschiedlichen Farbgebungen, die man durch bewusste Filterung erzielt hat, gibt die Disk authentisch wieder – von den sehr gelblichen Hauttönen in der Umkleidekabine über den neutralen Teint während des Interviews oder die magentafarbene Ausleuchtung im Club selbst.
Akustisch sorgen sich zwei dts-HD-Master-Spuren um das akustische Wohlergehen der Blu-ray. Fürs hiesige Publikum gibt’s zwei Kanäle mehr (7.1) als für die Originalfassung. Die Konzentration liegt zwar auf den Dialogen, dennoch wird es immer mal wieder dynamisch, wenn in den Clubs die Musik entsprechend druckvoll zur Sache geht. Ob fette Hip-Hop-Beats oder der klassische Soundtrack während der Übungen an der Pole-Dance-Stange – Musik wird stets voluminös wiedergegeben. Räumlich wird es immer dann, wenn die Umgebung mit einbezogen wird. Naturgeräusche oder Straßenverkehr sind gut für dedizierte Surroundeffekte. Übrigens: Der Bleeep beim Nennen eines gewissen „Doug“ ist gewollt und ebenso das Ausbleiben des Sounds kurz darauf, wenn das Aufnahmegerät nicht mehr läuft. Ebenso nutzt der Film das Stilmittel, den Ton komprimiert und verrauscht darzustellen, wenn Dawn verkabelt ist.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Hustlers wartet der nicht untertitelte Audiokommentar von Regisseurin Scafaria sowie ein kurzes, zweiminütiges Featurette vom Roten Teppich beim Toronto Filmfestival. Dazu gibt’s noch ein paar Trailer. Schade, dass hier nicht mehr drin gewesen ist. Immerhin hätte es aufgrund der Tatsachen-Geschichte viel Möglichkeit für Statements und Hintergründe gegeben.
Fazit
Hustlers bietet klasse gespielte und auf Tatsachen beruhende zwei Stunden voller Witz, Esprit und Kritik am skrupellosen Verhalten der männlichen Kunden und Wall-Street-Broker. Sieht man von einigen überflüssig-ausgedehnten Feierstunden zur Mitte des Films ab, vergeht die Zeit wie im Flug.
Scafaria musste sich ihrerseits Kritik gefallen lassen, dass sie ihre Frauenfiguren und deren Taten glorifiziere und relativiere. Das ist abschließend nicht der Fall, wenn deutlich wird, was es mit den Damen macht. Wer das in seiner Analyse des Films außer Acht lässt, tut Hustlers Unrecht und fällt nur allzu leicht in die Falle, beide Gruppen in einen Topf zu schmeißen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%
Anbieter: Universum Film GmbH
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Lorene Scafaria
Darsteller: Constance Wu, Jennifer Lopez, Julia Stiles, Mette Towley, Vanessa Aspillaga, Keke Palmer, Mercedes Ruehl, Lili Reinhart,
G-Eazy, Usher
Tonformate: dts HD-Master 7.1: de // dts HD-Master: 5.1: en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 111
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter © Universum Film GmbH)