Blu-ray Review
OT: I See You
Grüne Messer
Überraschungs- und wendungsreicher Thriller von Adam Randall.
Inhalt
Jackie Harper und ihr Mann Greg haben derzeit damit zu kämpfen, dass Jackie vor einiger Zeit eine Affäre hatte. Auch Sohnemann Connor leidet darunter und rächt sich mit Ignoranz und Raufereien – rebellierende Teenager eben. Doch das scheint nicht das einzige Problem zu sein, denn im Haus der Familie kommt es vermehrt zu seltsamen Ereignissen. Der Fernseher schaltet sich selbsttätig ein, Besteck verschwindet aus der Schublade und Greg wird im Kleiderschrank eingesperrt. Ob das Ganze etwas damit zu tun hat, dass in der Gegend immer wieder Kinder verschwinden? Zuletzt war es ein Junge namens Justin, dessen Fahrrad herrenlos aufgefunden wurde. Greg, der vor Ort als Detective arbeitet, leitet die Ermittlungen dazu. Und bald scheint es Parallelen zu einem alten (angeblich gelösten) Fall zu geben. Der Junge jedoch bleibt verschwunden. Währenddessen spitzen sich die Ereignisse bei den Harpers zu und nehmen bald äußerst bedrohliche Formen an …
Adam Randall hatte mit iBoy gezeigt, dass er im Fach des Action-Thrillers mit Mystery-Elementen durchaus Akzente setzen kann. Da liegt es natürlich nicht allzu fern, sich auch mal am Mystery-Thriller zu versuchen. I See You begibt sich nun in das Metier von all jenen Horrorthrillern, die mit vermeintlich übernatürlichen Elementen spielen und den Zuschauer gerne auf falsche Fährten locken. Dabei ergibt sich aus der Dynamik zwischen der scheinbar idyllischen Kleinstadt und dem unterschwellig einfallendem Grauen ein erstaunlich hoher Spannungsgrad. Unterstützt durch tolle Bildkompositionen von Kameramann Philipp Blaubach (The Shanghai Job) gelingen immer wieder atmosphärische Szenen und wirklich nervenzerrende Momente. Für atmosphärischen Schauer ist also gesorgt. Was allerdings noch besser funktioniert, ist der äußerst gruselige Score von William Arcane. Erstaunlich genug, dass es bisher nicht schon viel mehr Genrefilme gegeben hat, für die er die Musik komponierte. Denn erst seine reduzierten Klänge, perkussiven Experimente und vibrierenden Sounds sorgen für die nötige Anspannung, die gerade die erste Dreiviertelstunde noch nicht erzählerisch liefert. Randall konzentriert sich gut vierzig Minuten lang darauf, die Spannungen zwischen den Familienmitgliedern zu schildern, was noch dadurch intensiviert wird, dass Jackies Lover irgendwann auftaucht. Der Entführungsgeschichte kommt dabei zunächst nur eine sehr untergeordnete Rolle zu. Selbstredend ahnt der Zuschauer natürlich, dass es bei dieser Beiläufigkeit nicht bleiben wird. Die auch dort mysteriösen Umstände werden garantiert noch eine Auswirkung auf die Harpers haben. Und während man beim Zusehen noch so grübelt und rätselt, worauf das Ganze hinauslaufen wird, präsentiert die von Schauspieler Devon Graye geschriebene Story nach etwas über 40 Minuten einen Twist, der es in sich hat. Weitere drei Minuten später erfährt I See You eine Richtungsänderung, die auch erzählerisch und strukturell Auswirkungen haben wird. In welche Richtung genau das geht, soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben, um dem Zuschauer nicht eigene Überraschungs-Erfahrung zu nehmen. Nur so viel: Durch die neue Erzählperspektive werden nach und nach neue Details und Zusammenhänge erfahrbar, die nicht nur das Treiben im Haus, sondern auch das Verhalten der einzelnen Familienmitglieder noch einmal neu beleuchten. Was leider immer wieder vom Geschehen ablenkt, ist leider das Äußere von Helen Hunt. Ob sie nun Opfer ein(ig)er Schönheits-Ops oder zu starker Botox-Behandlungen wurde oder aber (wie andere vermuten) per CGI nachgeholfen wurde: Ihre unnatürlich glatten Wangen- und Stirnpartien geben ihr bisweilen einen maskenhaften Anstrich, der wirklich gruselig wirkt. Schlimmer noch: Es macht es schwierig, ihr die gespielten Emotionen abzukaufen. Da ist man dann doch dankbar dafür, dass die Geschichte nach 67 Minuten eine weitere Überraschung parat hält, die noch einmal für einen neuen Aspekt sorgt und das Geschehen auch etwas von Jackie weg lenkt. Es soll hier wahrlich nicht um das Äußere von Schauspielern gehen. Jeder Mensch hat das Recht, seinen Körper nach eigenem Gusto zu verändern. Schade ist eben nur, dass es vom Film selbst ablenkt. Dass das Alles am Ende etwas arg konstruiert rüberkommt und sich erstaunliche viele Details zusammen fügen, ist sicherlich objektiv ein Manko. Subjektiv hält der Film seine Spannung aber dauerhaft hoch, überzeugt atmosphärisch und darstellerisch und ist in Summe überzeugender als 90% des Genre-Allerleis.
Bild- und Tonqualität
Körnig ist das Bild von I See You von Beginn an. Relativ grob sogar bisweilen im Eröffnungs-Shot über den Fluss und die Brücke. Ob analog oder digital gefilmt wurde, war leider nicht heraus zu bekommen. Da allerdings durchaus visuelle Effekte genutzt werden, liegt die Vermutung einer digitalen Produktion mit nachträglich hinzugefügter Körnung nahe. Während der Innenraumszenen werden die Bilder allerdings wieder deutlich ruhiger und klarer. Da es im späteren Verlauf auch Handkamera-Bilder gibt, bekommt man ein weiteres Stilmittel geliefert, das mit verwaschenen Bildern und deutlichen Rauschmustern belegt ist. Die Blu-ray gibt das authentisch wieder, was der Stimmung zuträglich ist. Während der herkömmlich gefilmten Momente ist die Schärfe wirklich gut und gerade Naheinstellungen wirken sehr plastisch. Hier und da zeigen sich bandingartige Wolkenartefakte auf Hintergründen (Schrank bei 59’45), was allerdings bei Einzelfällen bleibt und ansonsten nicht mehr auftaucht.
Pumpend und unterschwellig eröffnet I See You den Tonsektor, wenn der Junge zu Beginn abrupt von seinem Bike getrennt wird. Der Sub schaltet sich spürbar ein und William Arcanes Kompositionen werden gänsehauterregend auf den Speaker abgelegt. Die deutsche Synchro ist gut verständlich. Effektlautsprecher werden meist ebenfalls für den Score genutzt, während Actionelemente weitgehend ausbleiben. So reproduzieren die beiden DTS-HD-Master-Spuren das Geschehen unspektakulär, aber im Rahmen ihrer Komprimierung sehr gut.
Bonusmaterial
I See You erscheint auf Blu-ray in der regulären Amary-Box oder im Mediabook. Während die herkömmliche Blu-ray im Bonusmaterial zwei Interviews und ein Making-of enthält, liefert das Mediabook noch die DVD des Films als Zusatz sowie ein 24-seitiges Booklet, das ein Interview mit Randall enthält, vor welchem allerdings aus Spoilergründen gewarnt sei. Man sollte es definitiv erst nach dem Film lesen.
Eine kleine Anekdote gibt’s noch zum Cover des Mediabooks, das einen erhabenen Crystal-Drop-Sticker bietet. Denn zunächst war geplant, hier den Glow-in-the-Dark-Effekt zu nutzen, den bspw. auch das Mediabook zur UHD von Oldboy trägt. Offenbar ging hier in der Produktion aber etwas schief, sodass der über das ursprüngliche Leuchtemblem gelegte Crystal-Drop-Sticker sich als coole Alternative erwies. Den Leuchteffekt gibt’s indes immer noch auf den drei Titel-Schriftzügen (vorne, hinten und auf dem Buchrücken).
Fazit
I See You ist weit oberhalb des üblichen Genre-Durchschnitts und liefert eine ebenso überraschende wie spannende und thematisch moderne Geschichte. Das hat man schon weitaus langweiliger und unmotivierter gesehen. Kompliment an (Neu)Autor Devon Graye, der gerne weitere ähnlich originelle Skripte auf den Markt der Genreproduzenten werfen darf.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%
Anbieter: capelight pictures
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Adam Randall
Darsteller: Helen Hunt, Jon Tenney, Judah Lewis, Owen Teague, Libe Barer, Gregory Alan Williams, Sam Trammell
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,38:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter capelight pictures)
Trailer zu I See You
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Ich hatte mir als Blindkauf das Mediabook zugelegt und der Film (ich kannte weder den Trailer noch irgendeine Filmbesprechung) hat mich sehr positiv überrascht. Ich finde Deine Besprechung, Timo, auch sehr treffend. Ich empfehle wirklich, sich den Film ohne Vorkenntnisse anzusehen, dann funktioniert er am besten.
Moin.
Habe den neulich bei Prime gesehen und hab mich gut unterhalten gefühlt auf Grund der Überraschungen in diesem Film und auch auf Grund der vernünftigen Lauflänge. Auch die Darsteller waren für mich alles frische Gesichter. Selbst Helen Hunt und da kommen wir zur größten Peinlichkeit in diesem Film, ist ein frisches Gesicht. Fürchterlich. Hab mich permanent drüber geärgert, aber immerhin war die Screentime nicht so hoch. Ich würde den Arzt verklagen.
Kurz gesagt, guter Thriller. Nicht mehr und nicht weniger. Der Trailer suggeriert aber ne andere Richtung wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe.
Das tut der Trailer in der Tat. Ist aber gar nicht mal so verkehrt, weil der Film dann umso mehr überrascht.
Ja sorry, hast recht. Ich bin davon ausgegangen das Thriller grundsätzlich „Realfilm“ bedeutet. Schon in den ersten Sätzen der WikiDefinition wird aber klar das er auch Mystery Inhalte haben kann (wie du ja auch sagst). Wieder was gelernt. Danke. MfG
Also wie ein reiner Thriller sieht die Vorschau nicht aus.
MfG
Er mischt Elemente des Horrorfilms, des Dramas und verschiedener Thriller-Unterarten zusammen. Kommt natürlich drauf an, wie man „Thriller“ für sich definiert.
Mir hat der Film sehr gut gefallen und ich Empfehle ihn auf jeden Fall weiter. Langeweile kommt nicht auf.