Ich bin dann mal weg

Blu-ray Review

Ich bin dann mal weg Blu-ray Review Cover
Warner Home, seit 09.06.2016

OT: –

 


Eine Couchpotato auf Wanderschaft

Erst komme ich, dann kommt Gott.

Inhalt

Hape Kerkeling ist auf der Bühne erfolgreich und im TV berühmt, doch als er vor der Zugabe eines Auftritts zusammenklappt und man ihm eröffnet, dass man ihm die Gallenblase entfernt hat und der Herzinfarkt nicht ganz so weit weg scheint, beschließt er, sich schweren Herzens eine Auszeit zu nehmen. Da ihm daheim die Decke auf den Kopf fällt, erinnert er sich an seine Kirchenbesuche als Kind und an den Pfarrer in Recklinghausen. Der hatte ihm, Hans-Peter Kerkeling, gesagt, dass „Gottes Wege unergründlich sind“. Das nimmt er nun beim Wort und entscheidet sich, den Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Spanien zu wandern. Er schießt die Warnungen seiner Managerin in den Wind, dass dort ja nur Spinner unterwegs wären, die allesamt sein Autogramm haben wollen und packt die Sachen. Allerdings ist für ihn im Moment noch der Weg das Ziel. Denn während alle anderen nach Antworten suchen, kennt Hape nicht mal die Frage. Da es anfänglich ohnehin fast ausschließlich aus Eimern schüttet, muss der Entertainer die Schönheit des Pilgerns erst einmal im Hässlichen finden und sich außerdem um seine wunden Füße kümmern. Doch er lernt auch die unterschiedlichsten Menschen kennen, selbst wenn er sich anfänglich kaum auf sie einlassen möchte. Und irgendwann, nach zwei Dritteln der Reise hat er dann durchaus so etwas wie ein erhellendes Erlebnis …

Zu den (akustischen) Klängen von „Das ganze Leben ist ein Quiz“ eröffnet Ich bin dann mal weg und zeigt mit Hauptdarsteller Devid Striesow (Tatort: Saarbrücken) einen Akteur, der tatsächlich Hape Kerkeling sein könnte. Dessen Reisebericht von 2006 hatte sich nicht nur millionenfach verkauft, sondern war auch ein augenzwinkernder und erhellender Blick in das Leben eines beliebten Entertainers. Nichts lag also näher, als den Roman zu verfilmen. Dass das ein paar Jahre dauerte lag sicher auch daran, dass die Produktion mit zahlreichen Originalschauplätzen und der Findung eines Hauptdarstellers nicht eben einfach war. Kerkeling selbst war hinter den Kulissen beteiligt und gab seinen Segen zum Drehbuch. Herausgekommen ist ein durchweg charmanter, gar nicht mal allzu christlicher Film, der mit dem typisch ironischen Humor seiner Hauptfigur durchtränkt ist und dessen Frage nach „Wer ist Gott?“ gar nicht so vordergründig ist. Vielmehr geht es ja um die Frage, „wer bin ich?“ und um die Beobachtungen, die Kerkeling auf seiner Wanderung macht. Ohne ins Zynische abzudriften bleibt Ich bin dann mal weg zwar stets humorvoll, kümmert sich aber vor allem um Zwischenmenschliches. Ob das die Begegnungen mit der kecken Journalistin Lena sind, die dem Prominenten rein gar nichts zutraut (und sich wundern wird) oder aber die freundlicheren Zusammenkünfte mit Stella, die Kerkeling (wie es scheint) ausnahmsweise nicht kennt und ihm unvoreingenommen begegnet. Striesow und der Film lassen dabei nicht aus, dass Kerkeling auch mit einer gewissen Arroganz an die Sache heranging. So schläft er zunächst aus Überzeugung nicht in Großraumunterkünften und will sich partout nicht anderen Wanderern anschließen.

Die Gedanken, die der Recklinghäuser Junge später zu Papier bringen wird, bekommt der Zuschauer in Ich bin dann mal weg als Off-Kommentar von Striesow vermittelt, was ein zwar wenig innovativer aber passender Schachzug ist. Man nimmt auf diese Weise noch intimer teil an den manchmal skurrilen Erlebnissen und vor allem auch an Kerkelings anfänglichen Selbstzweifeln die Pilgerung betreffend – selbst wenn so manche Begegnung oder Erkenntnis des Tages auch einfach schrecklich banal ausfällt. Mann startet als Zuschauer eben genauso ins Ungewisse wie der Protagonist und muss sich unvoreingenommen auf das einlassen, was die Reise mit sich bringt. Ob das nun ein bizarrer Typ ist, der „Mein Kampf“ für große deutsche Literatur hält, oder die Feststellung, dass Pilgern „weh tut“ – und wenn’s zunächst mal vor allem schmerzende Füße sind. Natürlich lebt Julia von Heinz‘ (Hannas Reise) Film auch von den tollen Landschaftsaufnahmen und den Schauplätzen. Selten mal kam ein deutscher Film an derart vielen Orten vorbei und gerade die abendlichen Zusammenkünfte in kleinen Pilgerorten vermitteln eine tolle Atmosphäre. Dass man als Zuschauer dann auch ein klein wenig zum Nachdenken angeregt wird, ist zwar keine Überraschung, wird aber auch nicht überstrapaziert. Denn Ich bin dann mal weg ist zwar ein Film mit spiritueller Konnotation aber eben kein christlich-geistliches Werk, das dem Zuschauer eine Erleuchtung aufzwingt. Was er aber auch nicht ist, ist eine Schenkelklopfkomödie. Denn nur weil Hape Kerkeling „draufsteht“, sollte man nicht das nächste Soloprogramm erhoffen. Der Humor ist dem Tenor des Buchs angepasst und stets sanft und warmherzig, nie bösartig. Neben Striesow überzeugen im Übrigen Martina Gedeck und Karoline Schuch als Wanderbegleitung sowie eine tolle Katharina Thalbach als Hapes Omma Bertha und die kurzgeschorne Annette Frier als Managerin Dörte.

Bild- und Tonqualität

Lebhafte Farben und kräftige Kontraste, manchmal durch warme Filter geschickt, bestimmen das Bild von Ich bin dann mal weg. Die Schärfe ist auf einem guten Niveau, allerdings nicht herausragend. Schön ist die Detailtiefe, die während der Landschaftsaufnahmen bis in den Hintergrund hinein für Plastizität sorgt. Die Bildruhe ist exemplarisch hoch und bleibt das über die gesamte Laufzeit. Lediglich ganz kurze Kamerabewegungen neigen hin und wieder zu leichten Wischeffekten.
Akustisch gefällt Ich bin dann mal weg aufgrund seiner warmen, gleichzeitig aber kräftigen Dialogstimme von Striesow. Dessen erzählende Worte legen sich wie ein sanfter Mantel um den Zuschauer. Auch die Filmmusik passt sich dem sehr angenehm an, ist dabei nie zu laut oder übertönend aber immer auch ein wenig räumlich. Die eindringlichsten direktionalen Soundeffekte gibt’s allerdings während der Rückblicke und Auftritte Kerkelings. Die klatschenden Zuschauer erklingen schön raumfüllend.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Ich bin dann mal weg enthält drei Featurettes: In „Vom Buch zum Film“ erzählen die Macher und Darsteller von der Herausforderung, das extrem erfolgreiche Buch auf die Leinwand zu bringen. Kerkeling gibt zu Protokoll, dass er deshalb nicht selbst die Rolle übernahm, weil er „hoffentlich nicht unter einer krassen narzistischen Störung leide“. In „Die Geschichte“ geht’s natürlich um die Pilgerung selbst und „Die Dreharbeiten“ blickt ein wenig hinter die Kamera und besucht ein paar der Drehorte. Mit einer jeweiligen Laufzeit von gerade mal drei bis vier Minuten ist das Bonusmaterial für einen 1,8-Mio-Zuschauer-Kinoerfolg allerdings äußerst mager geraten.

Fazit

Ich bin dann mal weg fängt den Geist der literarischen Vorlage kongenial ein, ist mit Striesow perfekt besetzt und unterhält trotz einiger Banalitäten bis zum Schluss wirklich gut. Ob der Film (wie das Buch zuvor) nun erneut eine wahre Flut an Pilgern auslöst, steht erst einmal in den Sternen. Allerdings erreicht Julia von Heinz‘ Film, dass man dem Jakobsweg als nur bedingt spiritueller Mensch ein bisschen weniger voreingenommen gegenübersteht – und das ist vielleicht das größte Verdienst von Ich bin dann mal weg.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 70%

Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Julia von Heinz
Darsteller: Devid Striesow, Martina Gedeck, Karoline Schuch, Katharina Thalbach, Annette Frier, Inez Bjørg David
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: 0

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