Illusion

Blu-ray Review

WTP/WVG Medien, ab 29.08.2014

OT: –

 


Tiefe Einblicke

Roland Rebers aktueller Film ist ein weiteres, höchst experimentelles Werk mit mutigen Darstellern.

Inhalt

Acht Menschen, acht unterschiedliche Persönlichkeiten – und alle treffen sich in einer Bar: Der evangelische Pfarrer Theo, der beim Anblick der alleinstehenden Susanne an alte Sünden denkt, der arbeitslose Uli, dessen Gattin ihn über die Jahre immer unanziehender findet oder Nikola, die sich nicht mehr auf ihren Mann Dieter konzentrieren kann. Allesamt begeben sie sich ins Reich der Vorstellungen, fantasieren sich in lesbische oder sadomasochistische Situationen während der aufgewühlte Technikfreak Christian die Geschehnisse mit seinem Handy aufnimmt und über Facebook der Öffentlichkeit zugänglich macht …

Roland Reber, seines Zeichens bekennender Biker und Experimentalfilmer, versammelt seine liebsten Darsteller um sich, filmt unabhängig von irgendwelchen Fördergeldern und dringt erneut in intime Bereiche seiner Figuren vor. Diese stellt er in seinem jüngsten Werk Illusion zunächst in kurzen Schnipseln vor, lässt gerade bei Technikfan Christian ironischen Humor aufblitzen, schlägt aber auch schon disharmonische Klänge an – gerade bei Uli und Gattin Maja, deren Beziehung auf dem (sexuellen) Tiefpunkt zu sein scheint. Reber bleibt sich treu, schert sich einen feuchten Kehricht um Konventionen und mixt die weltlichen Probleme seiner Charaktere mit improvisatorischen Theaterszenen und einer Optik, die an billige Trashpornos erinnert. Das ist bei Weitem nicht für jeden etwas, führt beim Mainstream-Kinofreund höchstwahrscheinlich zu ungläubigem Kopfschütteln und ist selbst für Arthaus-Fans durchaus starker Tobak. Und das nicht einmal wegen der mitunter relativ eindeutigen Sexszenen, sondern aufgrund der fragmentarischen Dialoge und der bildlichen sowie akustischen Experimentalität. Da werden schon mal zwei Protagonistinnen im Wechsel gefilmt und es ist immer nur das Gesicht derjenigen zu sehen, die gerade nicht spricht – das wirkt, obwohl ein simpler Kniff, ziemlich verstörend und ungewohnt. Auch das zu Beginn teilweise Unterlegen des Tons mit pochendem Herschlag und tickenden Uhren, die verdeutlichen, dass die Dramatik möglicherweise irgendwann eruptiv eskaliert, verdeutlich, dass es hier nicht mit konventionellen Dingen zugeht.

Problem von Illusion, bei allem Respekt für das Erforschen des Unüblichen, ist der schmale Grat zwischen manch gut durchdachtem Dialog und solchen, die derart hölzern sind, dass man negativ überrascht mit dem Kopf schüttelt. Auch klaffen die Darstellerleistungen stark auseinander. Wolfgang Seidenberg als klerikaler Theo sticht mit passender Mimik und überzeugender Theatralik hervor, Antje Nikola Mönning und Marina Anna Eich überzeugen in ihren Rollen als sexuell unverstandene Frauen und vor der Körperlichkeit der Akteure kann man durchaus den Hut ziehen. Auf der anderen Seite steht ein Christoph Baumann, der mit seiner Rolle als Facebook-Fan scheinbar überhaupt keine Beziehung aufbauen kann und hölzern agiert, wie ein kleiner Junge, dem man gesagt hat, er möge doch bitte aufgeregt schauen und mit dem Handy ein paar Fotos schießen. Dazu gerät die Kritik an sozialen Online-Netzwerken wie Facebook arg plakativ und oberflächlich. Auf der positiven Seite stehen neben der Lust am Experiment vor allem die durchaus treffenden Kommentare zum Alltagsleben frustrierter Langzeitpaare sowie die optische Annäherung an unerfüllte Sehnsüchte der Protagonisten.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Illusion gefällt mit äußerst ruhigen und auch in dunklen Szenen sehr kontraststarken Sequenzen. Der auf Video gedrehte Film hat zwar diesen typisch künstlich-digitalen Look, was jedoch gut zum Experimentalcharakter des Films passt. Akustisch darf man vom 2.0 Dolby-Digital-Sound nicht viel erwarten. Er präsentiert gut verständliche Dialoge (wenn sie nicht bewusst als Stilmittel in den Hintergrund gemischt sind) und recht dynamische Musikszenen.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Illusion finden sich 43 Minuten an Interviews, ein TV-Bericht, einige deleted Scenes, Outtakes und Publikumsgespräche von den 2013er Hofer Filmtagen. Das ebenfalls enthaltene Making-of zeigt ziemlich hautnah, die Arbeit hinter den Kameras. Darsteller Thomas Kollhoff fand die Dreharbeiten bemerkenswert ruhig und meditativ.

Fazit

Illusion ist ein avantgardistisches und höchst experimentelles Werk, das für ein kleines Publikum sehr interessant ist – für eben jenes Publikum, für das Regisseur Reber schon seit fast 15 Jahren Filme dreht.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 55%
Bonusmaterial:
60%
Film:
55%

Anbieter: WTP/WVG Medien
Land/Jahr: Deutschland 2013
Regie: Roland Reber
Darsteller: Carolina Hoffmann, Antje Nikola Mönning, Wolfgang Seidenberg, Marina Anna Eich, Andreas Pegler, Christoph Baumann, Roland Reber
Tonformate: DD 2,0: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 93
Codec: AVC
FSK: 16