Blu-ray Review
OT: In the Heart of the Sea
„Der Schornstein brennt“
Ron Howard liefert uns eine andere Betrachtungsweise von Melvilles Moby Dick.
Inhalt
Nantucket, Massachusetts 1820: Seit 19 Jahren bereits sticht das Walfangschiff Essex erfolgreich in See und kehrt mit reicher Beute heim. Doch dieses Mal soll alles anders werden. Auch und vor allem deshalb, weil der unerfahrene Kapitän Pollard und der oberste Maat Chase ständig rivalisieren. Außerdem misst man in Ecuador der Warnung des Kapitäns der Santa-Maria vor einem riesigen Pottwal keine Bedeutung bei. Doch es kommt, wie es kommen muss: Der gigantische Wal rammt im Kampf mit den Walfängern das Schiff und bringt es zum Kentern. Die Crew muss auf die Rettungsboote flüchten, nachdem klar wird, dass man den Fight mit dem Giganten verloren hat. Doch selbst in den kleinen Booten werden sie von diesem weiter attackiert. Mit letzter Kraft erreichen sie eine Insel, haben aber kaum Verpflegung. Als die Nahrung ausgeht, entschließt man sich zu drastischen Maßnahmen …
Moby Dick, eine der bekanntesten und spannendsten Abenteuer-Geschichten, wurde 1851 von Autor Herman Melville zu Papier gebracht und avancierte zum Klassiker. Melvilles Roman basiert auf der autobiografischen Geschichte Der Untergang der Essex von Crew-Mitglied Owen Chase. Während Im Herzen der See impliziert, Melville hätte das gealterte Crew-Mitglied Tom Nickerson getroffen und dieses Treffen als Rahmenhandlung nutzt, traf er sich in Wahrheit nur einmal mit Chase‘ Sohn, der ihm des Vaters Buch überreichte. Auf diesem Wege kam es dann zu Moby Dick.
Das allerdings ist nicht die Story des Films. Vielmehr stützt sich Ron Howards Werk auf das Überlebensdrama, nicht auf den Kampf Mann gegen Wal. Natürlich nimmt dieser ungleiche Schlagabtausch einen gewissen Raum im Film ein und wird tricktechnisch absolut sehenswert inszeniert, doch sein Film will nicht eine weitere Adaption des Melville-Romans sein.
In teils kontrasttrüben Bildern schildert Im Herzen der See auf möglichst authentische Art und Weise die Lebensverhältnisse der damaligen Zeit. Die Hoffnungen, die man in die Seefahrt und den damit verbundenen Gewinn des Walöls setzte. Das alles fängt Howard stimmungsvoll ein und lässt durch die genutzte, teils starke Bildfilterung die damalige Zeit praktisch auferstehen. Dass es dabei nicht ganz ohne Pathos abläuft, impliziert schon die Geschichte an sich, die voller Männlichkeitsrituale und Harter-Kerl-Attitüde steckt. Wenn das aber so kurzweilig inszeniert wird, wie die erste Stunde von Im Herzen der See, dann ist das dennoch packend.
Die Szenen an Bord, der Kampf mit den Elementen und den Walen, der Konflikt zwischen Chase und Pollard – das alles lässt den Film sehr unterhaltsam werden. Auch (oder vielleicht gerade) weil die tricktechnische Umsetzung der Walfang-Szenen wirklich gelungen ist und den großen Pottwal lebensecht ins Heimkino dringen lässt. Auf diese Weise gerät Howards Film zum echten Atmosphäre-Hit, der sowohl das schmuddelige Dasein eines Walfängers darstellt sowie auch die unbedingte Passion, welche die Seefahrer aufs Meer trieb.
Und obwohl die meisten Wasserszenen in kontrollierter Umgebung in Tanks vor Greenscreen-Leinwänden gefilmt wurden, nimmt man den Akteuren diese Leidenschaft für die Rollen ab. Physisch jedenfalls verlangte man von einigen der später Überlebenden eine Menge -nämlich Gewicht.
So verlor Hemsworth für die vom Hunger bestimmten Sequenzen gut 15 Kilo – und das während der Dreharbeiten bei einer Diät von 500 Kalorien/Tag. Wer den Darsteller als Thor-Muskelpaket kennt, wird hier zum Ende hin durchaus erschrocken sein.
Leider funktioniert dann die Geschichte trotz der physisch beeindruckenden Leistung der Akteure nicht mehr so richtig. War schon die Charakterisierung und der Konflikt zwischen Pollard und Chase während der ersten Stunde nicht allzu gut ausgearbeitet, zieht sich das Geschehen zum Ende hin doch merklich. Mit dem Wegfall des Wals scheint dem Film auch der rote Faden etwas verloren zu gehen. Dabei ist es durchaus ein Verdienst von Im Herzen der See, dass er die eingestreuten Szenen zwischen Melville und Nickerson kurz hält, sodass diese den Fluss kaum unterbrechen.
Apropos „Brechen“: Schwächere Mägen werden mit der Wackelkamera und dem nie ruhig stehenden Bild während der Actionszenen auf dem Meer nur wenig Freude mit dem Film haben.
Bild- und Tonqualität BD
Im Herzen der See liegt im 1,78:1-Format vor, das vom Kameramann und Regisseur Howard bewusst gewählt wurde, damit man mehr Bildinhalt innerhalb eines Frames zeigen, zeitgleich das chaotische Geschehen auf der See und den Himmel darstellen konnte. Außerdem sah man im 1,78:1-Format auch eine gewisse Nähe zu einer Dokumentation, was den Look authentischer gestaltete.
Vom reinen Eindruck her muss man sich auf ein ganz deutlich stilisiertes Bild einstellen. Zu Beginn liegt ein sichtbarer Grünfilter über dem Bild, der sogar Schwarztöne im Licht grünlich erscheinen lässt. Hauttöne haben nur selten eine natürliche Färbung und Konturen wirken oftmals weich. Dazu ist ein Film, der viele Unterwasser-Szenen hat, leider prädestiniert anfällig für Banding-Artefakte, die schon während der ersten Spielminute zu sehen sind und auch später noch mal wiederkehren (26’10). Während der helleren Szenen überstrahlen Kontraste oftmals, demgegenüber gibt’s in dunkleren Bereichen (aufgrund des Filmens bei verfügbarem Licht) schon mal Probleme in der Durchzeichnung. Aber auch wenn Gesichter im Schattenbereich liegen, sorgen relativ harte Kontraste für harsche Hell-/Dunkel-Übergänge und Haut ist oft so überdramatisch dargestellt, dass man starken Sonnenbrand vermutet. Die Schärfe im Zentrum ist meist gut, aber nie herausragend – zumal sich während der Szenen auf Ecuador und auch später (86’50 im Himmel) ein sehr deutliches, teils drastisches Korn hinzugesellt. Alles in allem ein eher durchschnittliches Bild.
Beim Ton von Im Herzen der See gebührt Anbieter Warner echtes Lob. Sowohl fürs Deutsche als auch für die englische Spur entschloss man sich, schon der Blu-ray eine Atmos-Spur zu spendieren. Die hiesigen Zuschauer dürfen noch glücklicher sein, denn die Synchro liegt mit unkomprimiertem True-HD-Kern vor, während die Originalfassung „nur“ Dolby-Digital-Plus liefert (hier mit 1.2Mbps).
In der Praxis überzeugt schon die reguläre Ebene mit einer Räumlichkeit, die ihresgleichen sucht. Regen, Wind, flatternde Segel, knarzende Bohlen, umherfliegendes Geschirr, quietschende Taue, peitschende Gischt – was hier an Soundeffekten auf den Betrachter losgelassen wird, ist schlicht fantastisch. Mit einer ungeheuren Vehemenz geht der Sub zu Werke und während des Sturms bekommt man das Gefühl, dass sich das Heimkino selbst mit Meereswasser füllt. Ähnlich sensationell gerät dann der Angriff des Wals oder auch das Abräumen des Schiffs durch den Anker nach gut 58 Minuten – eine wirklich fantastische Tonspur.
Die englische Fassung steht hier trotz etwas geringerer Datenrate kaum nach, verliert vielleicht das letzte Quäntchen an Feinzeichnung.
Hört man sich das Geschehen unter dem Atmos-Aspekt an und fokussiert seine Ohren mal nach oben, gibt’s erstmals Geräusche von dort zu vermelden, während der anfänglichen Kamerafahrt durch das Meer. Hier gurgelt es entfernt und man hört leise Walgeräusche, bis der Gigant dann über den Zuschauer hinweg wuscht. Im Hafen lachen dann die Möwen über den Köpfen, was eine wunderbar immersive Stimmung von Wasser und Booten hervorruft. Seevögel tauchen dann übrigens immer wieder mal auf und sorgen für Atmosphäre. Wechselt die Szenerie dann aufs Schiff, wird es immer wieder lebhaft auf den Heights – und das stets auch visuell korrekt umgesetzt. Man hört den Wind, wie er sich in den hohen Segeln fängt. Man nimmt wahr, wie die Taue sich oben quietschend verwinden und wenn die Matrosen in den Aufstiegen unterwegs sind, fühlt man sich akustisch wirklich mittendrin. Wahnsinn, wie viel hier beständig los ist. Da schwenkt der Baum knarzend über Chase hinweg und die Segel flattern lautstark im Wind. Selbst wenn die Kamera dann unter Deck wechselt, bleibt es nicht ruhig. Denn während unten Nahrung zu sich genommen wird, hört man die hängenden Töpfe klappern und das Geschehen auf Deck (ab 23’00). So, genau so muss ein toller Atmos-Track klingen, der zeitgleich quantitativ UND qualitativ überzeugt.
Weiter geht’s mit korrekt dort abgelegten Stimmen, wenn Chase an Deck Kommandos gibt, die Kamera sich aber unter Deck befindet.
Wird es dann aber der 30. Minute stürmisch, gibt’s erst Recht kein Halten mehr. Jetzt gesellt sich auch der Score hinzu. Dazu peitscht der Wind, unter Deck fällt alles durcheinander und eins der Rettungsboote fliegt lautstark von oben auf die Kamera zu.
Streiten darf man sicherlich darüber, ob die im Wasser über der Kamera vorbeizischende Walfluke derart laut umgesetzt werden musste. Aber für den Effekt wirkt es natürlich beeindruckend (38’36). Ein bisschen eklig wird’s beim Summen der Fliegen, die um die Fischabfälle herum schwirren und die hörbar von oben dazugemischt wurden (47’06).
Bild- und Tonqualität UHD
Kameramann Anthony Dod Mantle hatte zwar die Wahl, ob er analog oder digital filmte, entschied sich für seine Arbeit an Im Herzen der See dann aber doch für die digitale Herangehensweise, um in den zahlreichen unterschiedlichen und sehr speziell-herausfordernden Situationen variabel arbeiten zu können. Verwendet wurde hauptsächlich eine Arri-Alexa-XT-Kamera. In den Szenen, in denen es räumlich wesentlich enger zuging, kamen zudem diverse Canon-EOS-Kameras zum Einsatz.
Am Ausgang lagen maximal 2.8K an, was für das Digital Intermediate aber zunächst noch auf 2K runtergerechnet wurde, um für die UHD wieder auf 4K hochskaliert zu werden.
In der Praxis wird bei direktem Vergleich sofort eins klar: Die UHD neutralisiert die extrem starke Überstilisierung der Blu-ray ein Stück weit. Das Grün zu Beginn ist längst nicht mehr so heftig und vor allem die heftig sonnenverbrannten Gesichter erscheinen wesentlich natürlicher. Zwar sind auch die leichten Banding-Effekte zu Beginn trotz höherer Farbtiefe nicht eliminiert, doch dafür ist das Korn während der Szenen in Ecuador überraschenderweise trotz der höheren Auflösung wesentlich weniger stark auffällig – sieht man von den stark farbgefilterten Szenen vor dem letzten Viertel ab (Himmel 87’00). Man kann also zusammenfassend sagen, dass die UHD viele Extreme der BD wieder sichtbar entschärft und deshalb das harmonischere Bild ist – es sei denn, man fährt auf die extrem starken Stilmittel ab.
Kleines Detail am Rande: Die UHD zeigt trotz identischen Bildformates von 1,78:1 weniger Bildinhalt und wirkt etwas, als hätte man ganz dezent ins Bild gezoomt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Im Herzen der See befinden sich neben vier erweiterten und 16 entfernten Szenen insgesamt sechs Featurettes. „Das Logbuch des Kapitäns“ ist zehnteilig und lässt Ron Howard über seine Tweets berichten, die er während der Produktion zu den jeweiligen Stadien des Films gepostet hat. Er führt aus, was er über die 160 Kurznachrichten-Zeichen andeutete – vom Casting bis zu den Locations. In „Chase und Pollard“ werden die beiden gegensätzlichen Charaktere noch etwas deutlicher beschrieben. „Das harte Leben der Walfänger“ beschreibt die Abenteuerlust der Walfänger und schildert die filmische Umsetzung der Auf-See-Szenen. In „Melvilles unerzählte Geschichte“ kommt man dann auf dessen Roman „Moby Dick“ zu sprechen. „Eine beeindruckende Seereise“ kümmert sich dann um die komplexe Arbeit von Inszenierung, Schauspiel und CGI. Gut 30 Minuten dauert dann „Die wahre Geschichte hinter Moby Dick“, die nicht wirklich etwas mit dem Film an sich zu tun hat, sondern eine Dokumentation über die Walfänger von Nantucket sowie über Unterwasser-Wissenschaftler ist, die Wracks der alten Schiffe aufspüren.
Fazit
Im Herzen der See liefert beeindruckendes Abenteuerkino – etwa 70 Minuten lang. Danach verliert sich der Film etwas, punktet aber mit intensiven Darsteller-Leistungen.
Die UHD ist vom objektiven Standpunkt aus gesehen qualitativ wesentlich besser als die BD. Farben gelingen harmonischer und neutraler, die massive Kontrast-Überhöhung wurde reduziert und das Korn gleichzeitig abgeschwächt.
Der Atmos-Soundtrack von BD und UHD ist dazu über praktisch jeden Zweifel erhaben – akustisch nahe an einer Referenz.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 65%
Bildqualität UHD: 75%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (dt. Fassung): 95%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (dt. Fassung): 90%
Tonqualität BD 2D-Soundebene (Originalversion): 90%
Tonqualität UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 95%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 80%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 70%
Film: 70%
Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Ron Howard
Darsteller: Chris Hemsworth, Benjamin Walker, Cillian Murphy, Brendan Gleeson, Ben Whishaw , Michelle Fairley, Tom Holland
Tonformate BD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): de // Dolby Atmos (Dolby-Digital-Plus-Kern): en
Tonformate UHD: Dolby Atmos (True-HD-Kern): de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 122
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10
FSK: 12
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Warner Home Video)