Blu-ray Review
OT: Brad’s Status
Statusangst
Ben Stiller als Mann in der Midlife-Crisis und voller Selbstzweifel.
Inhalt
Brad hat eigentlich alles, was man sich wünschen kann. Einen guten Job, einen wissbegierigen und intelligenten Sohn sowie eine tolle (vielleicht manchmal zu schnell zufriedene) Ehefrau. Und doch liegt er oft wach und denkt nach. Auch darüber, ob er in seinem Leben das erreicht hat, was er sich eigentlich versprochen hatte. Er vergleicht sich mit seinen ehemaligen College-Kollegen, die berühmte Regisseure, erfolgreiche Hedge-Fonds-Manager oder Multimillionäre geworden sind, weil sie schon mit 40 ihre Technologie-Unternehmen gewinnbringend verkaufen konnten. Brad weiß, dass es absurd ist, sich zu vergleichen. Doch je älter er wird, desto stärker wird das Gefühl, total versagt zu haben. Die Silver-Flyer-Karte am Flughafen verdeutlicht das noch mal. Denn Silber ist halt nicht Gold oder Platin – und deshalb reist man eben Economy. Reisen tut man übrigens deshalb, weil Brad seinen Filius auf College-Tour begleitet. Während der Sohn also drauf und dran ist, in Harvard angenommen zu werden, könnte Brads Sinn des Lebens doch tatsächlich darin bestehen, diesen Sprößling aufgezogen zu haben. Doch dann führt das Schicksal dazu, dass Brad ausgerechnet Hilfe von Craig anfordern muss, einem der heute so erfolgreichen Ex-College-Kollegen …
Mit zunehmendem Alter schafft es Ben Stiller immer besser, neben seinen albernen Rollen in noch alberneren Komödien auch solche Figuren zu spielen, die die leisen Zwischentöne treffen. Als Walter in Das erstaunliche Leben des Walter Mitty gelang ihm dies dermaßen gut, dass der Film zu den besten des beliebten Akteurs gehört. Nun darf er sich in der satirisch angehauchten Komödie des Autoren/Regisseurs Mike White erneut in der Grauzone zwischen Witz und Tiefgründigkeit bewegen.
Zu einer (manchmal etwas anstrengenden) Geigen-Improvisation des Filmscores nutzt Im Zweifel glücklich ausgiebig Gebrauch vom Ich-Erzähler. so begleitet den Zuschauer durchweg die angenehme Synchronstimme von Oliver Rohrbeck (der Justus Jonas von den ???). Das ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil Rohrbeck perfekt in der Lage ist, sowohl die überdrehten Stiller-Filme einzusprechen als auch die sanfte Seite des Schauspielers zu zeigen.
Und sanft ist Stiller hier. Erstaunlich sanft. Selten nahm er sich in einem Film derart zurück – und das, obwohl sich Im Zweifel glücklich praktisch ausschließlich um seine Figur dreht.
Mike White nimmt sich mit seiner Regie ebenfalls zurück und beobachtet seine Darsteller. Er bleibt nahe bei ihnen, greift aber nicht ein. Oft hat man das Gefühl, dass er die Zügel bewusst locker hielt und seinen Schauspielern viel Raum zur Improvisation ließ.
Stiller lässt er vor allem viel Raum, sich in gewisse Gedankenspiralen zu vertiefen, die wir alle kennen. Alle, die wir schon mal unter Selbstzweifeln litten und die wir Dinge annahmen, die ganz bestimmt so sein müssten und es dann nach eingehender Überprüfung doch nicht waren.
So nimmt Brad nicht nur an, dass seine ehemaligen Mitstudenten aufgrund ihres Erfolgs allesamt arrogant geworden sind, sondern steigert sich auch in unterschiedliche Szenarien seinen Filius betreffend. Das geht soweit, dass er fürchtet, sein dereinst erfolgreicher Sohn könnte irgendwann von oben auf ihn herabschauen.
Das ist manchmal bitter, manchmal sarkastisch, manchmal melancholisch, aber vor allem eins: Ehrlich. Denn Im Zweifel glücklich geht dorthin, wo’s weh tut. Wo die eigenen Selbstzweifel verborgen sind, die man nur zu ungerne auch nur irgendjemandem mitteilt.
Auf diese Weise hat Whites Film sogar einen kathartischen Effekt. Denn selbst wenn man am Ende nicht den gleichen Weg gehen möchte wie Brad, so gibt es doch zumindest diese Momente in denen man sich selbst sagen kann: So weit will man es nicht kommen lassen. Man fühlt sich erinnert an Watzlawicks „Geschichte mit dem Hammer“. Jene Geschichte, in der die Figur aufgrund einer negativen Gedankenspirale dann hinüber geht und dem verdutzten Nachbar eröffnet, er „sollte seinen Hammer behalten“.
Brad wird in einer Schlüsselszene vor Augen geführt wie dämlich er sich verhält, als er von einer jungen und idealistischen Politikwissenschaftlerin die Leviten gelesen bekommt – eine ebenso bewegende wie vielschichtige und für US-Kino erstaunlich authentische Szene.
Bild- und Tonqualität
Obwohl Im Zweifel glücklich digital gefilmt wurde, hat man ihm ein leichtes Korn verpasst, um einen etwas filmischeren Look zu erzeugen. Zum Thema passt das ganz gut und es nimmt auch nie Überhand. Die Farbgestaltung ist grundsätzlich sehr warm mit einer leichten Tendenz zum Überstrahlen auf hellen Hautpartien. Die Schärfe ist in Close-ups sehr gut – es sei denn, eine der Figuren rutscht aus dem Fokus. Das unübliche Bildformat von 2.00:1 hält ein paar mehr Informationen am oberen und unteren Bildrand bereit, wenn man es mit einem 2,35:1 Bild vergleicht. Dennoch wirken solche „Zwischenformate“ immer ein wenig befremdlich.
Beim Ton bleibt Im Zweifel glücklich fast komplett auf die Front bezogen. Der dialogzentrierte Film öffnet sich nur selten – und dann auch nur auf die Stereo-Lautsprecher. Der Subwoofer bleibt selbst bei den etwas brummigeren Musikszenen praktisch vollständig ohne Arbeit und auch die Rears bekommen nur äußerst selten Signale. Da der Score ebenso dezent ist wie der Film und nur wenig atmosphärische Geräusche auftauchen, darf man hier also kein Spektakel erwarten.
Das, was er gut können muss, kann er aber gut: Die Dialoge präzise, sauber und gut verständlich wiedergeben.
Bonusmaterial
Vier Featurettes finden sich im Bonusmaterial von Im Zweifel glücklich. Das erste der Vier kümmert sich um das Drehbuch und lässt Autor/Regisseur Mike White zu Wort kommen. „Ben Stiller als Brad“ schildert etwas näher, warum White gerade Ben als Hauptdarsteller haben wollte. „Der Drang sich zu vergleichen“ ist noch mal eine kurze Analyse des Hauptthemas des Films. „Über Regisseur Mike White“ lässt den Regisseur gleich über sich selbst sprechen. Keins der Featurettes läuft länger als zweieinhalb Minuten.
Fazit
im Zweifel glücklich ist ein ebenso entlarvender wie ehrlicher und herausragend gespielter Film, der sicherlich nicht fürs Ben-Stiller-Mainstream-Publikum gedacht ist, aber gerade jenen gefallen wird, die auch Das erstaunliche Leben des Walter Mitty mochten. Viel ehrlicher jedenfalls kann Hollywood nicht sein – wenn das auch bedeutet, dass es für den Zuschauer schon mal an die Schmerzgrenze der eigenen Selbstzweifel geht.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%
Anbieter: Weltkino Filmverleih
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Mike White
Darsteller: Ben Stiller, Austin Abrams, Jenna Fischer, Michael Sheen, Jemaine Clement, Luke Wilson, Shazi Raja
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 6