Immigration Game – Neue Regeln. Keine Chance.

Blu-ray Review

Immigration Game. Neue Regeln. Keine Chance. Blu-ray Review Cover
Universum Film, 09.03.2018

OT: –

 


Tödliches Bleiberecht

Eine zynische Battle-Royale-Variante des „Wir schaffen das!“

Inhalt

Joe hat einen anstrengenden Tag im Büro hinter sich und wollte sich eigentlich mit seinem (gerade nicht ganz so geliebten) Bruder im Gym treffen, um bei etwas Martial-Arts Dampf abzulassen. Dass sein Brüderchen dann aber mit dumpfen Anti-Flüchtlings-Parolen auf Ein-Mann-Pegida macht, lässt Joe nicht nur die Nase rümpfen. Tatsächlich scheint es, dass sich der Frustrierte nur deshalb im Kampfsport übt, um beim „Immigration Game“ als „Hunter“ mitzumachen. Ersteres ist derzeit die einzige Möglichkeit für Flüchtlinge eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Die Migranten werden in einer zynischen und tödlichen TV- und Internet-Show sprichtwörtlich verheizt, wenn sie sich vom Berliner Stadtrand aus bis zum Fernsehturm durchschlagen müssen, während sie tatsächlich zum Abschuss freigegeben sind. Die „Hunter“ dürfen sie auf dem gefährlichen Weg töten, ohne mit Bestrafung rechnen zu müssen. Joe ist über das Verhalten seines Bruders entrüstet. Und als er auf dem Heimweg einem Flüchtling hilft, der gerade von einer Gang mit Todesabsicht verprügelt wird, schreitet er ein und tötet seinerseits einen der Angreifer. Dumm, dass es eine „Notwehr“ nicht gibt, wenn es um Flüchtlinge des Immigration Games geht und Joe nun 20 Jahre Haft für Mord drohen – es sei denn, er selbst macht bei dem tödlichen Spiel mit und kämpft sich den Weg zum Fernsehturm frei …

Da die Damen und Herren einer bestimmten, jüngst sehr erfolgreich gewordenen Partei, ja gerne mal aus dem Zusammenhang gerissene Dinge über soziale Netzwerke in die Welt hinausposaunen und dabei bewusst mit der Provokation spielen (stehen verdrehte Fakten einmal im Netz, gibt’s ja eh kein Zurück mehr), könnten sie Immigration Game nach Sichtung der ersten Minuten glatt als Spielfilm zum Wahlprogramm der Zukunft deklarieren. Dabei geht es Regisseur Krystof Zlatnik (Lys) in seinem Mix aus Running Man und The Purge natürlich darum, der gegenüber Flüchtlingen in Europa feindlich gewordenen Stimmung den Spiegel vorzuhalten und dabei eine Situation dramatisch zu zu spitzen, die nicht von Ungefähr an die „Schießbefehl“-Diskussion aus dem Januar 2016 erinnert. Als Regisseur, Autor und Cutter fungierte der Stuttgarter Zlatnik dabei und behielt so die volle Kontrolle über sein Werk. Das allerdings liegt auch daran, dass der 1980 geborene Zlatnik sein Langfilmdebüt sichtbar mit niedrigem Budget realisieren und sich auf das beschränken musste, was er vorfand. So sind die Kulissen oft Nebenstraßen und Innenhöfe – Drehorte, für die man keine aufwändigen Genehmigungen braucht. Aus diesem begrenzten Szenario holt der Jungregisseur allerdings ein Maximum an Atmosphäre raus. Selbst die Kamfpszenen sind ansprechend choreografiert und das Tempo darf man durchaus als rasant bezeichnen. Zur Erzeugung von Dynamik wird zwar oft das Mittel der wackeligen Handkamera genutzt, allerdings verfehlt das hier sein Wirkung nicht (mal abgesehen vom nervigen Rein- und Raus-Gezoome in einigen Szenen, die gar nicht dynamisch sein müssten). Auch die gezeigten Gewaltmomente und die Kampfsequenzen selbst hinterlassen Wirkung. Hier hat man sich sowohl seitens der Kameraführung als auch in Sachen Choreografie wirklich Mühe gegeben. Sogar die hysterisch agierenden Killer zu Beginn überzeugen – wenngleich nicht jeder einzelne Darsteller professionell agiert.

Inhaltlich legt Immigration Game jeden nur erdenklichen Hebel um, damit man als Zuschauer den geifernden Rassisten und Killern möglichst hasserfüllt den Tod wünscht, was selbstredend dazu führt, dass man sich selbst irgendwann die unangenehme Frage stellen muss, an welchem Punkt die Moral aufhört und blinde Rachegedanken übernehmen. Wann verhält man sich nicht anders als die tumben Flüchtlingskiller? Durch was rechtfertigt sich Gewalt, wenn sie vermeintlich von der „guten“ Seite aus geschieht?
Einen Anhänger jedweder Pegida-Bewegung oder gar rechtsradikaler Parteien wird das nicht erreichen. Vermutlich setzt hier eher die dumpfe Abwehrhaltung ein, das Werk als linksradikalen Propaganda-Müll zu bezeichnen. Ob man diese Hetzgruppe aber überhaupt mit irgendwas erreicht, ist eh fraglich.
Was Immigration Game am Ende vermissen lässt, ist der Blick auf die Gesellschaft: Die Gewalt geht von Gruppen aus, die wahlweise im Gangst-Rappa- oder Anarchie-Style (beides wirkt arg klischeehaft) durch die Straßen ziehen und die Medien bedienen sich dessen scheinbar unreflektiert.
Die gesellschaftliche Mitte (eben jener 12,6-prozentiger Anteil der Wahlberechtigten vom September 2017) spielt dann auch keine Rolle – und ebenso wenig eine Solidargemeinschaft. Regte sich in einer solchen (zugegebenermaßen konstruierten) Situation kein Widerstand beim Gros der Bevölkerung – wir hätten es mit Zuständen zu tun, die kein normales Leben mehr ermöglichen würden. Der Film geht davon aus, dass die Medien offenbar stark genug waren, die Bürger komplett auf ein Level zu bringen – wobei sie aufgrund des geringen Filmbudgets nicht mal zu sehen sind. Die angebliche TV-Show scheint jedenfalls niemand wirklich zu konsumieren. Die gesellschaftliche Spaltung, die wir aber faktisch seit drei Jahren erfahren, bleibt unangesprochen.
Und was sich Zlatnik mit dem Ende gedacht hat, das bleibt wohl sein Autoren-Geheimnis.

Bild- und Tonqualität

Die genutzten Digitalkameras von Immigration Game haben sichtlich mit den dunklen Szenen zu kämpfen, in denen entweder bewusst Korn hinzugefügt wurde oder aber schlicht nicht mehr drin war. Die Schärfe lässt zudem zu Wünschen übrig und aufgrund der hektisch-schnellen Handkamera kann man von Bildruhe nicht wirklich sprechen. Oft setzt es dabei Nachwisch-Effekte Dazu sumpfen dunkle Bildanteile auf Gesichtern und in Schattenbereichen ab und der genutzte Gelb-Braun-Filter macht das Bild zwar atmosphärischer, aber nicht schöner.
Da Immigration Game in weiten Teilen englische Dialoge nutzt, wurden diese in Originalsprache eingesprochen und nachträglich synchronisiert. Das gelang allerdings maximal semigut, denn sowohl die Verständlichkeit als auch die Lippen-Synchronität lassen zu Wünschen übrig. Außerdem ist die Synchro von Karen nicht wirklich gelungen. Der elektronische Score pumpt bisweilen hämmernde Beats ins Heimkino und auch die schlagartigen Soundeffekte kommen prägnant (vielleicht sogar ein bisschen zu laut) rüber.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Immigration Game findet sich neben dem Trailer noch ein Featurette über die Fight-Choreografie – sowohl während der Trockenübungen im Studio als auch vor Ort bei den Shootings selbst. Außerdem gibt’s noch einen Audiokommentar, den der Regisseur mit einigen seiner Schauspieler einsprach.

Fazit

Immigration Game ist ein ebenso harter wie zynischer Kommentar auf eine Zeit, in der Europa (und Deutschland) einen spürbaren Rechtsruck erlebt und deutsche Politiker gerne den Schießbefehl geben würden. Die Ansätze sind in der Tat gut und die fieberhafte Umsetzung spricht für das Talent des Regisseurs. Schade, dass nicht alle inhaltlich notwendigen Dinge beleuchtet werden.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 60%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Krystof Zlatnik
Darsteller: Mathis Landwehr, Denise Ankel, Katharina Sporrer, Simson Bubbel, Eskindir Tesfay, Horst-Günter Marx, Robert Maaser
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 94
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Immigration Game

Immigration Game (Trailer) // GENRENALE5

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