Blu-ray Review
OT: In Darkness
Flüssiges Gold
Wenn eine Blinde zur Ohrenzeugin wird.
Inhalt
Sofia gehört zu den talentiertesten Pianistinen ihrer Generation. Vermutlich auch deshalb, weil sie seit ihrem fünften Lebensjahr ohne Augenlicht auskommen muss und sich deshalb auf voll und ganz auf ihr Gehör konzentrieren kann. Diese hohe akustische Sensibilität ist manchmal Segen, manchmal Fluch. So hört sie beispielsweise immer wieder, wie ihre Nachbarin Veronique sich am Telefon mit ihrem Freund streitet. Und dann passiert das Unfassbare: Veronique stürzt aus dem Fenster ihrer Wohnung in den Tod. Dass sie keinen Selbstmord begangen hat, scheint früh klar. Denn noch kurz vor dem Ableben verfolgte sie ein komischer Kerl im Hausflur. Da Sofia bei Veroniques Trauerfeier ein paar Stücke am Klavier spielt, kommt sie mit ihrem Vater Zoran, einem zwielichtigen serbischen Ganoven ins Gespräch. Steckt er vielleicht hinter dem Mord an der eigenen Tochter …?
Natalie Dormer kennen die meisten sicher aus Game of Thrones oder auch als Anna Boleyn aus Die Tudors. Nun sehen wir sie in einer überraschend erwachsenen Rolle. Und dann auch noch in einer, die sie sich mit Regisseur Anthony Byrne als Co-Autorin gleich selbst auf den Leib geschrieben hat. Ob das der Grund dafür ist, dass sie als Blinde ihre bisher überzeugendste und erwachsenste Rolle abliefert? Überzeugend vermittelt sie die komplett andere Welt, in der ein Mensch ohne Sehvermögen lebt. Egal, ob sie sich dabei wie auf einer unsichtbaren Linie gezogen auf den als sicher gelernten Wegen in ihrer Wohnung bewegt oder in ihren Blicken unmissverständlich deutlich wird, dass sie blind ist. Inszenatorisch beginnt In Darkness fast im Stile eines Giallo, wenn man auf einer Leinwand Szenen eines Erdrosselungs-Delikts sieht, zu denen Sofia mit ihren Kollegen den Score einspielt. Intensive Szenen, im Übrigen. Denn gerade Erdrosselungen werden meist eher geschönt dargestellt. Hier ist das anders – inklusive eines Knackens als das Zungenbein bricht. Ein weiteres Mal nimmt Regisseur Byrne die Optik des Giallo auf, wenn Sofia von finsteren Gestalten in einer dunklen Gasse drangsaliert wird und Marc ihr zur Hilfe kommt. Auf der anderen Seite nimmt In Darkness oftmals Züge eines hitchcock’schen Suspens-Thrillers an, wenn Sofia in scheinbar unbemerkter Gefahr ist und der Zuschauer ihr gerne zur Hilfe eilen würde. Weitere Stilelemente wie ein klassischer MacGuffin (USB-Stick) und nette visuelle Spielereien wie eine Szene mit einem Gegenschnitt zwischen der duschenden Sofia und der toten Veronique, die ihre letzte Salbung erhält, tragen zur Abwechslung bei. Auch die überraschend rohe und extrem unmittelbar gefilmte Szene der Befreiung aus dem Transporter
Dazu sensibilisiert der Film den Zuschauer von Beginn an für die Welt, in der Sofia lebt. Sämtliche Außen- und Umgebungsgeräusche – seien es Passanten, die Durchsagen der U-Bahn oder auch deren Türen – werden bewusst angehoben und in ihrer Lautstärke intensiviert. Man soll sich von Beginn an in die Protagonistin hineinversetzen, mit ihren Ohren hören, was man als Sehender eher beiläufig wahrnimmt. In Darkness ist aber nicht einfach ein düsterer und gut gespielter Thriller, sondern auch ein wendungsreicher. Was sich mit ein paar geheimnisvollen in Blindenschrift geprägten Karten andeutet, die Sofia stets frühzeitig entsorgt, offenbart sich nach etwas über 50 Minuten. Doch selbst dann ist noch nicht ganz klar, welche unterschiedlichen Parteien im Spiel sind und was ihre Motivationen sind. Schade, dass der sorgsame Aufbau der Figuren sowie die stets amtosphärischen Bilder in der letzten halben Stunde dann an Drive verlieren. Denn wenn dann doch klar ist, was Sofia eigentlich bezwecken will, geht’s arg konventionell zu. Daran ändert auch der etwas bemüht wirkende Twist nach 75 Minuten nicht wirklich etwas. Auch wenn es Dormer und dem fies aufspielenden Jan Bijvoet (der Borgman aus dem großartigen gleichnamigen Film) die Möglichkeit für eine sehr intensive und persönliche Szene gibt, in der beide ganz groß aufspielen.
Bild- und Tonqualität
Abgesehen von ein paar wenigen Unruhen auf uniformen Oberflächen und in kürzeren Bewegungen ist das Bild von In Darkness ruhig und blitzsauber. Für einen britischen Film ist es überdies äußerst kontraststark und dynamisch. Selbst in dunklen und mit schwierigen Farben belegten Szenen bleibt die Farbtiefe und -auflösung vorzüglich. Intensiv rot-orange beleuchtete Gesichter verlieren nicht an Zeichnung oder Schärfe (Kapitel 7). Ohnehin ist die Schärfe in Close-ups vorzüglich geraten.
Beim Ton erzeugt In Darkness durch die mitunter ziemlich düsteren Kompositionen eine unbehagliche Atmosphäre, die von spürbarem Subwoofer-Einsatz unterstützt wird. Die herausgearbeiteten Geräusche, die den Zuschauer in Sofias Welt versetzen, gelangen bewusst lauter ans Ohr, was perfekt eingearbeitet wurde. Auch das Klacken des Metronoms wird prägnant ins Heimkino transportiert. Darüber hinaus gibt es im späteren Verlauf nur noch wenige echte Surroundeffekte – bis zur 88. Minute, in der satte Geschosse in der Wohnung abgefeuert werden. Die Dialoge übrigens bleiben jederzeit gut verständlich und prägnant.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von In Darkness finden sich insgesamt acht Interviews mit den Darstellern, dem Regisseur und zwei der Produzenten. Die fallen überraschend ergiebig und gehaltvoll aus. Das kennt man sonst auch schon mal oberflächlicher und vor allem selbstbeweihräuchernder. Dazu gibt’s noch die Originaltrailer und ein paar Programmtipps.
Fazit
In Darkness ist eine Stunde lang ein in vielerlei Hinsicht sehr guter Thriller. Danach lässt er etwas nach, was die tollen Leistungen von Dormer und Bijvoet allerdings ganz gut überspielen. Für Genrefans durchaus lohnenswert.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 60%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Großbritannien/USA 2018
Regie: Anthony Byrne
Darsteller: Natalie Dormer, Ed Skrein, Emily Ratajkowski, Joely Richardson, James Cosmo, Neil Maskell, Jan Bijvoet
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universum Film)