Ingenium – Die Vergangenheit wird zum Albtraum

Blu-ray Review

AL!VE, 20.10.2020

OT: Ingenium

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Eine alte Freundschaft

Independent-SciFi-Mystery-Kino aus Deutschland.

Inhalt

Na das fängt ja gut an. Felicitas ist soeben in Thailand angekommen, um ein paar Tage das Land zu erkunden, da steht sie abends unter der Dusche und es kommt kein Wasser aus dem Hahn. Dem Besitzer des Hotels kann sie mit Englisch nicht kommen, so dass sie vermutlich heute noch da stehen würde, um Ihr Problem zu schildern – wenn nicht eine junge Thailänderin das Schauspiel beobachtet hätte und ihr als Dolmetscherin zur Seite spränge. Gai, die ein paar Brocken Deutsch kann, erfährt nicht nur, dass die Dusche nur zwischen acht Uhr morgens und acht Uhr abends funktioniert, sondern bietet Felicitas auch an, mit ihr Bangkok zu erkunden. Doch der Trip, der so fröhlich beginnt, endet in einer Katastrophe, an deren Ende Gai erschossen in einer Seitengasse liegt. Zu Hause angekommen wird Felicitas erneut von schrecklichen Alpträumen geplagt. Diese verfolgen Sie bereits seit ihrer Kindheit, nachdem sie ihre Eltern bei einem schweren Verkehrsunfall verloren hatte. Zwar hatte ihr Therapeut verkündet, dass sie auf dem Weg der Besserung sei, doch das traumatische Ereignis in Thailand löst erneute Alpträume aus. Ihr Freund ist zwar für sie da, doch wirklich helfen kann er ihr auch nicht. Als sie ihr Handy durchforstet, um ihm das gemeinsame Bild mit Gai zu zeigen, findet sie ein Video, das die Thailänderin ihr offensichtlich ohne ihr Wissen aufs Handy gespielt hatte. Dort sagt Gai vor ihrem Tod, dass Felicitas in großer Gefahr schwebt und dass sie den Ursprung eines bestimmten Fotos ausfindig machen soll. Auf diesem ist Felicitas mit ihrer alten Schulfreundin Natascha zu sehen. Natascha war ebenfalls ein Waisenkind, das allerdings die Geschehnisse aus der Kindheit nicht so gut verarbeitet hat und in einer Nervenheilanstalt landete. Während Felicitas Nachforschungen anstellt, verhalten sich Menschen um sie herum immer merkwürdiger. Spielen ihr die Erinnerungen einfach einen Streich oder steckt eine große Verschwörung dahinter ..?

In·ge·ni·um – [Ingénium] bezeichnet eine Begabung oder einen Mensch mit einer besonderen schöpferischen Fähigkeit.
Manchmal muss man einfach alles selber machen. Das gilt für Dinge des Alltags genauso wie für ambitionierte Filmprojekte, die es (gerade in Deutschland) schwer haben, eine Finanzierung zu bekommen. Hierzulande trifft das nicht selten den Genrefilm, der einfach keine gute Lobby hat und im Kino meist untergeht. Und weil das so ist, hat sich Regisseur Steffen Hacker für sein Regiedebüt schlicht auf sich selbst (und einen sehr engen Kreis von Vertrauten) verlassen. Hacker ist eigentlich Werberegisseur und VFX-Supervisor. Doch der Wunsch, einen echten Spielfilm zu drehen, keimte schon lange ihn ihm. Das Skript zu Ingenium war zunächst als Kurzfilmprojekt gedacht, doch nach und nach wuchs mehr daraus. Die ersten Szenen drehte Hacker mit seiner Hauptdarstellerin Esther Maaß bereits im November 2012 in Thailand. In der Folge wurde das Drehbuch aber praktisch einmal auf links gezogen und immer wieder „on the fly“ verändert. Teils wurden spontan und während der Dreharbeiten Änderungen vorgenommen. Und wenn man als Schauspieler über mehrere Jahre ein solches Projekt begleitet, kann man durchaus verstehen, dass man irgendwann nicht mehr weiß, wo inhaltlich hinten und vorne ist.

Man muss Ingenium zugute halten, dass er zu jeder Sekunde erkennen lässt, mit wie viel Leidenschaft alle Beteiligten am Werk waren. Und wer sich das Making-of anschaut, der weiß überdies, wie viel in der Postproduktion per CGI entstehen musste, weil man einfach über die Jahre die Übersicht über Drehbuch und bereits im Kasten befindliche Aufnahmen verloren hat. Dass ein Film, der mit so wenig Budget auskommen musste, (computer)technisch so gut aussieht, dass man viele der CGI-Aufnahmen nicht wirklich offensiv mitbekommt – dafür muss man Hacker wirklich Respekt zollen. Auch den Darstellern gebührt ein Lob. Immerhin waren einige von ihnen einige Jahre involviert und mussten (nach teils langen Pausen) wieder in ihre Rollen zurückfinden sowie das Äußere annehmen. Wer sich ein wenig Hintergrundinformationen zur Produktion beschafft, der sieht den Film vielleicht sogar mit anderen Augen. Denn inhaltlich merkt man leider, dass das Drehbuch – sagen wir mal – holprig ist. Hacker hat das Skript immer wieder gewissen äußeren Umständen unterworfen und verändert, bzw. verändern lassen. Das führt im fertigen Film zu einer Story, die irgendwo zwischen Zurück in die Zukunft und Total Recall liegt, aber viel zu verwirrend umgesetzt wurde, als dass man bis zum Ende gespannt bleibt. Im letzten Drittel zaubert der Film immer wieder neue Wendungen aus dem Hut, die konstruiert wirken. Dazu stoßen nach und nach neue Figuren hinzu, über deren Hintergründe man rein gar nichts erfährt. Die Konzentration liegt auf den beiden Hauptdarstellerinnen. Auch der Therapeut und (in Grenzen) Felicitas Freund Titus erhalten etwas Background. Die Charaktere, die aber später aufgetischt werden und die hinter all dem zu stecken scheinen, bleiben völlig blass. Was an dieser Stelle nicht zum Entwirren und Entspannen beiträgt, ist die extrem dick auftragende Filmmusik. Eher im Gegenteil trägt sie zu einem erhöhten Anstrengungsfaktor bei, der zumindest den Dreh am Volumenregler provoziert. Zu laut eingepegelt und zu plakativ wirkt der Score bisweilen. Etwas mehr Subtilität und (am Ende vor allem) weniger Pathos wären hier wünschenswert gewesen.
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9 neu von 22,95 €1 gebraucht von 14,84 €
Studio:
Format: Blu-ray
Spieldauer:
Erscheinungstermin: Fri, 30 Oct 2020
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Bild- und Tonqualität

Ingenium wurde, wie oben erwähnt, im Laufe einiger Jahre gedreht und produziert. Es gab immer wieder Nachdrehs und so kommt es, dass insgesamt elf! unterschiedliche Kameras eingesetzt wurden. Unter anderem Sonys FS700, FS100 oder deren F5. Aber auch die GH2 von Panasonic oder die Blackmagic 2.5K und 4K. Zum Schluss kam sogar mal eine Alexa Mini zum Einsatz. Das Ganze musste dann in der Postproduktion möglichst gut angeglichen werden, weshalb Steffen Hacker unglaublich viel Zeit auf die Phase der Nachbearbeitung verwendete. Grundsätzlich ist die Anpassung schon gelungen, allerdings erzeugen Aufnahmen in dunkler Umgebung durchaus sichtbares digitales Rauschen (18’57). Dafür sind Close-ups oft knackig scharf. Auch hier schwankt es allerdings etwas – möglicherweise auch aufgrund der unterschiedlichen Kameras. Softer wird’s außerdem immer dann, wenn die vor Greenscreen gedrehten Elemente im Vordergrund scharf sind, während die Umrisse weicher werden, um die in kompletter Unschärfe gehaltenen Hintergrund-CGIs nicht allzu auffällig werden zu lassen. Die Farbgebung ist recht natürlich, wenn Felicitas wieder in Deutschland ist. Die Szenen in Thailand sind insgesamt etwas wärmer gehalten.
Beim Ton wartet eine deutsche DTS-HD-Master-Spur, die erstaunlich agil klingt. Es zeigt sich, dass Steffen Hacker hier wirklich weiß, was er tat (oder wusste, was er Hannes Oberhauser, dem für die Sound-Postproduktion zuständigen Kollegen, auftragen konnte). Denn egal, ob’s Diskothekenszenen sind, in denen der Bass fett pumpt oder ein Flugzeug von hinten nach vorne ins Bild fliegt – stets schiebt der Sound erstaunlich dynamisch und druckvoll. Klasse auch, wie viel Augenmerk man auf das Sounddesign legte. Beispielsweise auf die Vertonung der Zeitsprünge. Wer genau hinhört, bekommt mit, dass das Spieluhr-/Uhrenticken-Soundelement über die Surrounds gegen den Uhrzeigersinn geht, wenn in der Erzählzeit zurückgesprungen wird. Mit dem Uhrzeigersinn läuft es dann, wenn die Erzählzeit in die Jetztzeit geht. Das ist schon klasse gemacht. Schade, dass der Score so dick aufträgt und die ansonsten ausgewogene Tonalität negativ beeinflusst.

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Bonusmaterial

Abgesehen vom xx-seitigen Booklet, das im Mediabook enthalten ist, gibt’s im Extrabereich der Blu-ray ein gut 40-minütiges Making-of, das wirklich sehr authentisch und informativ geraten ist. Es beginnt mit den Dreharbeiten in Bangkok, die nun schon fast neun Jahre zurückliegen und geht über die Skriptänderungen bis hin zu den spektakulären Dreharbeiten im Berliner Dom. Es ist faszinierend zu sehen, mit wie viel Herzblut, Schweiß und aufopfernder Zeit alle Beteiligten hier zu Werke gegangen sind. Man muss sich immer vor Augen halten, dass hier mit großen zeitlichen Abständen gedreht wurde und selbst das Äußere der Darsteller sich mitunter veränderte – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass jede(r) sich wieder in seine oder ihre Rolle zurück einfinden musste. Ein weiteres Featurette über die Komposition der Visual Effects schließt sich an und wird um Outtakes und ein Musikvideo ergänzt.

Fazit

Ingenium ist mutig, ambitioniert und mit viel Leidenschaft umgesetzt worden. Dafür kann und muss man Regisseur Hacker und sämtliche Beteiligten ausdrücklich loben. Wer Independentkino mag und über den Tellerrand schauen kann, für den lohnt die Anschaffung der Disk. Allerdings sollte man keine bis ins Letzte schlüssige Story erwarten und muss mit einem aufdringlichen Score leben.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Bonusmaterial: 80%
Film: 60%

Anbieter: AL!VE
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Steffen Hacker
Darsteller: Esther Maaß, Judith Hoersch, Adrian Topol, Tony De Maeyer, Augustin Kramann, Jan Yousagoon, Anne Alexander Sieder
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter AL!VE)
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Trailer zu Ingenium

INGENIUM Official Trailer


So testet Blu-ray-rezensionen.net

Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.

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