Blu-ray Review
OT: Ingenium
Eine alte Freundschaft
Independent-SciFi-Mystery-Kino aus Deutschland.
Inhalt
Na das fängt ja gut an. Felicitas ist soeben in Thailand angekommen, um ein paar Tage das Land zu erkunden, da steht sie abends unter der Dusche und es kommt kein Wasser aus dem Hahn. Dem Besitzer des Hotels kann sie mit Englisch nicht kommen, so dass sie vermutlich heute noch da stehen würde, um Ihr Problem zu schildern – wenn nicht eine junge Thailänderin das Schauspiel beobachtet hätte und ihr als Dolmetscherin zur Seite spränge. Gai, die ein paar Brocken Deutsch kann, erfährt nicht nur, dass die Dusche nur zwischen acht Uhr morgens und acht Uhr abends funktioniert, sondern bietet Felicitas auch an, mit ihr Bangkok zu erkunden. Doch der Trip, der so fröhlich beginnt, endet in einer Katastrophe, an deren Ende Gai erschossen in einer Seitengasse liegt. Zu Hause angekommen wird Felicitas erneut von schrecklichen Alpträumen geplagt. Diese verfolgen Sie bereits seit ihrer Kindheit, nachdem sie ihre Eltern bei einem schweren Verkehrsunfall verloren hatte. Zwar hatte ihr Therapeut verkündet, dass sie auf dem Weg der Besserung sei, doch das traumatische Ereignis in Thailand löst erneute Alpträume aus. Ihr Freund ist zwar für sie da, doch wirklich helfen kann er ihr auch nicht. Als sie ihr Handy durchforstet, um ihm das gemeinsame Bild mit Gai zu zeigen, findet sie ein Video, das die Thailänderin ihr offensichtlich ohne ihr Wissen aufs Handy gespielt hatte. Dort sagt Gai vor ihrem Tod, dass Felicitas in großer Gefahr schwebt und dass sie den Ursprung eines bestimmten Fotos ausfindig machen soll. Auf diesem ist Felicitas mit ihrer alten Schulfreundin Natascha zu sehen. Natascha war ebenfalls ein Waisenkind, das allerdings die Geschehnisse aus der Kindheit nicht so gut verarbeitet hat und in einer Nervenheilanstalt landete. Während Felicitas Nachforschungen anstellt, verhalten sich Menschen um sie herum immer merkwürdiger. Spielen ihr die Erinnerungen einfach einen Streich oder steckt eine große Verschwörung dahinter ..?
In·ge·ni·um – [Ingénium] bezeichnet eine Begabung oder einen Mensch mit einer besonderen schöpferischen Fähigkeit.
Manchmal muss man einfach alles selber machen. Das gilt für Dinge des Alltags genauso wie für ambitionierte Filmprojekte, die es (gerade in Deutschland) schwer haben, eine Finanzierung zu bekommen. Hierzulande trifft das nicht selten den Genrefilm, der einfach keine gute Lobby hat und im Kino meist untergeht. Und weil das so ist, hat sich Regisseur Steffen Hacker für sein Regiedebüt schlicht auf sich selbst (und einen sehr engen Kreis von Vertrauten) verlassen. Hacker ist eigentlich Werberegisseur und VFX-Supervisor. Doch der Wunsch, einen echten Spielfilm zu drehen, keimte schon lange ihn ihm. Das Skript zu Ingenium war zunächst als Kurzfilmprojekt gedacht, doch nach und nach wuchs mehr daraus. Die ersten Szenen drehte Hacker mit seiner Hauptdarstellerin Esther Maaß bereits im November 2012 in Thailand. In der Folge wurde das Drehbuch aber praktisch einmal auf links gezogen und immer wieder „on the fly“ verändert. Teils wurden spontan und während der Dreharbeiten Änderungen vorgenommen. Und wenn man als Schauspieler über mehrere Jahre ein solches Projekt begleitet, kann man durchaus verstehen, dass man irgendwann nicht mehr weiß, wo inhaltlich hinten und vorne ist.
- Ingenium Mediabook Limited Edition Mediabook (+ DVD) [Blu-ray]
- PHYSISCHER_FILM
- AL!VE
Bild- und Tonqualität
Ingenium wurde, wie oben erwähnt, im Laufe einiger Jahre gedreht und produziert. Es gab immer wieder Nachdrehs und so kommt es, dass insgesamt elf! unterschiedliche Kameras eingesetzt wurden. Unter anderem Sonys FS700, FS100 oder deren F5. Aber auch die GH2 von Panasonic oder die Blackmagic 2.5K und 4K. Zum Schluss kam sogar mal eine Alexa Mini zum Einsatz. Das Ganze musste dann in der Postproduktion möglichst gut angeglichen werden, weshalb Steffen Hacker unglaublich viel Zeit auf die Phase der Nachbearbeitung verwendete. Grundsätzlich ist die Anpassung schon gelungen, allerdings erzeugen Aufnahmen in dunkler Umgebung durchaus sichtbares digitales Rauschen (18’57). Dafür sind Close-ups oft knackig scharf. Auch hier schwankt es allerdings etwas – möglicherweise auch aufgrund der unterschiedlichen Kameras. Softer wird’s außerdem immer dann, wenn die vor Greenscreen gedrehten Elemente im Vordergrund scharf sind, während die Umrisse weicher werden, um die in kompletter Unschärfe gehaltenen Hintergrund-CGIs nicht allzu auffällig werden zu lassen. Die Farbgebung ist recht natürlich, wenn Felicitas wieder in Deutschland ist. Die Szenen in Thailand sind insgesamt etwas wärmer gehalten.
Beim Ton wartet eine deutsche DTS-HD-Master-Spur, die erstaunlich agil klingt. Es zeigt sich, dass Steffen Hacker hier wirklich weiß, was er tat (oder wusste, was er Hannes Oberhauser, dem für die Sound-Postproduktion zuständigen Kollegen, auftragen konnte). Denn egal, ob’s Diskothekenszenen sind, in denen der Bass fett pumpt oder ein Flugzeug von hinten nach vorne ins Bild fliegt – stets schiebt der Sound erstaunlich dynamisch und druckvoll. Klasse auch, wie viel Augenmerk man auf das Sounddesign legte. Beispielsweise auf die Vertonung der Zeitsprünge. Wer genau hinhört, bekommt mit, dass das Spieluhr-/Uhrenticken-Soundelement über die Surrounds gegen den Uhrzeigersinn geht, wenn in der Erzählzeit zurückgesprungen wird. Mit dem Uhrzeigersinn läuft es dann, wenn die Erzählzeit in die Jetztzeit geht. Das ist schon klasse gemacht. Schade, dass der Score so dick aufträgt und die ansonsten ausgewogene Tonalität negativ beeinflusst.
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Bonusmaterial
Abgesehen vom xx-seitigen Booklet, das im Mediabook enthalten ist, gibt’s im Extrabereich der Blu-ray ein gut 40-minütiges Making-of, das wirklich sehr authentisch und informativ geraten ist. Es beginnt mit den Dreharbeiten in Bangkok, die nun schon fast neun Jahre zurückliegen und geht über die Skriptänderungen bis hin zu den spektakulären Dreharbeiten im Berliner Dom. Es ist faszinierend zu sehen, mit wie viel Herzblut, Schweiß und aufopfernder Zeit alle Beteiligten hier zu Werke gegangen sind. Man muss sich immer vor Augen halten, dass hier mit großen zeitlichen Abständen gedreht wurde und selbst das Äußere der Darsteller sich mitunter veränderte – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass jede(r) sich wieder in seine oder ihre Rolle zurück einfinden musste. Ein weiteres Featurette über die Komposition der Visual Effects schließt sich an und wird um Outtakes und ein Musikvideo ergänzt.
Fazit
Ingenium ist mutig, ambitioniert und mit viel Leidenschaft umgesetzt worden. Dafür kann und muss man Regisseur Hacker und sämtliche Beteiligten ausdrücklich loben. Wer Independentkino mag und über den Tellerrand schauen kann, für den lohnt die Anschaffung der Disk. Allerdings sollte man keine bis ins Letzte schlüssige Story erwarten und muss mit einem aufdringlichen Score leben.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Bonusmaterial: 80%
Film: 60%
Anbieter: AL!VE
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Steffen Hacker
Darsteller: Esther Maaß, Judith Hoersch, Adrian Topol, Tony De Maeyer, Augustin Kramann, Jan Yousagoon, Anne Alexander Sieder
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter AL!VE)
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Trailer zu Ingenium
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.