Blu-ray Review
OT: It Comes at Night
Sie kriegt euch alle!
Dystopisches Horrordrama mit Endzeit-Atmosphäre.
Inhalt
Übersät mit Ekzemen und kaum noch des Atmens fähig haben sie soeben ihrem Großvater den Gnadenschuss verpasst und ihn im Wald verbrannt. Die Zivilisation wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Offenbar ist sie durch eine verheerende Krankheit dahingerafft worden. Paul, ein ehemaliger Geschichtslehrer hat sich mit seiner Frau Sarah und Sohn Travis in einem Haus mitten im Wald verschanzt und dort praktisch hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt. Dass nun Grandpa Bud ebenfalls an der Seuche gestorben ist, reduziert die Familie auf ein Trio. Bis eines Nachts der mysteriöse Will vor der Tür steht und diese mit Gewalt öffnet. Paul kann ihn abwehren und zum Verhör stellen. Doch Will gibt an, dass er annahm, das Haus sei leer. In einem Moment des Mitgefühls glaubt Paul dem gefesselten Mann und gewährt ihm mit dessen Familie Einlass. Doch nicht nur gibt es nun drei Mäuler mehr zu füttern, sondern wollen drei weitere Individuen in eine Gemeinschaft integriert werden. Was zunächst zu funktionieren scheint, wandelt sich, als eines Nachts die verschlossene Tür offen steht und sich erneut Misstrauen den Weg bahnt …
Mit It Comes at Night inszeniert Trey Edward Shults nach Krisha seinen zweiten Langfilm und entfaltet nach eigenen Drehbuch ein apokalyptisches Szenario, das sich mehr um die Mikroebene kümmert und die Ereignisse auf der Makroebene nur schemenhaft andeutet. Wie sich Menschen unter extremen Bedingungen verhalten, wenn die Welt aufgehört hat zu existieren; wie sich vor allem das Spiel um Vertrauen und Misstrauen entwickelt – das interessiert Shults, wenn er seine sechs Protagonisten aufeinander treffen lässt. In äußerst intensiven Bildern und unterlegt mit einem kongenialen Filmscore gelingen It Comes at Night extrem packende Momente. Die Atmosphäre, die der Film erzeugt, fesselt – und das obwohl (oder vielleicht gerade weil) der Schauplatz so beschränkt ist. Das Haus im Wald, die Abgeschiedenheit, in der sich alles abspielt – all das konzentriert sich auf die Essenz. Auf die Dynamik, die sich zwischen den beiden Gemeinschaften und deshalb bald auch innerhalb der einzelnen Familien entwickelt. Anfangs mehr Dystopie als Horrorthriller beginnt das Szenario spannend und beklemmend, um sich nach knapp 40 Minuten zunächst ein bisschen zu lösen.
Doch mit der Entspannung ist es bald wieder vorbei, wenn plötzlich wieder das Misstrauen Einzug hält.
Dass sich It Comes at Night dabei vornehmlich auf die Psychologie seiner Figuren konzentriert und die eigentliche Apokalypse (bzw. deren Ursachen) außen vor lässt, erweist sich als großer Gewinn für den Film. Was auf der anderen Seite am Ende unterbelichtet bleibt, ist das Verhältnis zwischen Sarah und Paul. Eine Weile lang scheint die Frau des Hausherrn gar nicht mehr zu existieren. Außerdem fragt man sich schon irgendwann mal, was GENAU denn überhaupt in der Nacht kommen soll, wie es der Titel impliziert.
Davon ab gibt der Film aber den beiden Hauptdarstellern Gelegenheit für packende Darbietungen. Joel Edgerton (Bright, The Gift), der als Ex-Lehrer nun Verantwortung für das Leben seiner Familie übernimmt und dessen Paul dabei über sich hinauswachsen muss, agiert glaubwürdig und nachvollziehbar, was gleichzeitig eine gewisse Strenge gegenüber Filmsohn Travis erfordert und im Finale außer Kontrolle gerät. Christopher Abbott, der zuletzt als fieser Gegenspieler von Jon Bernthal in Sweet Virginia überzeugte, ist der perfekte Gegenspieler. Einer, dem man immer irgendwie zutraut, für Zwietracht zu sorgen und der manipulative Charaktere hervorragend darstellen kann. Der Darstellung der Beiden sowie des hervorragenden Kelvin Harrison jr. und der effektiven Atmosphäre ist es zu verdanken, dass sich im letzten Drittel die sozialen Dynamiken bis in ein furioses Finale steigern, das den Zuschauer so schnell nicht mehr los- ja, sogar fast atemlos zurücklässt. Denn die Bestie ist am Ende doch mal wieder der Mensch.
Bild- und Tonqualität
It Comes at Night ist angereichert mit deutlichem und teils ziemlich grobem Korn, das gerade in dunklen Szenen noch mal heftig zunimmt (10’30). Aber auch während der wenigen hellen Momente wuselt es deutlich. Die Schärfe ist nicht nur deshalb eher etwas schwächer und auch der Kontrastumfang dürfte höher sein. Alles in allem passt das natürlich gut zur apokalyptischen Problematik und sorgt für Atmosphäre. Auch wenn’s nicht so richtig schön aussieht.
Der Ton von It Comes at Night überzeugt eher als das Bild. So liefert er anfänglich eine sehr reduzierte, zurückgezogene Atmosphäre, um dann nach etwas über zehn Minuten umso kräftiger zu zu packen. Wenn Travis in der Nacht einen schlechten Traum vom Großvater hat, sitzt der Zuschauer plötzlich kerzengrade im Heimkino – auch weil der Effekt ziemlich schaurig ist und äußerst dynamisch in Szene gesetzt wurde. Auch der Score leistet im Nachgang ziemlich Großes, wenn er mit unangenehmen Geräuschen eher wie eine Ansammlung von Disharmonien für Spannung sorgt (ab 11’34). Für weitere Atmosphäre sorgt die gedämpfte Vertonung der Stimmen, die unter so einer Gasmaske nun mal nicht wirklich klar und differenziert tönen. Klasse ist auch der perkussive Soundtrack während der gemeinsamen Fahrt von Paul und Will durch den Wald – bis sich auch dieser mit einem Schockeffekt auflöst und ebenso knallige wie effektive Schüsse ins Heimkino wuchtet.
Bonusmaterial
Die beiden Featurettes „Fear“ und „Tension“ im Bonusmaterial von It Comes at Night laufen jeweils nur knapp eine Minute und können kaum für Aufklärung sorgen. Dazu gibt’s zwei Originaltrailer und einige Programmtipps des Anbieters.
Fazit
It Comes at Night funktioniert atmosphärisch, schauspielerisch und vom Setting her vorzüglich. Etwas mehr Sorgfalt bei der Figurenzeichnung der einzelnen Charaktere und in Verbindung mit dem höchst aufwühlenden Ende hätte das ein echter Klassiker werden können. So ist es aber immer noch eins der spannendsten und intensivsten Genre-Highlights der letzten Monate.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 20%
Film: 80%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Trey Edward Shults
Darsteller: Joel Edgerton (Paul), Christopher Abbott (Will), Carmen Ejogo (Sarah), Riley Keough (Kim), Kelvin Harrison Jr.,
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: 16