It Follows

Blu-ray Review

It Follows Blu-ray Review Cover
Weltkino/Universum Film, seit 27.11.2015

OT: It Follows

 


Übertragungsgefahr

It Follows haucht dem ausgelutschten und vom Remake- oder Fortsetzungswahn degenerierten Horrorgenre neuen Atem ein.

Inhalt

„Das Ding wird dir folgen!“ – Jay sitzt gefesselt auf einem Rollstuhl und hört sich von ihrem neuen Freund Hugh an, wie dieser von einem „Etwas“ faselt, das ihn seit langer Zeit verfolgt und das er just und gerade während des gemeinsamen Liebesakts auf Jay übertragen hat. Hugh gibt der verängstigten 19-jährigen noch mit, dass es sie umbringen werde, wenn es sie jemals erreichen sollte und dass sie möglichst schnell mit einem anderen schlafen solle, um es erneut „abzugeben“. Derart abgezockt ist Jay indes nicht und sucht ihr Heil erst einmal in der Flucht. Bei dieser wird sie von ihren Freunden begleitet, die sie schützen wollen und doch hilflos sind, als das unsichtbare Wesen das erste Mal auf Tuchfühlung geht. Noch brenzliger wird die Situation, als klar wird, dass man dem mörderischen Stalker nicht einmal mit Handfeuerwaffen beikommen kann. Was soll die Vorgänge auf Dauer stoppen …?

It Follows gehört wohl zu dem am stärksten missverstandenen Horrorthrillern der letzten Jahre – aber eben auch zu den besten. Die Tatsache, dass sich die Rezipienten des Films aufteilen in Entweder/Oder vermittelt ganz gut, mit welch‘ falschen Erwartungen so mancher an den Film von David Robert Mitchell heranging. Denn wenn It Follows eines nicht ist, dann ein Standard-Teenie-Slasher mit degeneriertem Bösewicht. Vielmehr orientiert sich das Genrewerk, das betont langsam und subtil Spannung aufbaut, an den 80er-Jahre-Horrorthrillern im Stile eines Wes Craven oder John Carpenter – nur ohne deren teils drastische grafische Gewalt. Geschickt und äußerst spannend spielt Mitchell mit der Tatsache, dass Jay sich zunehmend nicht mehr sicher sein kann und dass sie nicht mehr weiß, wer der- oder diejenige sein könnte, vor dem sie fliehen muss. Man fühlt schon frühzeitig mit, wie aufreibend und anstrengend es irgendwann sein muss, ständig auf der Flucht zu sein, keinen Schlaf mehr zu bekommen und die Kräfte immer mehr zu verlieren. Unterstützt wird diese Stimmung durch die kongeniale Kameraarbeit von Mike Giolakis (Camp X-Ray), dessen lange Einstellungen und zahlreiche 270°-360°-Grad-Schwenks nicht nur außergewöhnlich sind, sondern extrem bedrohlich wirken. Exemplarisch ist das bereits in der ersten Einstellung von It Follows zu sehen, in dem Giolakis ohne Schnitt und Veränderung der Kameraposition der Teenagerin in Schlafwäsche und Pumps folgt. Geradezu sensationell ist der ganz offensichtlich an die Werke eines John Carpenter angelehnte Synthesizer-Filmscore von Richard Freeland aka Disasterpeace. Filmkritiker Scott Weinberg beschreibt es im Audiokommentar mit den Worten, dass es an Genialität grenze, wenn man bekannte Musikelemente nutzt, daraus aber etwas eigenes kreiert, wie es in diesem Fall ist. Ohne je einen Gedanken an eine billige Kopie zu haben, funktioniert der Score perfekt und Weinbergs Worten ist nichts mehr hinzuzufügen. Ebenfalls herausragend sind die Darsteller – allen voran Maika Monroe, die als Jay höchst glaubwürdig rüberkommt. Die Amateur-Kite-Surferin entfaltet exakt die richtige Melancholie in ihren Gesichtszügen, um ihre Rolle zwischen Angst, Verzweiflung und leiser Hoffnung authentisch anzusiedeln. Sicher ist ihre Leistung hier mit verantwortlich dafür, dass sie 2016 für sechs Filme gelistet wird und wir sie demnächst in Emmerichs Fortsetzung von Independence Day als Präsidententocher sehen dürfen.

Liest man in der Metaebene von It Follows, so könnte man ein typisch-reaktionäres Element so mancher Horrorfilme ausfindig machen: Sex ist böse!
Und wenn du ihn unüberlegt oder zu früh oder sonstwie vor einer weißen Hochzeit hast, bekommst du mindestens AIDS, wenn nicht gar einen Dämon an den Hals –  was haben die Filmteenager der letzten vierzig Jahre nicht schon genau unter dieser Prämisse leiden müssen. Doch Mitchells Film stellt diese These bisweilen auf den Kopf und sucht ebenso Erlösung, Hilfe und Beistand im Beischlaf. It Follows geht auch ansonsten einen Schritt weiter, wenngleich man das als kritischer Zuseher auch naserümpfend wahrnehmen könnte. So ist das Finale, das darauf abzielt, die ganz und gar unweltliche Gestalt des „Stalkers“ auf höchst weltliche Art und Weise umzubringen, eben nicht ein Fehler des Films, sondern nur ein weiteres Element Mitchells, mit der Erwartungshaltung der Zuschauer zu spielen. Selbst wenn sich hier und da kleinere logische Brüche einschleichen und man sich darüber auch ärgern darf (warum beispielsweise rupft ES der Protagonistin nur sachte an den Haaren, wo es doch eingangs des Films sein erstes Opfer geradezu ultrabrutal zugerichtet hat?), hat It Follows genug Kraft, um diese zu überspielen und dafür zu sorgen, dass man sich auf dem nächsten nächtlichen Heimweg auch zwei- oder dreimal umdreht.

Bild- und Tonqualität

Während der gut ausgeleuchteten Szenen draußen ist das Bild von It Follows bisweilen extrem plastisch und fast fotorealistisch (ab 13’12). Farben sind zwar ein wenig entsättigt worden, um den Stil an die 70er/80er-Jahre Horrorstreifen anzupassen, doch dies wird nie übertrieben, sodass auch die Colorierung gut passt. In dunklen Szenen gesellt sich gerade die Menge an Korn hinzu, die man schätzt und die filmisch analog wirkt. Während der stehenden Einstellungen sind keinerlei Unruhen zu sehen, die über Gebühr strapazieren oder das Geschehen undeutlich werden lassen. Das ändert sich jedoch in den zahlreichen schnellen und auch weniger schnellen Schwenks (13’40, 49’50) – je zügiger die Kamerabewegung oder je kontinuierlicher, desto stärker verwischen die Konturen.
Akustisch macht It Follows großen Spaß: Die Dialoge mögen im Verhältnis ein wenig zu leise abgemischt sein, doch die Naturatmosphäre (Vogelgezwitscher, Grillenzirpen) kommt äußerst effektvoll rüber. Wenn Jay ein paar Schussübungen macht, halt es extrem räumlich aus allen Lautsprechern (57’15) und der großartige Synthie-Soundtrack erfüllt das Heimkino derart druckvoll, das einem zu Recht Angst und Bange werden kann.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von It Follows besteht aus einem Interview mit Disasterpeace, den Regisseur David Robert Mitchell aufgrund des Scores zum Videogame Fez ansprach, der dem Filmemacher extrem gut gefiel. Freeland erzählt, dass Regisseur und Cutter eine ganz bestimmte und genaue Vorstellung des Soundtracks hatten und bereits eine Version mit Versatzstücken berühmter Filmscore-Komponisten wie John Carpenter angefertigt hatten. Zu diesem Interview gesellt sich der Audiokommentar mit Filmkritiker Scott Weinberg, der für die Homepage nerdist.com arbeitet und trotz gerade vorgenommener Zahn-OP einen absolut informativen Begleittext einspricht. Schon seine einleitenden Worte stimmen auf den Tenor seines Kommentars ein, wenn er sagt, dass „Originalität im Horrorgenre überbewertet wird“. Ihm sind frische Blickwinkel in alten Themen viel wichtiger – und genau das liefert It Follows. Davon sind übrigens auch viele seiner Kollegen überzeugt, die er per Telefonschaltung

Fazit

It Follows fügt dem ausgelutschten Horror-Genre ein paar höchst frische Ideen hinzu und garniert das Ganze mit hervorragenden Darstellern jenseits gängiger Schönheits- (und Dummheits-)ideale sowie der großartigen Filmmusik und der tollen Kameraarbeit. Das ist in Summe mehr als 95% der Genre-Outputs hinbekommen, weshalb Mitchells Film zu Recht von vielen als der beste Horrorfilm seit Jahren tituliert wurde.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 35%
Film: 80%

Anbieter: Weltkino/Universum
Land/Jahr: USA 2015
Regie: David Robert Mitchell
Darsteller: Maika Monroe, Keir Gilchrist, Daniel Zovatto, Jake Weary, Olivia Luccardi, Lili Sepe, Bailey Spry, Debbie Williams, Linda Boston
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en // dts HD-Master 2.0: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 100
Codec: AVC
FSK: 16

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1 Kommentar
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ondy

Ich mag filme bei den man angst bekommt. Hier hatte ich seit langen mal wieder angst und die tüte chips war ruck zuck alle. Klare empfehlung für ein spannenden filmabend.