Joe – Die Rache ist sein

Blu-ray Review

Koch Media, seit 23.10.2014
Koch Media, seit 23.10.2014

OT: Joe

 


Kreislauf der Gewalt

Och nöööö, nicht schon wieder ein schlechter Cage-Film – oder …?

Inhalt

Joe hat harte Zeiten hinter sich, saß schon mal im Knast und hat sich nun tief im Süden niedergelassen. Nach und nach hat er sich seither eine kleine Existenz als Holzfäller aufgebaut und behandelt seine Arbeiter fair und ehrlich. Als eines Tages der 15-jährige Gary auftaucht und für Joe arbeiten möchte, gibt der ihm einen Job. Sogar für Garys trunksüchtigen Vater springt noch eine Stelle raus. Wenngleich der sich als fauler, missmutiger Störenfried entpuppt und dafür sorgt, dass Joe den beiden wieder kündigt. Als er jedoch mit eigenen Augen ansieht, wie der alte Trinker seinen Sohn behandelt, beschließt er, Gary zu helfen. Er sieht in ihm so etwas wie sein jüngeres Ich und will nicht akzeptieren, dass das Schicksal für Gary den gleichen Verlauf nimmt, wie es bei ihm selbst der Fall war …

Da gibt Nicolas Cage seit Jahren sein bekanntes Gesicht und seinen Namen für B-, C- und Z-Movies her, chargiert sich als untoter Biker durch eine Comicverfilmung oder durch diverse Thriller und dann ist da plötzlich dieses großartige Schwergewicht von Independent-Drama, das gleich in vielerlei Hinsicht Überraschungen liefert. Die erste davon ist Regisseur David Gordon Green, der bisher zumeist auf derbe Komödien spezialisiert (Bad Sitter, Ananas Express) war. Mit Joe – Die Rache ist sein überzeugt er fernab vom Kiffer- und Fäkalhumor aber gleich auf mehrfache Weise: Nicht nur gelingt ihm ein atmosphärisch extrem stimmungsvoller Film, dessen Anhäufung an kaputten Figuren Klischees sicher umschifft, vielmehr liefert er immer wieder Bilder, deren Wucht zuletzt ihresgleichen suchen dürfte. Gerade in der Auseinandersetzung zwischen Gary und seinem Vater sind die Szenen mitunter schwer zu ertragen. Eine schauspielerische Meisterleistung im Übrigen – sowohl vom jungen Tye Sheridan als auch vom gnadenlos gut agierenden Gary Poulter, der den trunksüchtigen Wade mimt. Unglaublich, dass Green diesen direkt von der Straße weg engagiert hat. Gary Poulter war ein Obdachloser und ist als solcher in Joe – Die Rache ist sein von purer roher Authentizität. Leider kann er diese Echtheit in Zukunft nicht mehr unter Beweis stellen, denn manchmal ist das echte Leben eben noch härter als der Film es erzählen kann – Poulter starb kurz nach den Dreharbeiten zu Joe.

Die zweite Überraschung ist, wie erwähnt, Nicolas Cage selbst. Seit langer Zeit nimmt man ihm mal wieder eine Rolle vollkommen ab. Die Figur des Joe, dessen Dampfkessel einerseits immer mal wieder überkocht und der das Gesetz dabei geflissentlich ignoriert, der aber andererseits mit Güte und Verständnis zum Vorbild des jungen Gary wird, passt wie die Faust aufs Auge. Seine behäbige Art, sich zu bewegen, sein tiefmelancholischer Blick und seine genuschelte Sprache erwecken die Romanfigur von Larry Brown zum Leben und bieten seit langem mal wieder eine echte Cage’sche Identifikationsfigur fürs Publikum. Man kann dem Neffen von Francis Ford Coppola nur wünschen, dass er mittlerweile genug Trash abgedreht hat, um seine Schulden zu bezahlen, damit er sich in Zukunft wieder auf tolle Rollen wie die des Joe konzentrieren kann.
Kleine Bemerkung am Rande: Was sich der deutsche Anbieter beim Untertitel „Die Rache ist sein“ gedacht hat, ist mir ein Rätsel. Selbst wenn man das Finale „wohlwollend“ als Akt der Rache sehen möchte, so geht’s Joe nicht eine Sekunde darum, diese heraufzubeschwören und zu vollziehen.

Bild- und Tonqualität

Das häufig und vor allem bei Innenraumsequenzen extrem dunkle Bild von Joe – Die Rache ist sein ist zwar ruhig und rauschfrei, lässt aber aufgrund der ausschließlich natürlichen Beleuchtung in Innenräumen keine Durchzeichnung zu. Wenn’s taghell ist, gefällt der Kontrastumfang und auch die Farben wirken natürlich. Gerade Nahaufnahmen können sogar in Sachen Schärfe überzeugen. Akustisch kann man Joe keinen Vorwurf machen. Für ein dialoglastiges Drama nutzt Joe – Die Rache ist sein seine Möglichkeiten hervorragend aus. Vor allem die Naturkulisse gefällt durchgängig. Aber auch der in dramatischen, bzw. gewaltvollen Momenten aufkeimende Tiefbass unterstützt das Geschehen und trägt zur bedrückenden Atmosphäre bei. Einziger Wehrmutstropfen: Gegenüber der englischen Fassung klingt die deutsche Synchro etwas dünn.

Bonusmaterial

Im Making-of von Joe – Die Rache ist sein erfahren wir, dass Regisseur David Gordon Green zu dem Stoff kam, weil einer seiner College-Professoren die Vorlage von Gary Hawkins fürs Kino adaptiert hatte und Green sich mit dem Stoff verbunden fühlte. „Die Entstehungsgeschichte“ ist noch ein Stück interessanter und lässt Drehbuchautor Hawkins erzählen, wie schwer es für Larry Brown war, seine erste Geschichte zu publizieren. Mehr als 100 Kurzgeschichten hatte der hart arbeitende Jobwechsler zuvor geschrieben, bis man ihm Joe abnahm. Ein Audiokommentar und zwei entfallene Szenen ergänzen das gute Bonusmaterial von Joe.

Fazit

Joe – Die Rache ist sein ist ein wuchtiges Drama vor fiebriger Kulisse, besetzt mit Top-Darstellern und gesegnet mit einem konsequenten und Klischees meidenden Drehbuch – absolute Empfehlung gerade für Cineasten, die Cage noch einmal eine Chance geben wollen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonsumaterial: 60%
Film: 80%

Anbieter: Koch Media
Land/Jahr: USA 2013
Regie: David Gordon Green
Darsteller: Nicolas Cage, Tye Sheridan, Ronnie Gene Blevins, Adriene Mishler, Heather Kafka
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 117
Codec: AVC
FSK: 16

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