Journeyman

Blu-ray Review

journeyman blu-ray review cover
Universum Film, 12.10.2018

OT: Journeyman

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Knockout

Bewegendes Drama von und mit Paddy Considine.

Inhalt

Endlich hat es sich ausgezahlt. Als das Blut, all der Schweiß und all die Tränen – Matty Burton hat soeben den Boxtitel im Halbschwergewicht gewonnen und schmückt sich mit dem schicken Gürtel. Fortan verdient er richtig Geld – bei jedem Kampf. Als ihn der aufkeimende Jungboxer Andre Bright herausfordert, den man nicht ganz umsonst „The Future“ nennt, reagiert Matty gar nicht auf die Provokationen des Grünschnabels – auch wenn zwischen beiden Kämpfern 20 Jahre Altersunterschied liegen. Der Kampf gerät dann zur echten Bewährungsprobe, bei der Matty zwar als knapper Sieger hervorgeht, aber derbe Prügel einstecken muss. Daheim angekommen verliert er das Bewusstsein und fällt ins Koma. Im Krankenhaus und nach einer Not-Op, bei der das Gehirn von Blutungen befreit wird, folgt die Diagnose: Schwere zerebrale Schäden. Matty weiß kaum noch, wie er sich bewegen soll. Seine Glieder verkrampfen und selbst das Trinken einer Tasse Tee gelingt ihm nicht. Mühsam muss er wieder laufen lernen – eine Rehabilitation, die ihm mehr abverlangt als jeder Box-Fight zuvor …

Paddy Considine (The Girl With all the Gifts) gehört zu den renommiertesten und beliebtesten Darstellern, die je von der Insel gekommen sind. 2011 nutzte er seine Popularität, auch mal hinter der Kamera Platz zu nehmen und inszenierte mit Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte sein Regiedebüt. Sieben Jahre später kommt nun sein zweites Werk, das ihn gleichzeitig auch als Hauptdarsteller zeigt. Dass er sich dabei eine physisch und psychisch herausfordernde Rolle gewählt hat, zeigt, dass er keine Herausforderung scheut. Immerhin musste er für seine Verkörperung eines Box-Champions ein hartes Training absolvieren, damit man ihm die Szenen im Ring auch abkauft. Natürlich ist Journeyman aber kein Boxfilm, sondern ein Lebensdrama mit sportlichem Hintergrund. Selbst die Phase der eigentlichen Verletzung, also die Szenen im Krankenhaus überspringt Considine in seinem Film. Er springt direkt vom Kollaps zur Rückkehr nach Hause und fokussiert sich auf die lange, anstrengende und für die ganze Familie schmerzvolle Phase der Rehabilitation. Mattys Frau Emma kümmert sich zwar rührend um ihren Mann, bekommt aber praktisch nichts mehr zurück. Gleichzeitig muss sie sich nun praktisch um zwei Kleinkinder kümmern, denn viel mehr als Tochter Mia bringt Matty nun selbst nicht mehr zustande. Journeyman schaut dabei auch tief in die Seele ach so harter Männer. Der Kerl, der sein Leben und seinen Unterhalt darüber bestritt, einen harten Faustkampf-Sport auszuüben, muss nun an sich selbst erfahren, dass er körperlich schwach und geistig eingeschränkt geworden ist. Gefühle haben da keinen Platz, so scheint es. Und so kämpft Matty nicht nur mit seinem Körper und seiner Umwelt, sondern auch mit seinem Inneren.

Wenn er seiner Frau die Tasse Tee aus der Hand schlägt, die er ihr soeben gemacht hat, zeigt das seine ganze innere Verzweiflung – immerhin hatte er vergessen, das Wasser zuvor heiß zu machen und den Beutel raus zu nehmen. Jodie Whittaker spielt Emma dabei mindestens genauso überzeugend und überwältigend wie Considine den Matty. Beide sind auf ebenbürtigem Niveau – und gehen bis zur Schmerzgrenze. Wenn Matty sich in seiner inneren Abgeschiedenheit nur noch mit spontaner Gewalt gegenüber Emma zu helfen weiß, weil diese ihn für den Moment abweist, zeigt das die ganze Verzweiflung auf beiden Seiten. Alles andere als einfache Szenen, die auch für den Zuschauer oft an die Grenze gehen.
Dabei übertritt Journeyman nie die Grenze zum bloßen Selbstzweck oder billiger produzierter Emotionalität. Ganz im Gegenteil. Ehrlicher und auch schonungsloser hat man einen Film über den schweren Genesungsweg eines im Sport verletzten Menschen vielleicht noch nie gesehen. Gerade weil wir es mit einem britischen Film zu tun haben, fehlt auch das ganze Pathos und die Glorifizierung. Mattys Freunde bekommen es nicht hin, ihren Kumpel/Trainingspartner/Schützling zu besuchen, weil sie selbst mit ihren Gefühlen nicht klar kommen. Wenn es dann doch endlich mal aus ihnen herausbricht, merkt man, wie sehr sich die Emotionen aufgestaut hatten. Und wenn sie sich dann endlich dazu aufraffen, ihrem alten Freund zu helfen, wird es so bewegend wie es nur werden kann. Dann wird Journeyman zum Film über Männer-Freundschaft und über Vergeben. Über neuen Lebensmut und über die Kraft der Liebe – und das ganz ohne falschen Pathos.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Journeyman kann mit erstaunlich scharfen Einstellungen in Close-ups aufwarten und offenbart dann sämtliche Bartstoppeln und Hautfalten der Charaktere. Auch Schriften und Oberflächen auf Textilien kommen prächtig rüber (Mütze 61’40). Die Farben bleiben zwar natürlich, sind dennoch kräftig und werden durch einen erstaunlich hohen Kontrastumfang unterstützt. Schwarz ist ziemlich prägnant, zeichnet aber dennoch gut durch. Nur selten geht die Bildruhe etwas in die Knie, wenn der Hauptanteil der relevanten Bildanteile im Dunkeln liegt. Ansonsten bleibt das Geschehen stabil.
Beim Ton liefert der Center warme und voluminöse Stimmen, deren Timbre sauber und präzise wiedergegeben wird. Während der Box-Szenen gibt’s Surround-Atmosphäre durch die Zuschauer und die in Zeitlupe gelandeten Faustschläge bringen etwas Dynamik ins Spiel. Im späteren Verlauf wird es vornehmlich ruhig(er). Die Konzentration auf die Stimmen und die oft über weite Strecken fehlende Musik lässt die Atmosphäre intimer werden. Wenn dann zum Schluss noch mal zwei melancholische Songs aufbranden, werden diese wiederum sehr fein aufgelöst auf sämtliche Lautsprecher verteilt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Journeyman gibt’s nur die Originaltrailer und einige Programmtipps.

Fazit

Journeyman könnte sensibler, feinfühliger und ehrlicher kaum inszeniert sein. Obendrauf gibt’s zwei grandiose Schauspiel-Leistungen und viele rührende Momente. Wer auch nur annähernd was mit authentischen Lebensdramen anfangen kann, muss diesen Film sehen!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 10%
Film: 90%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: GB 2017
Regie: Paddy Considine
Darsteller: Paddy Considine, Jodie Whittaker, Paul Popplewell, Tony Pitts, Anthony Welsh
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 93
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universum Film)

Trailer zu Journeyman

Journeyman | Official Trailer

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