Blu-ray Review
OT: Joy
Quality Value Convenience
David O. Russells jüngster Film ist eine Liebeserklärung an selbstbestimmte Frauen und eine herzensgute Erfinderin.
Inhalt
Joy ist in einer fast normalen, hin und wieder aber reichlich dysfunktionalen Familie aufgewachsen, hatte aber immer schon den Traum davon, etwas Größeres zu werden. Helfen soll ihr dabei ihr Erfindungsreichtum, mit dem sie immer wieder nützliche Dinge entwickelt. Blöd allerdings, dass sie von ihrer Familie dabei kaum bis gar nicht unterstützt wird. Wie auch, wenn die Mutter den ganzen Tag unbeweglich auf dem Bett liegend Soaps schaut und der Vater soeben erst wieder von seiner neuen Freundin „zurückgebracht“ wurde, weil er nicht mehr funktioniere. Dazu muss sich Joy um ihr Kind und den singenden Ex-Mann kümmern, der sich im Keller einquartiert hat. Während eines Bootsausflugs, bei dem ein Glas Wein zu Bruch geht und Joy das Deck mit einem Wischmop reinigen muss, ärgert sie sich über das unpraktische Reinigungsteil, das sie von Hand auswringen muss und das ihr blutige Hände besorgt, weil die Scherben des Glases zwischen den Fasern sitzen. Also wächst in ihrem Kopf eine Idee, die bald ihre Umsetzung erreicht: Sie erfindet einen selbstauswringenden Wischmop und in Trudy, Papa Rudys neuer Freundin, eine Investorin. Anfänglichen Startschwierigkeiten begegnet Joy mit Hartnäckigkeit und dem unbändigen Willen, Erfolg haben zu wollen. Doch schwerer wiegen die innerfamiliären Spannungen und Neidereien – vor allem Halbschwester Peggy schießt massiv quer …
Kennt noch jemand den „Miracle Mop“? Dieses selbstauswrigende Wischgerät wurde 1990 von Joy Mangano erfunden und bescherte ihr einige Zeit später einen unfassbaren Erfolg, der über den Shoppingkanal QVC ausgelöst wurde und Mangano half, ein Wischmop-Imperium aufzubauen. David O. Russell (Silver Linings, American Hustle) arbeitet nun zum dritten Mal in Folge mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper zusammen, um Joy Manganos Geschichte zu erzählen. Es ist aber nicht nur die Story der Erfinderin, die Joy – Alles außer gewöhnlich schildert. Der Film ist vielmehr eine Liebeserklärung an die Frauen der 80er/90er, die im Gegensatz zu ihren tagträumenden Männern Haushalt, Leben und Familie geschmissen haben. Jennifer Lawrence, die in einer für sie vollkommen ungewöhnlichen Rolle als Normalo-Frau mit Erfindergeist und geschickten Händen agiert, hat nicht umsonst eine weitere Oscarnominierung für die Rolle eingeheimst. Ihr Spiel ist herausragend souverän und gleichzeitig bewegend emotional. Wie sie mit dem kleinen Kind auf dem Arm und dem Handtuch um die frisch gewaschenen Haare ihrem faulen Taugenichts-Mann eröffnet, dass sie sich scheiden lassen wird – das hat Klasse und lässt die Herren der Zunft ziemlich alt aussehen. Flankiert wird Lawrence von einem fiesen Robert De Niro, der in einem der zahlreichen Rückblicke auch schon mal die Gelegenheit nutzt, auf Joys Hochzeit seine Noch-Ehefrau runterzuputzen und seiner Neu-Geliebten eine Liebeserklärung zu machen. Virginia Madsen ist als Mutter Terry zwar unbeweglich, darf aber immerhin die hässlichste Brille der Filmgeschichte zur Schau tragen. Dazu gesellen sich noch Isabelle Rossellini als neue Freundin Rudys und Bradley Cooper als Shopping-Kanal-Leiter Neil Walker. Großartig ist aber vor allem Dascha Polanco (Orange is the New Black) als Jacky, die noch dann zu ihrer Freundin Joy steht, wenn diese praktisch schon ruiniert ist.
Der Tenor ist trotz durchaus vorhandener Dramatik eher locker und beschwingt – gerade durch De Niros häufige Sarkasmus-Attacken. Der beste Running-Gag gebührt dann auch ihm, wenn er Joy (in Anspielung auf ihren anwesenden Ex-Mann) ständig fragt, „was macht der hier?“. In solchen Szenen blitzt das Genie von O. Russell auf, der schon mit Three Kings bewies, dass er großartige Satiren beherrscht. Dabei ist Joy natürlich keine Satire, sondern eine teils auf realen Begebenheiten beruhende Geschichte mit ausgeschmückten Nebenstorys, deren Lockerheit vornehmlich als Kompensation zum eigentlichen ernsten Hintergrund dient. Wirklich rosig und beschwingt wird es in Joys Familie nicht zugegangen sein, wenn man weiß, wie sehr sich schon die kleine Erfinderin wünschte, nicht zu werden, wie ihre Eltern es ihr vorgelebt hatten. Dass ihr dies gelingt, liegt dann an der berühmten Erfindung, die David O. Russell zwar nicht von Beginn an ankündigt, im Moment des Entwurfs und Entwickelns jedoch richtig spannend und faszinierend umsetzt. Der Film spart aber auch nicht aus, dass das Geschäft hart ist. In Person Neil Walkers, dem konservativen Einkäufer von QVC wird deutlich, wie umkämpft TV-Shopping intern ist und mit welch harten Bandagen Kunden umworben werden. Bradley Cooper spielt Walker mit einer Mischung aus authentischer Müdigkeit, die seinen Stress widerspiegelt und energetischem Antrieb, wenn er wie ein Dirigent über die Telefone und das Geschehen im Studio regiert. Er ist es aber auch, der Joy eröffnet, dass das Produkt schlecht sei und die Erfinderin damit praktisch in die Insolvenz treibt – sicher der dramatische Höhepunkt und ein „Kloß-im-Hals“-Moment. Vielleicht überdramatisiert O. Russell im Finale etwas, um die Geschichte filmischer und packender zu gestalten. Allerdings gibt es dafür umso zufriedenere Gesichter, wenn Joy es doch allen zeigt. Sicherlich ist Joy – Alles außer gewöhnlich nicht der nächste tiefgründig und satirisch-entlarvende American Hustle geworden, sondern eher ein sehr mainstreamiges Werk des ansonsten eher fürs Independentkino zuständigen Regisseurs. Doch das ist dann auch die einzige Kritik, die man dem durchweg unterhaltsamen Film vorwerfen kann.
Bild- und Tonqualität
Bevor weiter unten die Bildqualität der UHD-Disk aufbereitet wird, an dieser Stelle erst einmal, wie gewohnt, die Bewertung der regulären Blu-ray. David O. Russell nutzt ebenso häufig unterschiedliche Bildlooks, wie er in der Zeit hin- und herspringt. Während der Rückblenden, die oft überrissen hell wiedergegeben werden, nutzt Joy ein extrem sichtbares und grobes Korn, das ein stark stilisiertes Bild offenbart. Die Szenen in der Gegenwart sind während der Close-ups von sehr guter Schärfe und Auflösung (22’55). Halbtotale fallen hingegen ab und hier und da sind leichte Randunschärfen zu beobachten. Ab und an scheint zudem die Kamera aus dem Fokus zu sein, denn dann ist schon mal kein einziges Detail richtig scharf (20’32). In besagter Szene wuselt es zudem unnatürlich auf Lawrence‘ Gesicht. Die Farbgebung während der Innenraumszenen wurde bewusst etwas warm gefiltert und hat eine bräunliche Einfärbung. Außenszenen kommen etwas natürlicher rüber, wirken im direkten Vergleich fast kühl (28’30). Die Aufnahmen im QVC-Studio leiden etwas unter arg rosigen und überkontrastierten Gesichtsfarben.
Mittlerweile ist es fast müßig, sich darüber zu echauffieren, dass auch Joy dem Beispiel anderer Blu-rays großer Anbieter folgt und keine deutsche HD-Tonspur anbietet. Im Gegensatz zur englischen dts-HD-Master-Fassung, muss die Synchronfassung mit einer regulären dts-Spur auskommen. Die klingt glücklicherweise nur unbedeutend schwächer als die Originalversion, liefert sehr gut verständliche Dialoge und lebt während der Filmmusik hörbar auf. Anlass für direktionale Effekte gibt’s thematisch bedingt praktisch gar nicht. Auf dem Segelboot klimpern schon mal Umlenkrollen am Mast, was authentisch und atmosphärisch wirkt. Die UHD-Disk wartet nicht mit 3D-Soundformaten auf, sondern nutzt die identischen Tonspuren wie die 1080p-Version.
Bildqualität UHD Disk
Im direkten Vergleich mit der regulären Blu-ray fällt der Auflösungsvorsprung natürlich durchaus auf. Gerade feine Details profitieren von der vierfachen Anzahl an Pixeln. Gut zu sehen ist dies vor allem in vertikalen Linien, wie jenem des Lüftungsgitters des Röhrenfernsehers (6’50). Die UHD Disk von Joy – Alles außer gewöhnlich zeigt hier keinerlei Abstufungen und reißt weniger stark aus. Auch die Notenlinien auf dem Zettel am schwarzen Brett zu Begin von Kapitel sechs sind wie mit dem Lineal gezogen. Die kleine Schrift lässt sich bei einem 55“-TV noch aus drei Meter Entfernung bestens lesen. Der erweiterte Farbraum gibt Gesichter kräftiger und auch die Holzplanken auf dem Segelboot sind etwas prägnanter. Wenn man ein Übersichtsbild mit vielen Einzelheiten nimmt, wie jenes vor Charlie’s Hardware, wird vor allem im Ganzen betrachtet deutlich, dass die UHD für mehr Bildpräsenz und bessere Farbkontraste sorgt – auch weil die höhere Auflösung farbige Details nicht ausfransen lässt, sondern sie scharf konturiert zeigt – sei es nun Lawrence‘ Gesicht, das Lochmuster in Charlie’s Schaufenster oder das blau beschriftete Kennzeichen von Joys Schrottkarre. Da der Film aber grundsätzlich kein perfektes Bild, keinen perfekten Look hat und bewusst auf teils schmuddelig-körnige Sequenzen setzt, ist der technische Vorsprung der UHD Disk gegenüber der regulären Blu-ray nicht exorbitant.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Joy warten zwei Featurettes. „Joy, Strength and Peaseverance“ erzählt davon, worum es David O. Russell in seinem Film ging, dass er zum einen ein Film über Joy Mangano, zum anderen aber auch über starke Frauen machen wollte. Außerdem schlüsselt der Regisseur auf, warum die Rolle für Jennifer Lawrence anders war als alles, was sie bisher gedreht hatte. „Times Talk with Lawrence, O. Russell“ ist ein 67-minütiges Gespräch mit Maureen Dowd, einer Kolumnistin der New York Times. Da Jennifers Eltern im Publikum sitzen, ist das Ganze ziemlich locker aber auch oberflächlich – wer will zum Beispiel wissen, welchen Wischmop Lawrence persönlich nutzt? Immerhin antwortet sie schlagfertig, dass sie seit Die Tribue von Panem – The Hunger Games ihr Haus nicht mehr gewischt habe. Eine Galerie komplettiert das recht knappe Angebot – das im Übrigen nur auf der regulären Blu-ray, nicht auf der UHD-Disk enthalten ist.
Fazit
Joy – Alles außer gewöhnlich ist ein unterhaltsamer, bisweilen sehr amüsanter, oft aber auch dramatischer Film, dessen Emotionalität vor allem über eine tolle Jennifer Lawrence transportiert wird. Die zeigt erneut, dass sie deutlich mehr kann als die Panem-Diva zu geben. Und dass man als Zuschauer einem Film über eine Wischmop-Erfinderin mit Spannung verfolgt, ist ein Verdienst von David O. Russell, der ein Talent dafür hat, die Geschichte des kleinen Mannes – respektive der kleinen Frau zu erzählen.
Die UHD-Disk des Films zeigt mehr Details und wirkt etwas stimmiger und intensiver, kann aber aufgrund des stilisierten Looks keine Referenzwerte erzielen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität Full HD: 70%
Bildqualität UHD: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%
Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2015
Regie: David O. Russell
Darsteller: Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Isabella Rossellini, Édgar Ramírez, Diane Ladd, Virginia Madsen, Bradley Cooper
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts 5.1: de
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 124
Codec: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K Intermediate)
FSK: 12