Jugend ohne Gott

Blu-ray Review

OT: –

Jugend ohne Gott Blu-ray Review Cover
Highlight Communications/Universal, 08.02.2018

 


Verlogen und kalt

Wer keine Leistung bringt, wird aussortiert.

Inhalt

Zacharias gehört zwar eigentlich zur Bildungselite und ist damit privilegiert, empfindet die Welt, in der er lebt aber als sozial kalt und bigott. Nur mit Widerwillen nimmt er am jährlichen Ausbildungscamp teil, in dem die Rowald Universität unter harten Bedingungen wenige Schüler und Schülerinnen auserwählt, um an einem begehrten Standpunkt eine Ausbildung abschließen zu können. Während Zach die Sache bewusst kalt lässt, sieht die junge Nadesh das ganz anders und bewundert derweil den verschlossenen Mitstreiter. Während eines Hindernislaufs sieht sie, wie sich Zacharias mit einer Gruppe Illegaler trifft – Menschen, die aus dem System ausgebrochen sind und als Asoziale bezeichnet werden. Besonders scheint es Zach ein Mädchen namens Ewa angetan zu haben. Weil Nadesh mehr wissen will, nimmt sie sich am Abend das Tagebuch ihres Zeltgenossen. Doch bevor sie lesen kann, stört er sie dabei. Am Ende des Konflikts ist Ewa ihre Chancen auf die Qualifikation los und Zach muss das Camp verlassen. Überdies ist sein Tagebuch verschwunden. Nadesh allerdings behauptet, es nicht gewesen zu sein. Als sie Zach und Ewa noch einmal gemeinsam im Wald sieht, passiert etwas und Nadesh kehrt nicht zum Camp zurück. Man findet sie tot im Wald. Die Frage ist nun: Wer hat sie getötet …?

Ödön von Horváth schrieb seinen Roman „Jugend ohne Gott“ in den 1930ern. Veröffentlicht wurde er dann 1937, also kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. In der Vorlage ging es um die Frage der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, gegenüber Andersartigem. Interpretiert wurde dies selbstverständlich vor dem Hintergrund des Faschismus. Der Schweizer Regisseur Alain Gsponer verändert zum Teil die Figuren und verortet die Geschichte seiner Adaption in einer dystopischen Zukunft. Damit fühlt sich Jugend ohne Gott immer wieder an wie eine deutsche Version von Die Tribute von Panem und zeigt für einen deutschen Film einen erstaunlich hohen Produktionswert. Sogar die Jungdarsteller arbeiten ausnahmslos auf hohem Niveau. Natürlich geht es thematisch in der Neuinterpretation nicht um den Zweiten Weltkrieg und Hautfarben spielen auch keine Rolle. Vielmehr ist Horváths Film eine Allegorie auf die moderne Leistungs- und Ich-Gesellschaft. Hier stehen sich alle Charaktere selbst am nächsten und ein an die Seite gestellter Mitstreiter ist nur ein Hindernis am Bein. Dem hilft man nicht, man hofft nur, dass er um des eigenen Erfolges Willen nicht versagt. In der Figur des Zacharias verortet man die Hoffnung, dass sich an diesem unmenschlichen System vielleicht doch etwas ändern könnte und die am Rand lebenden „Illegalen“ sind seine Idee von einem besseren Zusammenleben.

Jugend ohne Gott springt in den Zeiten immer wieder hin und her, schildert das Geschehen jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven. Das macht die Erzählweise komplexer als es inhaltlich notwendig gewesen wäre – zumal die erste halbe Stunde ohne diese Spielereien stattfindet, sodass man beim Zuschauen zunächst irritiert wird. Hätte man diese Verschachtelung weggelassen, wäre die Gangart eher konventionell – und leider auch nicht ganz klischeefrei. So hätte man die Figur der Ewa nicht wirklich darstellen müssen wie eine zersauste Ronja Räubertochter – zumal sie unter ihren verzottelten Haaren und den angeschminkten Augenringen viel zu hübsch ist, um als ungeduschte Asoziale durchzugehen. Emilia Schüle (Boy 7) spielt Ewa aber so souverän und glaubwürdig, dass man über das ungelenk-gekünstelte Äußere schnell hinwegsieht. Auch Jannis Niewöhner (Milan aus Ostwind 2 und Ostwind 3) als Zach überzeugt in der Rolle des introvertierten Aufwieglers. Etwas zu kurz kommt zunächst Fahri Yardim, der als „Vertrauens“-Lehrer eine gewichtige Rolle spielt. Ihm folgt die Geschichte erst nach knapp 70 Minuten, wenn seine Story-Line verfolgt wird.
Was neben den Darstellern herausragend ist, sind Atmosphäre und Filmscore. Der Schauplatz in den Bergen sorgt für ein stimmungsvolles Isolationsgefühl und der elektronische Score von Komponist Enis Rotthoff hätte auch einem Hollywoodfilm gut gestanden.
Dass die Storywendungen am Ende arg vorhersehbar sind, ist sicher das größte Manko von Jugend ohne Gott, dessen Spannungsbogen dadurch ein wenig untergraben wird.

Bild- und Tonqualität

In Zachs Traum zu Beginn zeigt sich das Bild von Jugend ohne Gott massiv gelb gefiltert, was allerdings bewusstes Stilmittel bleibt und sich vom Moment des Wechsels in die Gegenwart verändert. Nun zeigt sich der Film mit einem extrem laufruhigen Bild und sehr guter Schärfe. Farben sind zwar nach wie vor etwas wärmer gehalten, wirken aber immer noch natürlich. Der Kontrastumfang ist hoch, lässt helle Bereiche schon mal etwas überstrahlen. Allerdings trägt auch das zur Atmosphäre bei.
Akustisch zeigt sich Jugend ohne Gott mit glasklaren Dialogen und einem sehr lebhaften, vornehmlich elektronischen Soundtrack. Dieser wird ebenso räumlich wiedergegeben wie die atmosphärischen Naturgeräusche im Camp und klingt in seinen besten Momenten ein wenig wie der Score zu Thron 2.0.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Jugend ohne Gott finden sich fünf Featurettes sowie neun Interviews mit den Darstellern, dem Regisseur und den beiden Produzenten. Die Featurettes klären über Story, Erzählstruktur, das Camp, die Gesellschaft der Zukunft und die Neuverfilmung eines Roman-Klassikers auf. Allerdings laufen sie jeweils nur knapp zwei Minuten und bieten nicht gerade erschöpfend viele Informationen.

Fazit

Dass deutsche Genrekino manchmal funktioniert bewies schon Who am I – Kein System ist sicher. Alain Gsponer zeigt, dass auch eine dystopische Zukunftsvision aus hiesiger Produktion mitreißen kann und den Vergleich mit den US-Vorbildern nicht zu scheuen braucht. Die Darsteller sind glaubwürdig und trotz gewisser Klischees ist die zugrunde liegende Botschaft wichtig – selbst wenn diese in Jugend ohne Gott dann doch deutlich von dem abweicht, was die Romanvorlage geliefert hat.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Bonusmaterial: %
Film: 70%

Anbieter: Highlight Communications/Universal Pictures
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie: Alain Gsponer
Darsteller: Jannis Niewöhner, Fahri Yardim, Emilia Schüle, Alicia von Rittberg, Jannik Schümann, Anna Maria Mühe, Rainer Bock, Katharina Müller-Elmau, Iris Berben
Tonformate: dts HD-High-Resolution 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Jugend ohne Gott

JUGEND OHNE GOTT - offizieller Trailer

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