Blu-ray Review
OT: Kingudamu
Für ein vereintes China
Erfolgreiche Adaption eines berühmten Mangas.
Inhalt
255 v. Christus, im Staate Qin: Vollwaise Hyou ist Sklavenjunge bei einem herrischen Bauern. Eines Tages kauft dieser auch noch den kleinen Shin, den Hyou anlernen soll. Die beiden werden schnell Freunde – vereint im Wunsch, irgendwann mächtige Generäle zu werden. Um das zu erreichen, trainieren sie täglich gemeinsam den Schwertkampf und schwören sich auf eine Zeit in Freiheit ein. Die scheint Hyou eines Tages zu erreichen, als ein Gesandter des Königs vorbeikommt und ihn freikauft. Den Grund behält er allerdings für sich. Shin trainiert nach Hyous Abreise noch härter als zuvor, um ihm irgendwann folgen zu können. Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Denn einige Zeit später fällt Hyou schwer verwundet in Shins Arme und stirbt kurz darauf. Einzig einen Zettel mit einem Treffpunkt kann er seinem Freund Shin noch mitgeben und die Botschaft mitteilen, dass ihm Verfolger auf den Fersen sind. Als Shin sich dorthin begibt, trifft er auf König Ying Zheng. Was er von ihm erfährt, weckt Shins Rachegelüste. Doch das Schicksal will es, dass sich beide zu einer Union vereinigen …
Manchmal muss man ja auch Mut zur Lücke wagen. In meinem Fall ist diese Lücke bei den Mangas zu suchen. Von den japanischen Comics habe ich ungefähr so viel Ahnung wie von der Quantenphysik – weshalb Max Planck für mich auch „nur“ als Bezeichnung eines Instituts existiert.
Kingdom allerdings hat nichts mit Quantenphysik zu tun, sondern basiert tatsächlich auf einem Manga – und zwar auf dem seit 2006 veröffentlichten und bisher 56 Teile umfassenden Kingudamu von Yasuhisa Hara. Kingudamu ist ein Seinen-Manga – also einer, der sich vornehmlich an den jungen männlichen Erwachsenen richtet. So weit, so nachgelesen.
Entsprechend ist es natürlich kein Wunder, dass auch die Filmadaption der Mangavorlage ihre Konzentration auf den jungen Sklaven Shin (im Original: Xin) legt. In 134 Minuten versucht der Film zu kondensieren, was der Manga in weit epischerer Breite erzählt und die ebenfalls existierende TV-Comic-Serie auf bereits 77 Episoden ausgedehnt hat.
Historisch spielt die Geschichte zur Zeit der streitenden Reiche in China (vgl). Diese fand von 475 v. Chr. bis 221 v. Chr. statt und war geprägt durch intensive kriegerische Auseinandersetzungen von (später) sieben Fürstentümern. Manga und Film konzentrieren sich auf das Ende dieser Phase, das letztlich zur Vereinigung Chinas unter den Qin – und damit zur Ära der Kaiserdynastien führte.
Kingdom bezieht sich tatsächlich teilweise auf real existierende Figuren wie Ying Zheng, addiert aber natürlich auch fiktive Rollen hinzu. Als Kampfkunstfilm funktioniert das über weite Strecken ziemlich gut. Vor allem, weil die Choreografien teils atemberaubend sind und Freunde der grenzüberschreitenden Physik auf ihre Kosten kommen. So fliegen die Kontrahenten bisweilen so artistisch durch die Luft als wäre man in einem Film von Zhang Yimou. Gleichzeitig liefert der Film teilweise Bilder von epischer Breite, die von der Kamera stimmungsvoll eingefangen werden.
Ob’s wirklich eine monsterartige Kreatur (der Attentäter) gebraucht hätte (die etwas aussieht wie die Konstrukteure aus Scotts Prometheus) sei mal dahingestellt. Allerdings machen seine Kampfkünste durchweg Spaß.
Wenig Spaß macht dagegen die Charakterisierung des Hauptdarstellers. Der hektisch überagierende und ständig rumbrüllende Kento Yamazaki in der Rolle des Shin benimmt sich wie ein überheblicher Angeber. Eine Identifikation mit ihm und seiner Mission fällt dem europäischen Filmliebhaber, der mit diesem Overacting nicht so klar kommt, ziemlich schwer. Im Falle von Ryô Yoshizawa in der Rolle des Hyou, bzw. später als Ying Zheng liegt das Ganze anders. Sein Schauspiel ist entspannter, weiser und vor allem leiser. Als Konterpunkt zum unsympathischen Shin ist er für den Zuschauer ein größerer Orientierungspunkt.
Frauenrollen finden zwar statt, werden aber nur bedingt sorgfältig gezeichnet. He Liao Diao wirkt ohnehin knabenhaft und darf nur in einem albernen Hühnerkostüm herumlaufen. Da bleibt kaum Möglichkeit zur Charaktervertiefung.
Immerhin gibt’s aber immer mal wieder rasante Actionszenen: Der Zweikampf im Bambuswald nach etwas über einer Dreiviertelstunde ist wirklich grandios, das muss man schon sagen. Wenn die beiden schwerelos über den Boden und in der Luft schweben und dabei eine irrsinnige Geschwindigkeit an den Tag legen, macht das schon was her.
Leider gibt’s in den 135 Minuten aber eben auch immer wieder Leerlauf. Bedingt durch eingeschobene Rückblenden oder Ausflüge in eher obsolete Szenarien wie jene des Bergvolks. Letzteres scheint zunächst auch nur dazu zu dienen, dass Shin noch mehr rumbrüllen kann – und das nervt nach spätestens 70 Minuten dann doch gewaltig.
Immerhin resultiert aus dieser (zu langen) Szene aber das Kennenlernen mit Yang Duan He. Und die darf mit Kampfamazonen-Attitüde wenigstens zünftige Action liefern – wenngleich auch ihre Rolle ziemlich unterbelichtet bleibt.
Macht am Ende aber auch (fast) nichts, denn während des finalen Kampfes der Heere hat man ohnehin keine Zeit mehr, über mangelnde Charakterzeichnung zu klagen. Vielleicht übt man dann eher Kritik an der Henkersfigur, die wirkt, als hätte man Grendel aus Robert Zemeckis animiertem Die Legende von Beowulf per Gummikostüm zum Leben erweckt – zu blutigem Leben, wohlgemerkt. Denn der Lebenssaft fließt durchaus reichhaltig, was die 16er Freigabe durchaus rechtfertigt.
Bild- und Tonqualität
Kingdom wirkt mit seiner feinen Körnung ein bisschen, als sei er analog gefilmt worden. Letztlich war das aber nicht gesichert in Erfahrung zu bringen. In dunklen Sequenzen nimmt die Körnung noch einmal zu und wuselt doch erheblich sichtbar (18’30). Wenn mehr Licht im Spiel ist, gefällt die Blu-ray allerdings mit kontrastreichen Farben und einer sehr angenehmen Schärfe. Durch die Körnung wirkt Kingdom dann authentisch filmisch und nicht zu glattgebügelt digital. Leider versumpfen Details im Schwarz bisweilen und helle Bereiche überstrahlen auch schon mal. Dazu sind schwarze Bereiche grünlich eingefärbt und wirklich nicht sehr satt (34’50) – hier wäre etwas mehr Ausgewogenheit schön gewesen. Die durchweg hohe Datenrate des AVC-Codec lässt allerdings keinerlei Artefakte oder gar Banding zu. Dafür gibt’s ein ausdrückliches Lob.
Akustisch hält die Blu-ray jeweils eine dts-HD-Master-Spur in Deutsch und Japanisch parat. Deren Räumlichkeit kann sich durchaus hören lassen – beispielsweise, wenn das Heer von 80.000 Soldaten seinen Schlachtruf erklingen lässt (57’50). Fein und detailliert werden die Geräusche der Pfeile wiedergegeben, die durch den Bambuswald zischen und Shin nur knapp verfehlen. Hin und wieder wird es sogar etwas druckvoll, wenn das Monster den Kopf eines Unglücklichen auf einem Stein zermalmt. Oder auch, wenn Generals Wang Qis Armee auf ihren Pferden durch das Bild galoppiert (61’28). Effektvoll wird’s wieder, wenn das Bergvolk von den Felsen springt und sämtliche Lautsprecher dabei einbezogen werden.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial der BD finden sich nur die Originaltrailer und ein paar Programmtipps. Das Steelbook enthält überdies auch die DVD des Films.
Fazit
Kingdom hat durchaus seine unterhaltsamen Momente und liefert bisweilen tolle Kampfkunst. An anderer Stelle ist er aber zu lang geraten und sein Hauptdarsteller ist ziemlich anstrengend. Fans der Manga-Vorlage greifen dennoch bedenkenlos zu, während ich mir jetzt mal ein paar Artikel zur Quantanphysik durcharbeite, um Gleichstand zu schaffen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 10%
Film: 60%
Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: Japan 2019
Regie: Shinsuke Sato
Darsteller: Kento Yamazaki, Ryô Yoshizawa, Masami Nagasawa, Kanna Hashimoto
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, jp
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 134
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Capelight Pictures)
Trailer zu Kingdom
Bei der ofdb ist der Link zur Review auf der falschen Seite: er befindet sich auf der Seite der koreanischen Netflix-Serie mit dem selben Titel.
Danke für den Hinweis.
Jetzt steht der Link auch an der richtigen Stelle.
sorry, mein Kommentar bezog sich auf den Film „Shadow“ nicht Kingdom
Kleiner Tipp: einfach mal die Eröffnungssequenz auf Mandarin in TrueHD Atmos 7.1 reinziehen. Richtig krass abgemischt und kommt bestimmt auf eine der nächsten Dolby Atmos Demo Discs 😉