Blu-ray Review
OT: Kingsman – The Secret Service
Massenschlägerei
Er muss nur noch mal kurz die Welt retten …
Inhalt
Harry Hart ist unter seinen Arbeitskollegen nur als „Galahad“ bekannt, denn er ist Mitglied der Kingsmen. Die Kingsmen sind derart geheim, dass nicht mal der MI6 von ihnen weiß, eine geheime Geheimdienstorganisation also. Leider verlor er bei einem Einsatz vor einiger Zeit einen Kollegen bei einem Einsatz. Nun, siebzehn Jahre später, meldet sich dessen Sohn bei Harry und der hält den Nachkömmling für einen geeigneten Kandidaten auf des Vaters Stuhl. Zumal gerade mehrere Berühmtheiten entführt wurden und ein umtriebiger Internet-Milliardär einen perfiden Plan entwickelt hat: Mit Hilfe eines Chips, den er über Gratis-Handyverträge an jeden Menschen der Erde verteilen will, ist er in der Lage, direkt auf das Aggressionszentrum der Besitzer einzuwirken. Die gesteuerten Auswirkungen könten die Auslöschung der Menschheit nach sich führen …
Nach all den ernsten, wohl aber erfolgreichen Agentenfilmen der letzten Jahre, fragte sich Matthew Vaughn, warum man das Genre nicht mal wieder etwas humorisieren könnte. Also nahm er sich nach Kick-Ass erneut einen Comic von Mark Millar, veränderte ein paar Dinge und realisierte mit Kingsman – The Secret Service eine ebenso schwarze wie bissige und überraschend blutige Agentenparodie. Mit teils unglaublich brillant choreografierten und inszenierten Kampfszenen lässt er mal locker eben sämtliche Kinnladen der Zuschauer runterklappen und sorgt für intensive Spannung, wenn die Rekruten im Tiefflug nicht wissen, wessen Fallschirm sich eventuell nicht öffnen wird. Dabei gelingt es Vaughn praktisch spielend, die älteren Anhänger von Genrefilmen mit jener jungen Klientel zu harmonisieren, die vornehmlich auf lockere Sprüche und Action steht. Für Letztere spielt Taron Egerton, den man in England aus der Serie The Smoke kennt und der mit großen Sneakerboots und riesiger Schirmmütze genau die jugendliche Naivität und Rebellion mitbringt, die ein angehender Agent haben muss, damit man seine Wandlung entsprechend nachvollziehen kann. An seiner Seite stehen gestandene britische Darsteller wie Mark Strong, Colin Firth und Michael Caine – passender hätte man Kingsman nicht besetzen können. Leider – und das ist das einzig echte Manko des Films – ist der Antagonist eine lispelnde Schießbudenfigur. Es mag sein, dass Richard Valentine auch in der (Comic)Vorlage so angelegt ist (zumindest lispelt Samuel L. Jackson auch im Original derart albern), doch wirkungsvoll oder gar bedrohlich wird der Bösewicht dadurch nicht. Vaughn sagt im Bonusmaterial, dass es in den guten Agentenabenteuern vor allem immer auf den Bad Guy und dessen Motive ankommt. Valentines Motive kommen aber erst nach 90 Minuten ans Tageslicht und bis dahin muss man immer an sich halten, wenn er auf der Leinwand auftaucht und vor sich hin zischelt. Das ist vor allem deshalb schade, weil der Hintergrund durchaus kontrovers ist. Wenn man die Figur mit mehr Ernsthaftigkeit angelegt hätte, dann wäre es für den Zuschauer leichter gewesen, sich ebenfalls im Zwiespalt zwischen Gut und Böse zu bewegen. So muss man sich an dessen rechte Hand halten, die als ziemlich giftige „Gazelle“ für abgetrennte Gliedmaßen en masse sorgt.
Aber mal abgesehen von Valentines Figur ist Kingsman – The Secret Service ein Film, der gleich am laufenden Band Überraschungen präsentiert. Die comichaft überzeichnete Härte kennt man zwar schon aus Kick-Ass, was Vaughn hier aber bei Valentines Feldversuch in der Kirche abfeuert, ist ein Kampf- und Splatterereignis, das im filmischen Mainstream seinesgleichen sucht. Dazu passt dann das moderne Elemente, wenn im Finale Eggsy übernimmt und in Manier eines kompromisslosen Videogames durch die Herrscharen von Gegnern pflügt. Die größte Überraschung aber ist Colin Firth: Wer hätte jemals gedacht, dass der distinguierte, auf romantische oder dramatische Rollen abonnierte Brite einen Agenten spielen könnte, der mit behender Wendigkeit und ultraschnellen Reaktionen innerhalb von zwei Minuten sechs Vorstadtgangster mit Hilfe eines Regenschirms ausschalten könnte? Was Firth hier abliefert, muss dem Mimen unfassbaren Spaß gemacht haben, denn den sieht man ihm in jeder Sekunde an. Man sollte ihn öfter gegen den Strich besetzen. Auch Mark Strong unterhält prächtig als jederzeit kontrollierter Merlin, der im Hintergrund die Logistik der Kingsmen steuert und dabei selten eine Mine verzieht. Dass man ein bisschen Fan der comichaften Übersteigerung sein muss, die schon Kick-Ass auszeichnete, sollte klar sein, denn Kingsman ist nichts für Feingeister – und das, obwohl Elemente von Mit Schirm, Charme und Melone durchaus vorhanden sind. Dabei bleibt es aber nicht, denn dazu gesellen sich Filmzitate aus einigen Bond-Abenteuern bis hin zu Star Wars oder Shining.
Bild- und Tonqualität
Wie so oft in den letzten Monaten so leidet auch Kingsman unter deutlichen und fast permanenten Randunschärfen im unteren Bildbereich. Beine und Füße sind trotz gleicher Ebene mit den scharf abgebildeten Gesichtern grundsätzlich vollkommen fokusfrei. Auf der Habenseite stehen dafür satte Kontraste, tolle Schwarzwerte, ein leicht bräulicher Farbfilter und sehr natürliche Gesichtsfarben. Die Bildruhe ist hoch, Rauschen oder Körnung fallen nicht ins Gewicht.
Wieder mal ein Top-Film-Highlight mit spektakulären Soundeffekten, dem der deutsche Anbieter keine hochauflösende Tonspur mitgab. Es ist wirklich ein leidiges Thema. Selbst wenn einige dts-Spuren ähnlich gut klingen, wie es ihre dts-HD-Pendants tun, ist es ärgerlich. Andere Anbieter bekommen es ja auch flächendeckend hin. So muss Kingsman – The Secret Service in der deutschen Fassung eben mit regulärem dts-Sound leben, der bedeutend leiser und in diesem Fall auch weniger gut aufgelöst und dynamisch klingt. Aber mal weg von diesem nervigen Problem: In Sachen Nutzung der Effektlautsprecher macht dem Film so schnell keiner was vor. Auch dynamisch kann Kingsman Akzente setzen – sei es in Sachen Filmmusik, die äußerst druckvoll daherkommt oder bei Explosionen, die das Heimkino erfüllen. Das Ganze ist allerdings auf der englischen Spur noch einen Hauch akzentuierter und Jacksons eigenes Lispeln ist dann doch etwas weniger enervierend als jenes seines angestammten Synchronsprechers.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Kingsman – The Secret Service besteht aus einem sechsteiligen Making-of mit dem Titel „The Secret Service Revealed“. Gute 90 Minuten läuft das Ganze, unterhält ebenso gut wie der Film selbst und gibt beispielsweise zu Protokoll, dass Regisseur Matthew Vaughn Teile der Idee des Films entwickelte, während er beim Schneider (eben jenem Laden, in dem die Protagonisten im Film eine Etage tiefer fahren) seine Maße nehmen ließ. Auch ansonsten werden fast sämtliche Details geklärt – ein tolles Making-of!
Fazit
Während die jüngeren Bond-Abenteuer zwar sehr gelungen sind, lassen sie doch etwas den augenzwinkernden Humor der ursprünglichen Connery- oder Moore-Missionen vermissen. Kingsman – The Secret Service kombiniert dagegen eine optische Härte mit überzogener Inszenierung und comichaften Figuren. Das lässt Vaughns Film extrem modern erscheinen und sorgt vor allem für zwei Stunden beste Unterhaltung. Bei soviel bewiesenem Mut in Sachen optischer Gimmicks darf Kingsman dann auch gerne im Finale ein Feuerwerk aus hunderten explodierenden Köpfen abfackeln.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 80%
Film: 85%
Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Matthew Vaughn
Darsteller: Colin Firth (Harry Hart), Samuel L. Jackson (Richard Valentine), Mark Strong (Merlin), Taron Egerton (Gary ‚Eggsy‘ Price), Sir Michael Caine (Arthur), Sofia Boutella (Gazelle), Sophie Cookson (Roxy), Mark Hamill
Tonformate: dts HD-Master 7.1: en // dts 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 129
Codec: AVC
FSK: 16