Blu-ray Review
OT: Knives Out
Im Loch des Donuts
Herrlich altmodischer und grandios gespielter Krimi in bester Detektiv-Tradition.
Inhalt
Krimi-Autor Harlan Thrombey wird 85. Ein Grund zum Feiern. Alle kommen. Verwandte und Angestellte des recht wohlhabenden Mannes. Doch am Morgen nach dem Fest gibt es eine traurige Überraschung. Haushälterin Fran findet ihren Chef mit aufgeschlitzter Kehle auf seinem Sofa auf. Für die Polizei scheint es zunächst ein Fall von Selbstmord zu sein. Doch irgendjemand scheint Interesse an einer genaueren Aufklärung der Sache zu haben und engagiert den Privatermittler Benoit Blanc. Während sich die Familie nach der Beerdigung auf dem Anwesen Thrombeys einfindet, beginnt er mit Befragungen. Und es dauert nicht lange, bis klar wird, dass Friede-Freude-Eierkuchen bei Harlans und seinen Angehörigen eher Fremdworte waren. Ob es geheime Liebschaften waren, die Harlan auffliegen lassen wollte, die Entlassung seines Sohnes Walt aus dem Familienunternehmen, oder Auseinandersetzungen mit dem Enkel – offenbar hatte praktisch jeder ein Motiv für den Mord am Patriarchen. Als Gradmesser für Lügen gilt dabei Harlans Pflegerin Marta. Marta muss sich übergeben, wenn sie lügt, weshalb Blanc sich von ihr die Geschichten (oder Lügen) der Angehörigen „bestätigen“ lässt …
Was musste sich Rian Johnson nach Star Wars: Episode VIII – Die letzten Jedi von den Fans des Lucas’schen Franchise anhören. Was wurde er teils offensiv und öffentlich angefeindet und musste sich letztlich mehrfach gewissen Vorwürfen stellen und erwehren. Trotzdem steht er bis heute zu seiner Idee des mittleren SW-Films der jüngsten Trilogie.
Rückgrat und Überzeugung hat er also, dieser Johnson. Und er kann ein wirklich guter Geschichtenerzähler sein. Insbesondere, wenn er nicht im Star-Wars-Universum unterwegs ist. Mit Brick oder Brothers Bloom hatte er bewiesen, dass er spannende und vertrackte Geschichten schreiben und gleichzeitig inszenieren kann. Und mit dem zwar etwas unglücklichen Looper zeigt er zudem, dass er ein großer Freund von Überraschungen ist.
Mit Knives Out legt er nun sein bisheriges Meisterstück vor. Ganz den klassischen Agatha-Christie-Krimis verpflichtet erdachte er sich ein Szenario, das nicht von ungefähr an Mord im Orient-Express erinnert und als zentrales Motiv ein „Whodunit“ nutzt. Doch dabei belässt Johnson es nicht. Natürlich geht es ihm einerseits um die Suche nach dem Mörder, während die Fakten und (teils frühen) Offenbarungen die Geschichte immer wieder Haken schlagen lassen.
Doch die reine Krimi-Geschichte mit Detektiv, Opfer und Tatverdächtigen wäre ihm zu oberflächlich gewesen. Deshalb nimmt er das Motiv der Mördersuche, um unter der Oberfläche wahre (Familien)Dramen zu entfachen und politische Spitzen zu verteilen – vor allem die Einwanderungspolitik unter Trump kriegt ihr Fett weg.
Schon lange war kein Film dabei mehr mit solch geschliffenen und scharfzüngigen Dialogen ausgestattet – kein Wunder, dass man hin und wieder an Woody Allen denken muss.
Geschickt verwebt Knives Out dabei Intrigen, Mörderhatz, Verdächtigungen und Gesellschaftskritik zu einem Kammerspiel, das von einem fast schon absurd prominenten Ensemble getragen wird. Dass die versammelten Damen und Herren allesamt auch noch ihr ansonsten schon hohes schauspielerisches Niveau übertreffen (oder seit langer Zeit mal wieder erreichen), hebt den Film nochmals in höhere Sphären.
Daniel Craig, der die Rolle noch vor dem neuen Bond darstellen konnte, ist als Detektiv idealbesetzt und hat sichtlich Freude daran, Pflegerin Marta zu quälen. Ana de Armas, die als Marta ihre jugendlichen Charme in die Waagschale wirft, gibt sich naiv und unschuldig, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Jamie Lee Curtis als älteste Tochter Linda bringt einen mondänen Touch in das Ganze und der immer großartige Michael Shannon ist als zermürbter und geschasster Sohnemann schön mürrisch. Don Johnson als Schwiegersohn ist so gut, wie er es bisher vermutlich noch nie gewesen ist und selbst ein Chris „Captain America“ Evans zeigt sich mal von einer ganz anderen Seite.
Es ist einfach eine Freude, diesem theaterhaften Schauspiel aller Beteiligten beizuwohnen, das Toni Collette als Schwiegertochter Joni auf die Spitze treibt, wenn sie erfährt, dass sie keine doppelten Auszahlungen für die Studiengebühren der Tochter mehr erhalten wird.
Es muss gar nicht unbedingt vordergründig witzig sein, um blendend und humorvoll zu unterhalten. Die Komik, die beispielsweise durch die Dynamik zwischen Benoit und Martha entsteht, wenn er sie als Lügendetektor missbraucht, ist schon großartig.
Und wenn Ermittler Lt. Elliott analysiert, dass anhand der Situation und der Anzahl Verdächtiger der „Gute (gemeint ist Harlan senior) auf einem Cluedo-Brett gewohnt habe“, gibt’s auch noch augenzwinkernde Popkultur-Zitate.
Und im Grunde hat er Recht. Denn nicht nur der personelle Ringelreigen erinnert an das Detektiv-Spiel, sondern vor allem auch die Optik.
Denn was Produktionsdesigner David Crank und Set-Dekorateur David Schlesinger hier an Details, Ausstattung und Atmosphäre erschaffen haben, hätte ihne eine Oscar-Nominierung sichern müssen. Skandal, dass es nicht so gekommen ist.
Doch auch ohne Oscar-Auszeichnung feierte Knives Out einen erstaunlichen finanziellen Erfolg. Und wenn sich Publikum UND Kritiker einig sind, ist es nicht verwunderlich, dass Rian Johnson sich in diesem Erfolg noch ein bisschen sonnen möchte. Eine Fortsetzung mit Ermittler Benoit Blanc jedenfalls ist bereits in Planung.
Bild- und Tonqualität BD
Korn, Korn und wenn man genau hinschaut: Noch mehr Korn …
Das Bild der Blu-ray von Knives Out ist geprägt von Korn. Von Rauschen. Von brutalen Unruhemustern auf Himmelshintergründen und Gesichtern.
Kein Wunder, hat man den Film doch analog … ähm … ups … nein, digital gefilmt (bis auf wenige Ausnahmen).
Was nicht nur für die Körnung, sondern auch für den generellen Look des Films zutrifft, ist die Tatsache, dass man ganz offensichtlich trotz digitaler Basis so nahe wie möglich an ein filmisch-authentisches Erlebnis heranführen wollte, was die Stimmung der großen 60er und 70er Jahre Detektiv-Geschichten angeht. Kameramann Steve Yedlin unterstreicht das mit seinen Einstellungen und die Postproduktion tat es ihm gleich.
Herausgekommen ist dabei ein (vor allem in Outdoor-Szenen) nachträglich mit teils extremer Körnung versehener Film, der es auf der Blu-ray mit seinem Stilmittel bisweilen übertreibt. Außenaufnahmen wirken oft, als regne es in Strömen. Das ist dann mitunter so auffallend, dass es vom Geschehen ablenkt – selbst wenn die unterliegende Schärfe in den vielen Close-ups von Gesichtern gut gelungen wirkt. Der Vergleich mit der UHD (unten) wird aber offenbaren, dass das hinzugefügte Korn Details verschluckt/übertönt. Farblich wird ebenfalls ein oldschool-Look entworfen, der in Rückblicken und dunkleren Szenen bräunlich dominiert ist und Farben in den Außenszenen etwas entsättigt. Schön kräftig ist hingegen das fuchsiarote Kleid von Linda, das alle anderen Farben völlig in den Schatten stellt. Kontraste sind in helleren Szenen noch ausgewogen, in dunkleren sumpft Schwarz schon mal ab.
Knives Out erscheint hierzulande leider „nur“ mit dts-HD-Master-Spuren für Blu-ray und UHD, wohingegen die US-BD und -UHD von Lionsgate mit englischem Atmos aufwarten kann. Jetzt darf man sich natürlich nicht ganz zu Unrecht fragen, ob’s wirklich eine Atmos-Spur für einen derart dialogkonzentrierten Film braucht, dessen Story weitgehend durch Befragungen und Gespräche getragen wird. Schon die vorhandenen dts-HD-Master-Fassungen sind nicht gerade überbeschäftigt. Beginnen tut das Ganze mit flirrenden Geigen, die sich sehr präsent auf sämtliche Speaker legen, bevor nach 2’48 der eigentlich Film nach dem Intro losgeht.
Die Musik- und Score-Szenen sind es dann auch, die hier eine gewisse Dynamik und Räumlichkeit produzieren. Während der Rückblicke dominiert oft Partymusik im jazzigen Stil. Ab und an werden Türen mal wuchtig zugeschlagen und bei den Outdoor-Szenen hört man eine hübsche Naturkulisse unterschiedlicher Vogelgeräusche, Froschquaken und Grillenzirpen.
Oftmals sind es aber genau die feinen und leisen Geräusche, die hier für Stimmung sorgen. Das leise Ticken der Uhr im Zimmer, in dem die Vernehmungen stattfinden oder das Rauschen in der Waschküche nach 97 Minuten.
Dazu gelangen die Stimmen während sämtlicher Gespräche oder Außenszenen gut verständlich und mitunter sehr präsent rüber. Ein wenig mehr Volumen hätte ihnen aber nicht geschadet, um diesen dialogbasierten Film in diesen Belangen zur Stimm-Referenz werden zu lassen – und vor allem, um gegen die im Verhältnis überbetonte Filmmusik anzukommen.
- Die Festplatte hat englisches Audio.
Bild- und Tonqualität UHD
Knives Out wurde, wie oben angemerkt, tatsächlich (hauptsächlich) digital gedreht. Zum Einsatz kam meist die Arri Alexa Mini. Hinzu (in einigen Szenen) die Alexa 65 sowie eine Panavision PSR, also eine alte analoge Kamera, für (offenbar) genau eine Szene.
Die 3.4K und 5.1K, die aus den Digitalkameras kamen, wurden allerdings über ein 2K-Digital-Intermediate finalisiert, was die UHD zu einem Upscale macht. Integriert wurden dann noch die dynamischen Kontrastformate HDR10 sowie Dolby Vision und natürlich ein im Rahmen von Rec.2020 erweiterter Farbraum.
In der Praxis fällt vor allem eins auf: Die Körnung ist weit weniger auffällig als bei der Blu-ray. Wirklich WEIT weniger. Was bei der BD wirklich störend und ablenkend übertrieben ist, kommt bei der UHD äußerst filmisch und authentisch rüber. Auch hier sind’s die Außenszenen und Himmelshintergründe, die etwas stärker körnen, aber das ist dennoch viel besser und angenehmer anzuschauen als bei der Blu-ray. Selbst Fans von analogem Filmlook werden attestieren müssen, dass die UHD hier authentischer wirkt und harmonischer, während die Blu-ray einfach zuviel des „Guten“ tut.
In Sachen Color Grading unterscheiden sich Farben und deren Tiefe nur bedingt. Die Grundhelligkeit ist etwas geringer, was in hellen Außenaufnahmen für eine bessere Durchzeichnung im Himmel sorgt. Echte Highlights bleiben aber schon aufgrund der relativ geringen Helligkeit der Disk aus (Maximale Lichtstärke 274 Nit).
Was man sehr gut erkennen, kann, wenn man sich näher ans Bild begibt oder in Pausen-Einstellungen Details anschaut: Die UHD wirkt aufgrund des feineren, weniger auffälligen Korns zwar etwas softer (im Sinne von: Nicht so harsch/hart), zeigt aber MEHR Details. Denn wo die Klarheit von Schriften/Buchstaben/Zahlen bei der Blu-ray sichtbar vom hinzugefügten Korn überlagert wird, zeigt die UHD diese Details wieder. Es scheint also so, dass die UHD nicht (ausgehend von der Postproduktion der Blu-ray) rauschgefiltert wurde, sondern ein eigenständiges Master mit eigenständiger (und geringerer/feinerer) nachträglicher Körnung bekam.
Dolby Vision unterscheidet sich bei Knives Out nur sehr geringfügig von HDR10. Farben wirken eine Spur kräftiger, Schwarz etwas betonter. Das sind allerdings Nuancen, die schon alleine durch unterschiedliche DV-Presets im TV beeinflusst sein könnten.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD ist ruhiger und weniger grobkörnig. Dazu sind Farben etwas kräftiger.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): … punktet die UHD hier wieder mit mehr Details im Himmel. Haus und Wiese kommen kontraststärker rüber.
UHD Dolby Vision (Slider ganz nach links): Dolby Vision wirkt gesättigter in den Farben und dadurch dynamischer.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD erscheint auch hier ruhiger und souveräner. Das leichte Abdunkeln sorgt für etwas kräftigeren Teint.
UHD Dolby Vision (Slider ganz nach links): Auch hier holt Dolby Vision noch mal etwas mehr Brillanz und Dynamik raus. Farben sind kräftiger, die Brille wirkt dreidimensionaler.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): … und den hier wesentlich ruhigeren blauen Hintergrund über die UHD.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Während die UHD hier das viel ruhigere Blatt ausspielt.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD kann das besser. Man könnte meinen, sie wirke im direkten Vergleich softer, was aber bei genauem Hinsehen tatsächlich ein Mehr an Auflösung an Detailgrad ist.
- Die Festplatte hat englisches Audio.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Knives Out ist ziemlich üppig ausgefallen. Beginnen tut’s (neben dem beiden Audiokommentaren auf der Film-Blu-ray) mit einem achtteiligen Making-of, das gut 115 Minuten Spielzeit hat und sich nahezu um alle Produktionsaspekte wie das Cast, den Look oder die finale Vermarktung des Films kümmert.
Weiter geht es mit zwei deleted Scenes (wahlweise kommentiert) sowie mit einem Feature über Regisseur Rian Johnson, „Planning the Perfect Murder“, das ihn beschreiben lässt, wie strukturell diszipliniert er das Skript angegangen ist. Anschließend daran gibt’s noch ein Director and Cast Question and Answer anlässlich einer Kinopremiere sowie Trailer und Viral Ads.
Leider sind sämtliche Featurettes nicht untertitelt, was beim zweistündigen Making-of wirklich schade ist.
Fazit
Knives Out ist altmodisch anmutende, unter der Oberfläche aber brodelnde Krimi-Unterhaltung in bester Agatha-Christie-Manier, das von einem grandiosen Ensemble getragen wird. Mit Leichtigkeit reiht sich Johnsons jüngster Drehbuch-/Regiestreich unter den Top 5 der Filme dieses Jahr ein.
Die UHD bietet dazu das durchweg homogenere Bild, da es wesentlich weniger stark mit künstlichem Rauschen belegt wurde und die angenehmeren Kontraste liefert.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 75%
Bildqualität UHD: 80%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 70%
Film: 90%
Anbieter: Leonine Distribution
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Rian Johnson
Darsteller: Daniel Craig, Chris Evans, Ana de Armas, Jamie Lee Curtis, Michael Shannon, Don Johnson, Toni Colette, Christopher Plummer, LaKeith Stanfield, Katherine Langford, Frank Oz
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 131
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Disk-Kapazität: BD-66/BD-100
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10, Dolby Vision
Maximale Lichtstärke: 274 Nit
FSK: 12
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Leonine Distribution)
Ich teile das Review als Besitzer der BlueRay absolut und bin froh hier bei dem Reviewer meines Vertrauens verstanden zu werden.
Coole Story wie bei dem Escape Game, dazu viel verwirrendes Beiwerk (Nerdsohn) und überzeugendem Daniel Craig.
Allerdings missfällt mir die Tonmischung.
Nie musste ich den Pegel derart hochdrehen um die Sprache verstehen zu können.
Ganz zu schweigen von dem Bild. Mehrfach habe ich versucht die Einstellungen zu korrigieren wegen dieser verstörenden Körnung. Als hätte ich wieder meinen alten Röhrenfernseher.
Alles in Allem ein durchwachsenes Erlebnis, welches dem Hype als Mega Blockbuster leider nicht gerecht wird.
Der Film gefällt mit wirklich sehr gut und hat mich über die gesamte Spielzeit sehr gut unterhalten.
Bild und Ton sind allerdings nicht zeitgemäß
Liebe Grüße
Im Vergleich ist die Streaming-Variante bei iTunes (nur in HD) allerdings völlig clean und messerscharf. Hatte mich schon über die Disc-Reviews gewundert und über den Korn-Einsatz, der bei Apple überhaupt nicht zu sehen war.
Sehr interessant. Stellt sich die Frage, ob Apple etwas anderes angeliefert bekommt oder selbst reinfummelt und ein DNR drüber laufen lässt.
Habe ihn im Kino gesehen und war begeistert. Bei der Blu frage ich mich wird soetwas nicht kontroliert bevor das Produkt rausgeht? Der Ton in DTS na ja solange er sich gut anhört kann man damit leben. Aber das Bonusmaterial ohne deutsche Untertitel geht garnicht. Ich kann und verstehe die Englische Sprache nur wenn der Darsteller am nuscheln ist bin ich froh das es Untertitel gibt. Werde mir den Film erst nochmal ausleihen und dann entscheiden ob er gekauft wird.