La Abuela – Sie wartet auf dich

Blu-ray Review

Koch Films, 07.04.2022

OT: La Abuela

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Dein Herz ist mein

Paco Plazas jüngster Gruselfilm ist eine kluge Parabel über den Jugendwahn.

Inhalt

Waren immer eng verbunden: Pilar und Susana

Die junge Susana ist Vollwaise und beginnt gerade eine erfolgreiche Karriere als Model. Man sagt ihr eine glänzende Karriere voraus, was auch daran liegt, dass sie als Mensch aus der Masse heraussticht. Susana hat allerdings kaum familiären Rückhalt. Denn ihre einzige Bezugsperson ist Großmutter Pilar. Zuletzt musste sie ihr jedoch telefonisch einen Besuch zum Geburtstag absagen, da sie in Paris ein Engagement hat. Prompt scheint sich das zu rächen, denn kurze darauf wird Susana angerufen, weil Pilar eine Hirnblutung erlitten hat. Augenblicklich lässt das junge Model alles stehen und liegen und reist nach Madrid. Oma Pilar ist fortan pflegebedürftig und braucht Betreuung. Susana übernimmt das zunächst wie selbstverständlich und kümmert sich um die Oma – allerdings in der Hoffnung, eine professionelle Pflegekraft organisieren zu können, damit sie ihr Leben in Paris nicht komplett aufgeben muss. Entsprechend zieht sie mit in das Madrider Appartement der Großmutter und richtet sich in ihrem alten Kinderzimmer ein. Kostet die Pflege der alten Frau schon viel Kraft, wird es zunehmend unheimlicher in der alten Wohnung. Je länger sie bei ihr bleibt, desto mehr häufen sich schwierige Momente. Pilar wird zunehmend desorientierter, reagiert mitunter aggressiv und Susana beginnt, die Geduld zu verlieren. Im Laufe der folgenden Tage hat Susana mehrere beunruhigende Albträume. Eines Tages entdeckt Susana außerdem eine junge Frau namens Eva, die Pilar besucht. Eva erzählt ihr, dass sie die Nichte von Pilars bester Freundin Julita ist und dass sie und Susana sich schon einmal getroffen haben. Daran kann sich Susana aber nicht erinnern. Als sich dann seltsame Dinge in der Wohnung ereignen, bekommt es Susana nachhaltig mit der Angst zu tun …

Oma verhält sich seltsam

Paco Plaza darf als so etwas wie der große Hoffnungsträger des spanischen Grusel- und Horrorfilms gelten. Als er 2007 mit [Rec] das Subgenre des Infizierten-/Zombiefilms tatsächlich mit frischem Blut anreichern konnte, durfte man ihm schon eine große Zukunft im Genrefilm prophezeien. Diesen festigte er dann mit [Rec]² und [Rec]³ sowie zuletzt mit Verónica – Spiel mit dem Teufel. Dem Ouija-Brett-Reißer eilte der (Marketing)Ruf des „gruseligsten Horrorfilms“ aller Zeiten voraus. Angeblich gäbe es „Verónica-Mutproben“ und viel hätten den Film nicht überstanden. Witzig, dass dieser Mythos erst aufkam, nachdem der Film Anfang 2018 bei Netflix startete. Anbieter Koch Films, der ihn auf Blu-ray bereits im Oktober 2017 herausbrachte, hatte mit dieser effektheischenden Schlagzeile noch nichts zu tun. Wie auch immer solche Mythen entstehen, Verónica war durchaus gruselig und ein viel besserer Ouija-Grusler als alle US-Vertreter dieser Gattung zusammengenommen. Der gruseligste Film aller Zeiten war er keineswegs – zumal diese Mär nur darauf beruhte, dass Netflix-Analysen zeigten, es ist der am häufigsten abgebrochene Film beim Streaming-Anbieter. Das KANN man auf den Gruselfaktor zurückführen, aber auch auf einen wesentlich uncharmanteren Grund rückschließen lassen. Gut vier Jahre nach Veronica legt Paco Plaza nun nach und bedient sich ein Stück weit des Bodyhorror-Subgenres. Mit La Abuela – Sie wartet auf dich nutzt er ein intimes, sehr privates und über weite Strecken verletzliches Szenario.

Kann sich Susana ausreichend um die Oma kümmern?

Das Motiv des Jugendwahns und der Zwangsvorstellung der ewigen Schönheit steht jenem der Furcht vor dem Altwerden, der Alterspflege und einer Generationenverpflichtung gegenüber. Das kann vor allem für Menschen sehr intensiv werden, die sich in einer ähnlichen Pflege- oder familiären Situation befinden, ist aber vor allem ein böser Kommentar auf die Oberflächlichkeit der heutigen Gesellschaft. Während Susana stolz in der Stadt Abbildungen ihrer eigenen Werbefotos sieht, wird sie mehr und mehr damit konfrontiert, dass plakative Schönheit mehr als vergänglich ist. Plaza gelingt es, Bilder zu komponieren, die betont düster, gleichzeitig aber wertschätzend und schön sind. Wenn Susana ihre Großmutter in der Badewanne wäscht, wird deutlich, wie endlich die von der Industrie, Werbung und den Medien postulierte Schönheit ist, sobald das Altwerden einsetzt. Dank der äußerst couragierten Darstellung der 85-jährigen Vera Valdez als Oma Pilar, wird das auch für den Zuschauer unmittelbar erfahrbar. Sich vor der Kamera so verletzlich und (nicht nur im wahrsten Sinne) nackt zu zeigen, zeugt von echter Hingabe für die Rolle und ist essenziell für die Wirkung von La Abuela. Umso wirkungsvoller wird die Besetzung von Valdez, wenn man weiß, dass sie einst Muse von Coco Chanel und selbst ein erfolgreiches Model war – ein Besetzungscoup, der genannt werden muss, um den Sinn dahinter noch besser zu verstehen.

Susana hat Alpträume

Aber auch Almudena Amor als Susana spielt hervorragend. Man nimmt ihr diese Mischung aus anfänglicher Fürsorge und Bekümmertheit ebenso ab wie den Schock über die plötzlichen Veränderungen im Haus und an ihrer Oma oder die Furcht, wenn sie merkt, dass schon ein Löffel Suppe zum lebensbedrohlichen Problem werden könnte. Die Konfrontation mit der Vergänglichkeit der Schönheit beginnt früh, wenn das junge Model erste graue Haare im Spiegel entdeckt und entschlossen ausreißt. Nur dass man das Alter eben nicht an der Wurzel packen und entfernen kann. Dass Susana nach 80 Minuten eine ganz eigene Art entwickelt, um mit den Umständen umzugehen, wird auch durch Amors Spiel so unangenehm bedrückend, weil man ihr die Zerrissenheit der Figur absolut abnimmt.
Das reduzierte Szenario innerhalb der Wohnung von Großmutter Pilar sorgt zudem für Atmosphäre. Bald schon wirkt das Appartement wie ein Gefängnis. Alt und modrig erscheint es schon alleine durch die Einrichtung. Man meint den Staub, der überall liegt, förmlich riechen zu können. Und die Kamera fängt das stimmungsvoll ein. Man muss sich allerdings bewusst sein, dass La Abuela kein Jumpscare-Schocker ist. Er entfaltet seine Wirkung langsam. Für viele Gruselfans vermutlich zu langsam. Plazas Film wirkt über weite Strecken eher wie ein Arthaus-Horrorfilm, der die gängigen Erwartungshaltungen des heutigen Publikums an Tempo oder Hektik unterwandert. Wer sich drauf einlassen kann, bekommt dafür eine kluge Abhandlung auf die angesprochenen Themen und darf sich auch ruhig mal selbst die Frage stellen, wie wir alle mit dem Motiv der ewigen Jugend umgehen.

Preis: 12,97 €
(Stand von: 2024/04/23 10:38 am - Details
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15 neu von 9,90 €3 gebraucht von 8,90 €
Studio:
Format: Blu-ray
Spieldauer:
Erscheinungstermin: Thu, 07 Apr 2022
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Bild- und Tonqualität

Die Vergänglichkeit der Schönheit

La Abuela – Sie wartet auf dich wurde nicht, wie aktuell eigentlich die Regel, digital aufgenommen, sondern analog. Meist entscheidet sich ein Regisseur für diesen Weg, um einen besonders filmischen Look zu erzeugen und eine gewisse Atmosphäre herzustellen. Zum Einsatz kam hier die leichtgewichtige ARRICAM LT. Ob von dem Material ein 4K-Scan gezogen wurde oder man lediglich in 2K finalisierte, war leider nicht in Erfahrung zu bringen. Davon unabhängig hat man es geschafft, die Bilder des Films über die Blu-ray mit einer sehr feinen Körnung wiederzugeben. Das beschert Plazas Film einen sehr organischen, analogen Look, der sich deutlich und wohltuend von digitalen Produktionen abhebt. Abgesehen von der sehr gut wiedergegebenen analogen Kornstruktur hat man die Farben ein wenig stilisiert. Das Himmelsblau tendiert (offenbar bewusst) etwas ins Cyan und rote Farben gehen sichtbar in die Orangerichtung. Technik-Puristen wird das stören, während es der Stimmung des Films durchaus zuträglich ist. Hauttöne kommen vor allem in Innenräumen konsequenterweise recht warm rüber, was gerade die Szenen zwischen Susana und der schwächelnden Großmutter sehr liebevoll wirken lässt. Die dunklen Bereiche sind weitgehend gut durchzeichnet und versumpfen zu keiner Zeit. Hellere Flächen bleiben recht stabil und neigen nur selten zum Überstrahlen. Das Encoding kommt mit der analogen Körnung meist gut zurecht, offenbart nur hier und da leichte Cluster-Ansammlungen.
Die beiden DTS-HD-Master-Tonspuren, die die Blu-ray fürs Deutsche und Englische liefert, klingen durchweg und von Beginn an sehr räumlich. Vor allem dann, wenn es von ihnen verlangt wird. Das ist beispielsweise schon während des ersten Songs nach fünf Minuten der Fall. Dieser wird schön weiträumig ins Heimkino transportiert und lullt den Zuschauer wunderbar ein. Auch die Szenen am Flughafen gelingen hervorragend und versetzen uns mitten hinein in die Abfertigungshalle. Natürlich hält der Sound aber vor allem dann innovative Geräusche bereit, wenn es wirklich gruselig werden muss. Die leiseren Szenen profitieren hier maßgeblich und sorgen für wohlige Schauer auf dem Rücken. Wenn Susana nach 28 Minuten nachtschlafenen Besuch der Oma bekommt und sich wispernde Geräusche auf die Speaker legen, ist das schon ziemlich creepy. Und die DTS-HD-Master-Spur gibt das sehr fein und akzentuiert wieder. Ähnliches passiert immer mal weder, wenn Pilar leise flüsternd vor sich hin murmelt. Das geht mitunter schon ganz schön unter die Haut. Die laut ausgesprochenen Dialoge werden dauerhaft sehr gut verständlich über den Center wiedergegeben und während der bedrohlicheren Musikelemente bekommt auch der Subwoofer mal ein wenig zu tun. Zwar ist La Abuela kein Dynamikmonster und setzt Effekte auch nur gezielt ein, doch das dann durchaus wirkungsvoll – vor allem auch im Finale nach 87 Minuten, wenn sämtliche Uhren in der Wohnung zu schlagen beginnen. Eine Szene, die aus akustischer Sicht richtig Spaß macht.

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Bonusmaterial

Neben Teasern und Trailern zum Film hält die Blu-ray von La Abuela auch noch eine Bildergalerie im Bonusmaterial bereit. Dokumentationen oder Featurettes finden sich leider nicht. Auch hier ist das sehr schade, wenn man bedenkt, dass Plaza mittlerweile ein wirklich bekannter Regisseur ist und seine Filme eine große Fanbasis haben. Gerade über die Entwicklung der Story und die Realisierung der Make-up-Effekte hätte man sich gerne einige Informationen gewünscht.

Fazit

La Abuela – Sie wartet auf dich will kein Schocker oder vordergründiger Horror sein. Von einem [Rec] ist er deshalb ziemlich weit entfernt. Wer sich auf das gemächliche Tempo aber einlassen kann, der wird mit viel Atmosphäre und einer klugen Handlung belohnt. Die Blu-ray bietet dazu ein stimmungsvolles Bild und einen effektvollen, aber nicht sehr dynamischen Ton.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%

Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: Spanien 2021
Regie: Paco Plaza
Darsteller: Almudena Amor, Vera Valdez, Karina Kolokolchykova
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 100
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
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Trailer zu La Abuela

La Abuela - Sie wartet auf dich (Deutscher Trailer) - Paco Plaza, Almudena Amor, Vera Valdez


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