Blu-ray Review
OT: Labor Day
Endlich eine Familie
Ivan Reitman fügt seinen bisherigen Highlights mit Labor Day ein weiteres hinzu.
Inhalt
Seitdem Henrys Vater ihn und Mutter Adele für eine andere hat sitzen lassen, fühlt sich der 13-jährige verantwortlich für die Verlassene und tut, was er nur kann, um ihr ein Stück Lebenskraft zurückzugeben. Als er ihr im Supermarkt ein Frauenmagazin aussuchen will, taucht aus dem Nichts ein Fremder auf, dem das Blut aus einer Wunde am Bauch beinahe schon herausläuft. Höflich fragt er den Jungen, ob er und seine Mutter ihm wohl helfen können. Mit etwas Nachdruck in seiner Formulierung hat Adele am Ende keine Wahl. Frank, so heißt der verletzte Mann, ist ein entflohener Strafgegangener, der sich bei Henry und seiner Mutter etwas erholen will. Zum Dank für die (nicht ganz freiwillige) Aufnahme packt Frank mit an, repariert das alte Auto, bohnert den Boden und bringt Henry ein bisschen Baseball bei. Auf diese Weise er auch der momentan orientierungslosen Adele immer näher, weckt in ihr tief verborgene und lange unterdrückte Sehnsüchte. Sehnsüchte, die alsbald zu einer vollkommen überraschenden Wendung im Leben der Drei führen …
Wow! Da setzt sich Jason Reitman nach den locker inszenierten Dramödien Thank You For Smoking, Juno und Up in the Air hin, liest den Roman „Der Duft des Sommers“ von Joyce Maynard und inszeniert mit Labor Day einen beeindruckenden Mix aus Liebesfilm, Thriller und Coming-of-Age-Drama, der ganz ohne Ironie auskommt. Vor brütender Kulisse arbeitet er mit langen Kameraeinstellungen, langsamen Bewegungen und mit viel gefühlvoller Musik. Das mag zunächst langwierig klingen, entwickelt aber augenblicklich eine Sogkraft, der man sich nur schwer entziehen kann. Natürlich ist das auch das Verdienst des großartigen Darstellertrios. Josh Brolin, ohnehin einer der ganz Großen der letzten Jahre, schafft es scheinbar mit Leichtigkeit, die Waage aus rücksichtsvoll-höflichem Mann mit Manieren und der Bedrohung, die von ihm ausgeht, zu halten. Kate Winslet wirkt verletzlich, ohne jedoch weinerlich zu agieren (keine leichte Gratwanderung) und der junge Gattlin Griffith agiert mit der richtigen Portion Neugier und Ungewissheit. Trotz dieser hervorragenden Schauspielleistungen ist es Reitman, der immer den richtigen Ton findet und seine Figuren sensibel in die richtigen Bahnen lenkt.
Dabei vermeidet er jede Gefahr, Labor Day darauf zu beschränken, dass hier ein Krimineller entflohen ist, vermittelt dennoch (gerade zu Beginn) genug Bedrohungspotenzial, um der Situation gerecht zu werden. Dies beschwört er allerdings mehr über Blicke, Kameraeinstellungen und die Filmmusik herauf. Das wirkt umso beeindruckender, wenn vermeintlich klischeehafte Gangstertaten, wie beispielsweise das Fesseln von Adele, zärtlich und nicht brutal beschrieben werden. Wenn Labor Day sich dann zunehmend in einen Mix aus Coming-of-Age- und Lebensdrama verwandelt, gesellen sich mehr und mehr Szenen aus der Vergangenheit Franks dazu. Nach und nach wird so erst die volle Dramatik und Dynamik der ganzen Geschichte freigesetzt. Ganz kritikfrei bleibt Reitmans Film dennoch nicht: Bisweilen häuft der Regisseur deutlich zu viel Kitschelemente an. Gerade das Ende hätte so viel Zuckerguss nicht nötig gehabt. Etwas mehr Abstand vom Klischee wäre dann doch schön gewesen.
Bild- und Tonqualität
Beim Bild von Labor Day fällt zunächst positiv der abgrundtiefe Schwarzwert auf. Brolins Haare und sein Bart sind wahrlich kohlrabenschwarz. Der Ton kippt auch nicht, wie sonst schon mal, ins Grünliche um, sondern bleibt sich treu. Die Schärfe gelingt in Nahaufnahmen recht gut, hin und wieder sind Randunschärfen auszumachen. Der Kontrastumfang ist sehr gut und die Bildruhe hoch.
Der dialoglastige Labor Day bietet nur selten die Möglichkeit zu atmosphärischen Momenten. Draußen auf der Veranda zirpen die Grillen ein wenig, hin und wieder geht ein bisschen Wind. Die Stimmen kommen dafür extrem prägnant und kräftig aus dem Center und die klasse gewählte Filmmusik, bzw. der Score legt sich immer wieder wie ein feiner Klangteppich über die Lautsprecher.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Labor Day findet sich ein Audikommentar von Regisseur Reitman, Kameramann Steelberg und Koproduzent Blumenfeld. Dazu gesellen sich sechs entfernte Szenen und ein halbstündiges Making-of, in dem auch die Autorin der Buchvorlage zu Wort kommt. Die berichtet, dass ihr die Geschichte zu Labor Day tatsächlich im Schlaf kam und bereits zehn Tage später das Buch fertig gewesen sei.
Fazit
Labor Day ist ein Film voller Wucht, Dynamik und erzählerischer Kraft. Trotz teils etwas übertrieben kitschiger Elemente wissen die Darsteller ihre Figuren so darzustellen, dass der Zuschauer emotional berührt wird.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 80%
Anbieter: Paramount HE
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Jason Reitman
Darsteller: Kate Winslet, Josh Brolin, Clark Gregg, Gattlin Griffith, Tobey Maguire, J.K. Simmons
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // DD 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 111
Codec: AVC
FSK: 6
Die Ausgangssituation bietet genügend Stoff für ein spannendes Familiendrama und wenn man will, gibt der Stoff auch noch genügend Material her für ein zuckersüßes Happy End.
Adèle (Kate Winslet) ist eine alleinerziehende Mutter. Sie lebt mit ihrem Sohn Henry (13) (Gattlin Griffith) zusammen. Mutter und Sohn fühlen sich emotional sehr eng verbunden. Ein verletzter Fremder bittet sie im Supermarkt um Hilfe. Frank (Josh Brolin) ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und wird von der Polizei gesucht. In Rückblenden wird Franks wahre Geschichte erzählt: es war kein Mord, der ihm zur Last gelegt wird, sondern ein Unfall. Frank repariert Haus und Hof, alle drei backen gemeinsam. Adèle verliebt sich.
Nachbarn schauen vorbei und werden misstrauisch. Mit jedem Besuch steigt die Spannung. Als Adèle ihr Bankkonto räumt, wird auch das Geldinstitut hellhörig. Sie ist in dreifacher Hinsicht hin und her gerissen: ihre enge Beziehung zu Henry ist ihr Lebensmittelpunkt. Ihre neu entbrannte Liebe zu Frank legt ungeahnte, verschüttete Emotionen frei und der Wusch nach einem völligen Neuanfang wird immer unüberhörbarer. Kate Winslet schafft den Dreisprung mit viel Gefühl und mäßigem Zuckerguss. Das Drama verläuft ganz unblutig mit einem umfangreichen, kurz und bündig zusammengefassten Nachspiel. Adèle hält den Briefkontakt zu Frank im Gefängnis über Jahre hinaus aufrecht und Henry wird ein berühmter Bäcker (alle drei hatten am Wochenende: zum Tag der Arbeit (Titel) eine große Pfirsichpastete gebacken). An dieser Stelle hat Tobey Maguire ein Cameo.
Die aufgebaute Spannung vergeht wie ein Schuss Pril im Fettwasser. Lösend, befreiend und bekömmlicher. Ein Verdienst der drei Protagonisten.