Blu-ray Review
OT: Peace
Kalt
Ein Kriegsdrama fernab von üblichen Genre-Klischees – dass es so etwas noch gibt.
Inhalt
„Ist der verrückt oder die Nazis?“
Die Frage, die sich Asch stellt, kommt nicht von ungefähr. Soeben mussten er und seine sechs Kameraden mit ansehen, wie ihr Sergeant eine unschuldige Frau getötet hat, nachdem sie in eine Falle getappt waren, die zwei US-Soldaten das Leben kostete. Im Basislager angekommen, redet der Vorgesetzte von „im Kreuzfeuer“ umgekommen. Er lügt. Und für Marson, Asch und die anderen stellt sich langsam die Frage, wo die Moral auf der angeblich guten Seite geblieben ist. Während sie auf eine nicht enden wollende Patrouille entlang verschneiter italienischer Straßen unterwegs sind, um versprengte Nester von Deutschen aufzuspüren, erfahren sie immer mehr, was es heißt, die Geschehnisse psychisch zu verarbeiten. Außerdem wachsen die Spannungen innerhalb der Einheit, was zu gefährlichen Disputen führt …
Wenn ein Film im Original „Peace“ – also Frieden – heißt, dann ist das natürlich viel zu unspektakulär. Jedenfalls für den deutschen Anbieter, der sich einen besonders pathetischen Titel hat einfallen lassen. Und zwar auf Englisch – suggerierend, es handle sich um den Originaltitel. Weil man dann aber offenbar doch nicht jedem deutschen Käufer zutrauten wollte, dass er aus dem englischen Titel schlau wird, hat man noch einen langen deutschsprachigen Untertitel drunter gesetzt. Und so wird aus Peace „mal eben“ Leave No Man Behind – Der Feind in den eigenen Reihen. Atze hätte ein herzliches „Ja nee, is klar“ dafür übrig und der Heimkinofan wundert sich einfach. Aber das soll ja erst einmal nichts über den Film aussagen. Der basiert nämlich auf dem Bestseller „Peace“ (wer hätte es gedacht) von Richard Bausch. Die Vorlage ist ein eher poetische angehauchtes Buch, das sich vornehmlich an Kriegsheimkehrer und die daheimgebliebenen Angehörigen richtet. Der Film bemüht sich trotz einiger Änderungen an der Buchvorlage, eine gewisse philosophische Stimmung aufrecht zu erhalten – zum einen durch die teils traumartigen Rückblicke, zum anderen durch die sehr ungewöhnliche Filmmusik. Diese ist weitab vom Pathos üblicher Kriegsfilme, sondern wurde vor allem mit melancholischen und streichzarten Arrangements umgesetzt. Hin und wieder erinnert das etwas an Malicks Der schmale Grat und stellt ein echtes Highlight des Films dar. Die Eröffnung allerdings ist weniger poetisch, denn radikal. Nach ein paar einleitenden Worten und Texttafeln wird man abrupt ins Geschehen und den moralischen Zwiespalt der Story hineingeworfen. Die Rechtfertigung für den Mord an der Deutschen (dass sie getötet hätte, wenn sie gekonnt hätte) bedeutet, dass sie für ein Verbrechen der Absicht erschossen wurde. Sie stirbt für ihre (vermeintlichen) Gedanken, nicht für eine Tat. Keine zwei Minuten vergehen also und die Grenzen von Gut und Böse, von Moral und Unmoral verschwimmen. Was an Leave No Man Behind neben der Musik ebenfalls ungewöhnlich ist, ist seine unaufgeregte Art, die Kriegsauswirkungen darzustellen – exemplarisch erkennbar, wenn einer der Protagonisten nach knapp 30 Minuten auf eine Miene tritt. Was in üblichen Kriegsfilmen zu überdramatischer Musik, totaler Überreaktion der Mitstreiter und Überlebensschwüren geführt hätte, wird hier ebenso nüchtern wie ungeschönt gezeigt. Durchhalteparolen sind nicht das Ding des Films. Es geht vielmehr um die Dynamiken innerhalb der Gruppe. Um Vertrauen, das langsam bröckelt – ursächlich bedingt durch den Mord an der Deutschen. Wer also einen Kriegs-Actioner erwartet und erhofft, der muss einen Film weiter schauen. Hier wird er nicht fündig. Die Stimmung ist dauerhaft sehr intim und trotz des Draußen-Szenarios beklemmend. Das wird durch den Score ebenso begünstigt wie durch das kühle und verschneite Szenario. Dialoge dominieren. Nur ab und an trifft die Einheit auf militärische Feinde.
Allerdings muss sich der Film vorwerfen lassen, dass er die Grundprämisse lange Zeit im Hintergrund hält und lediglich durch die Dialoge der Soldaten andeutet. Erst nach etwas über 50 Minuten kommt es erstmals wieder direkt zum Tragen – hier unterscheidet sich der Film ebenso vom Buch wie in der Charakterisierung Marsons. Der distanziert sich in der Romanvorlage deutlicher von den ehemaligen „Freunden“ Asch und Joyner. Dennoch macht der Film das für sich genommen wirklich gut. Und er profitiert von intensiv spielenden Darstellern. Alexander Ludwig (der Bjorn aus Vikings) hat dabei noch die undankbarste Rolle als besonnen agierender Kommandierender. Joyner, dessen Psyche mehr und mehr unter den Umständen leidet wird von Sam Keeley (Sergeant Rex) mit einem leichten Touch zum Wahnsinn porträtiert und Chris Brochu (Vampire Diaries) ist großartig in der Rolle des zynischen Asch. Jetzt kann man Leave No Man Behind vorwerfen, dass er „langweilig“ ist. Dass er „nur“ drei Soldaten und einem Einheimischen dabei zuschaut, wie sie sich in der italienischen Hochebene verirren und dabei ihre Meinungsverschiedenheiten austauschen. Kann man machen. Allerdings wird man dem Tenor des Films dann nicht gerecht. Denn Action will dieses Kriegsdrama gar nicht inszenieren. Wer sich aber einlassen kann, auf die ruhige Erzählweise, auf die teils greifbare Spannung in einigen Szenen, auf das intensive Schauspiel und die schonungslos-realistische Darstellung des gar nicht mal so heldenhaften Todes inmitten eines verschneiten Nirgendwo – der wird hier ein kleines Genre-Highlight begutachten können. Eines, das weitgehend abseits der üblichen US-Kriegs-Klischees funktioniert und dem Pathos weitgehend fremd ist. Dass die Story dabei der Frage nachgeht, an welcher Stelle im Krieg genau die Menschlichkeit verloren geht, ist zudem ein begrüßenswerter Ansatz.
Bild- und Tonqualität
Leave No Man Behind hat ein betont entsättigtes, manchmal fast Schwarz-Weiß anmutendes Bild, das in Grün- und Brauntöne getaucht ist und zwischen sehr körnig und bisweilen deutlich rauschgemindert schwankt. Randunschärfen rundherum scheinen fast als Stilmittel genutzt worden zu sein, so oft treten sie auf. Während der etwas dunkleren Szenen sind kontrastflanken schon mal etwas steil und verschlucken Details in den Schattenbereichen. Die leichte Rotfärbung auf neutral-weißem Schnee sowie in den rosig wirkenden Gesichtern dürfte als Stilmittel durchgehen. Schön ist es aber nicht.
Der Score, komplett unüblich für ein Kriegsdrama, lockt mit sphärischen Klängen, choralsähnlichen Gesangsstimmen und getragener Melancholie, legt sich angenehm über die Speaker, während diverse Soundeffekte etwas Räumlichkeit aufkommen lassen. Viel Surroundaktivität gibt’s allerdings nicht und während der meisten Zeit dominieren die Dialoge gut verständlich aus dem Center.
Bonusmaterial
Trailer und Programmtipps – mehr gibt’s nicht im Bonusmaterial von Leave No Man Behind.
Fazit
Peace, um den Film bei seinem schlüssigeren Originaltitel zu nennen, ist ein durchweg ungewöhnliches Kriegsdrama. Eines, das mit melancholisch-sphärischem Score Szenen von ungeheurer Bitterkeit unterlegt ist und mit vorzüglichen Darstellern punktet. Vor der eiskalten Kulisse wird der Wahnsinn deutlich, der in den versprengten Soldaten hochkroch, die mit diffusen Einsatzzielen irgendwann an die Grenzen der Menschlichkeit gelangten.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 10%
Film: 80%
Anbieter: Spirit Media
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Robert David Port
Darsteller: Alexander Ludwig, RJ Fetherstonhaugh, Chris Brochu, Chris Crema, Lochlyn Munro, Franco Nero
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 96
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Spirit Media)
Trailer zu Leave No Man Behind
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
oh die 180 Menschen auf IMDB sehen das wohl etwas anders.
Jetzt weiß ich nicht ob der Film 15€ wert ist.
Ich warte wohl lieber noch etwas.
Danke trotzdem für die Rezension.
Ich vermute ganz stark, dass die negativen Reviews und Bewertungen darauf basieren, dass die Erwartungshaltung vollkommen falsch waren. LEAVE NO MAN BEHIND ist bei Weitem kein Kriegsfilm mit Action und zahlreichen Kampfhandlungen. Die Figuren und Moralvorstellungen stehen im Vordergrund. Das KANN für viele Genre-Fans langweilig sein. Ich fand es erfrischend anders. Man muss aber offen sein für eine komplett andere Erzählweise.