Legend – Aufstieg und Fall zweier berüchtigter Brüder

Blu-ray Review

Legend - Aufstieg und Fall zweier berüchtigter Brüder Blu-ray Review Cover
Studiocanal, seit 12.05.2016

OT: Legend

 


Blut ist dicker als Wasser

Nach Legend of the Krays kommt nun der Kinofilm über die Kray-Zwillinge – dieses Mal mit einem doppelten Tom Hardy in den Hauptrollen.

Inhalt

London in den 60ern: Der blutrünstige Ronnie und der geschäftstüchtige Reggie sind Zwillinge und dominieren gemeinsam das East End. Ausgehend von ihrem Nachtclub, der Treffpunkt für die reichen und prominenten Frauen und Männer der Welt ist, sind sie nicht nur bekannt, sondern auch beliebt – gerade in der Bevölkerung, der sie mit Respekt begegnen. Anders als ihren Rivalen oder abtrünnigen Gangmitgliedern, die ihre unerbittliche Hand erfahren. Die Polizeit wird ebenso überheblich wie brutal eingeschüchtert und bleibt so auf respektvollem Abstand. Das funktioniert deshalb so gut, weil Ronnie und Reggie bedingungslos zusammenhalten und eine geschlossene, undurchdringliche Einheit bilden. Als Reggie jedoch mit Frances Shea auszugehen beginnt, einem hübschen Mädchen aus der Gegend und Ronnies psychotische Zwangsstörungen immer stärker werden, droht das Imperium langsam zu bröckeln. Und das, wo man sich gerade der gegnerischen Richardson-Bande entledigen konnte und so praktisch über das komplette London verfügt. Als Reggie für ein paar Wochen in den Knast muss, kehrt er zu einem Nachtclub zurück, den Ronnie in der Zwischenzeit heruntergewirtschaftet hat – der Konflikt zwischen den beiden scheint langsam zu einem tiefen Graben zwischen ihnen zu führen, was auch daran liegt, dass Frances mit Ronnie rein gar nichts anfangen kann …

Nachdem 1990 das Leben der Kray-Zwillinge schon einmal verfilmt wurde (damals mit den Spandau-Ballet-Brüdern Gary und Martin Kemp in den Hauptrollen) und parallel zur britischen Direct-to-Video-Produktion, deren erster und zweiter Teil soeben erschienen sind, nahm sich auch Brian Helgeland (Payback – Zahltag) des Themas an. Gegenüber dem erwähnten Zweiteiler konzentriert sich Legend schon zeitlich eher auf die Hinführung des Zusammenfalls des Gangster-Imperiums. Sein Film beginnt praktisch auf dem Höhepunkt des Erfolgs der Brüder und schildert, wie Reggie durch seine Hochzeit mit Frances langsam beginnt, die Zügel aus den Händen zu geben, während Ronnie gleichzeitig immer unkontrollierter und unzurechnungsfähiger wird. Helgeland nimmt dabei die Figur der Frances deutlich zu wichtig, lässt sie gar die Geschichte aus dem Off erzählen. Immerhin war sie mit Reggie gerade mal acht Wochen lang verheiratet. Dies allerdings verschweigt der Film genauso wie Reggies Eifersuchts-Eskapaden. Es gab Zeiten der Trennung zwischen ihm und Frances, in der Reggie mit seinem Auto auf der Straße ihres Elternhauses patrouillierte, um sie zu observieren. Die Tatsache, dass er sie bisweilen seelisch quälte und massiv bedrängte – all das lässt Legend um des Friedens und der romantischen Verklärung Willen lieber aus. Ob und inwiefern die gemeinsame Zeit wirklich für die grundlegenden Veränderungen in der Herrschaft der Krays verantwortlich war, sei dahingestellt. Leider fehlen außerdem teils wichtige Figuren wie Frank Mitchell. Dem verurteilten Mörder hatten die Krays bei der Flucht aus dem Gefängnis geholfen und ihn anschließend verschwinden lassen. Erst mit der Ermordung George Cornells, einem Ex-Mitglied der Richardson-Bande, setzt man an, um zu schildern, wie die Polizei in Gestalt von Leonard Read nach und nach Beweise sammelte. Höchst akkurat (und eruptiv brutal) schildert der Film dann allerdings die finale Konfrontation zwischen Reggie und Jack McVitie, die letztlich dazu führte, dass die Zwillinge doch noch wegen Mordes verurteilt wurden.

Abseits der Fakten gibt es allerdings auch wirklich Herausragendes an Legend: Was ihn beispielsweise vom Zweiteiler absetzt, ist die deutlich intensivere Schilderung der Liebe und Zuneigung zwischen den Brüdern. Um das möglichst authentisch zu gestalten, setzte Helgeland darauf, Ronnie und Reggie durch ein- und denselben Darsteller zu verkörpern. Da solch eine Doppelrolle (deren zwei Charaktere kaum unterschiedlicher sein könnten) einiges an extrovertierter Aktion erfordert, lag es nahe, mit Tom Hardy einen höchst wandelbaren Schauspieler zu besetzen. Während dieser als Reggie vordergründig den vornehmen Geschäftsmann gibt, der nur im Notfall brutal wird, ist sein Ronnie ein näselnd sprechender, völlig abgedrehter Typ, dessen latente Neigung zur Gewalt wie ein Damokles-Schwert über dem Geschehen schwebt. In seiner gnadenlosen Selbstdarstellung hat er nicht die geringsten Probleme, jedem (der es hören oder auch nicht hören will) mitzuteilen, dass er homosexuell sei und offen damit umgehe. Was sollte ihm auch passieren? Käme ihm jemand krumm, hätte derjenige in der nächsten Sekunde vermutlich eine schwere Eisenstange im Schädel. Hardy setzt dies zwar hart an der Grenze zum Overacting aber eben auch höchst beeindruckend um. Vor allem, wenn man sich Legend auf Englisch anschaut, die für Fans der Originalspuren (und für solche, die es gerne werden möchten) definitiv Pflicht ist. Denn authentischer geht’s nicht, wenn der Schauspieler seinen Ronnie mit härtestem Cockney-Akzent sprechen lässt und seinen verdutzten Geschäftspartnern aus den USA mitteilt, dass er mal einen tahitianischen Liebhaber hatte, den er „wie eine Brezel verbogen habe“. Hier wird auch zum wiederholten Male der großartige Sarkasmus deutlich, den man dem psychotischen Bruder der Beiden auf den Leib schrieb. Neben der Geschwistergeschichte ist die unmögliche Romanze zwischen Reggie und Frances das zweite Hauptthema. Legend setzt diese beiden zentralen Motive einander unvereinbar gegenüber und positioniert Reggie zwischen den Stühlen. Es ist zweifelhaft, ob das im realen Leben der Krays eine so (ge)wichtige Rolle gespielt hat, aber dramaturgisch gesehen spielt es Helgelands Film natürlich in die Karten. Frei nach dem Motto „Blut ist dicker als Wasser“ kann eben nicht zusammenwachsen, was nicht zusammen gehört. Dafür bekommt Reggie die Quittung und auch Frances wird die Verbindung nicht überleben.

Bild- und Tonqualität

Legend hat ein blitzsauberes und extrem laufruhiges Bild, dessen Stabilität auch nicht durch dunkle Szenen beeinträchtigt wird. Die Bar kann noch so schummrig sein, dennoch zeigt sich kein Korn oder Rauschen. Selbst der verqualmte Zigarettendampf trübt den Eindruck kaum. Die Farben sind ein wenig reduziert, was zur 60er-Jahre-Optik passt. Die Schärfe ist von vorne bis hinten gut, gibt sich auch in Randbereichen keine Blöße und die dezente Warmfilterung passt gut zum Stil des Films. Kontraste überzeugen ebenfalls, Schwarzwerte sind knackig.
Akustisch zeigt erneut ein unabhängiger Filmanbieter den großen Konkurrenten, dass es ohne Weiteres möglich ist, sowohl eine deutsche als auch eine englische Dolby-Atmos-Spur zu integrieren. Zwar werden die Höhenkanäle in Legend nicht exzessiv genutzt, aber viel wichtiger ist, dass es solche Umsetzungen gibt und vielleicht irgendwann auch mal die großen Filmanbieter sich davon eine Scheibe abschneiden. Im Kern kommt eine Dolby True HD-Spur zum Tragen, die mit 7.1 Kanälen aufwartet, wenn kein Atmos-System angeschlossen ist. Zu Beginn wird es vor allem während der Szenen in der Bar sehr räumlich. Gläser klirren, die soulige Musik nutzt auch die dritte Ebene und legt sich sehr weiträumig auf alle Lautsprecher. Ähnliches gilt für den Regenschauer (98’15), dessen Tropfen praktisch im Heimkino niederprasseln. Druckvoll wird es ebenfalls hin und wieder – besonders schön in dem Moment, in dem der Straßenkreuzer um die Ecke biegt (38’30).

Bonusmaterial

Die Differenzen zwischen den beiden Brüdern spiegeln sich auch im Menü von Legend wieder, bei dem man sich zunächst mal zwischen dem düsteren (und mit rockigen Tönen unterlegten) Ronnie und der versöhnlicheren Variante mit Reggie (begleitet von sanften Klavierklängen) entscheiden muss. Dahinter versteckt sich dann aber indentisches Bonusmaterial. Die sechs vorhandenen Interviews finden leider ohne Tom Hardy statt, lassen dafür den Regisseur und einige der Co-Stars zu Wort kommen. Die Bilder von der Weltpremiere in London liefern zwei Minuten lang Impressionen vom blauen Teppich. Das Mini-Making-of ist wirklich kurz und mit vier Minuten Laufzeit eher ein fürs deutsche TV produzierter Langtrailer. „Die Legende der Krays“ ist mit etwas über 13 Minuten ergiebiger und lässt echte Zeitzeugen der beiden, mittlerweile verstorbenen Brüder zu Wort kommen – sicher das interessanteste Feature des Bonusbereichs von Legend.

Fazit

Legend ist zweifelsohne herausragend gespieltes Gangster-Kino, das bisweilen sehr nahe an den Fakten entlang inszeniert wurde. Allerdings wurden auch wichtige Dinge weggelassen und die Rolle von Frances Shea erscheint allzu bedeutungsvoll – ganz zu Schweigen davon, dass der Film romantisch verklärt, dass Reggies Verhalten seiner Kurzzeit-Ehefrau gegenüber mitverantwortlich für deren Tod durch eine Überdosis Medikamente gewesen ist. Tom Hardys wuchtige Performance (vor allem als Ronnie) macht gerade für diejenigen, die mit der historischen Geschichte nicht allzu vertraut sind eine Menge wett. Wer von dem charismatischen Darsteller nicht genug bekommen kann, für den gibt’s übrigens zeitgleich die Tom-Hardy-Edition mit BronsonDame, König, As, Spion und No Turning Back.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: GB 2015
Regie: Brian Helgeland
Darsteller: Tom Hardy, Emily Browning, Taron Egerton, David Thewlis, Christopher Eccleston, Chazz Palminteri, Tara Fitzgerald, Colin Morgan, Paul Bettany
Tonformate: Dolby Atmos (True HD 7.1): de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 131
Codec: AVC
FSK: 16

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2 Kommentare
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Dick Adams

Gut. Hardy spielt genial. Ton super (auch Atmos auf Deutsch).
LEIDER kein englischer Untertitel! Das wäre aber sehr gut, um den Film auch auf Englisch zu sehen. Hardys Slang ist dort super, aber leider nicht immer ganz einfach zu verstehen.
Wäre schön, wenn Discs immer auch englische Untertitel leifern würden!