Liebe zwischen den Meeren

Blu-ray Review

Highlight/Universal, 02.02.2017

OT: The Light Between Oceans

 


Entscheidungen

Was, wenn man ein Kind ohne Eltern findet und es einfach als eigenes annimmt?

Inhalt

Dezember 1918: Weil Tom Sherbourne den Ersten Weltkrieg mehr schlecht als recht überstanden hat, wünscht er sich, von allem Abstand zu bekommen. Also wählt er den Job als Urlaubsvertretung eines Leuchtturmwärters auf einer ziemlich einsamen Insel. Dort wird er absolut alleine sein, was die Verantwortlichen etwas verstimmt, da Tom keine Familie hat, die auf ihn aufpassen und ihm Gesellschaft geben kann. Doch das scheint sich bald zu ändern, denn Isabel, die Tochter seines Arbeitgebers verliebt sich in den introvertierten Mann. Damit einhergehend kommt die Nachricht, dass aus Toms Vertretungsposition eine dauerhafte wird, da sein Vorgänger den Freitod wählte. Isabel und Tom besiegeln ihre Zuneigung und heiraten. Gemeinsam leben sie ein einfaches, aber glückliches Leben, dem nur ein Kind fehlt. Nach zwei Fehlgeburten scheint die Hoffnung darauf aber im Winde zu verwehe – bis eines Tages ein Boot an die Küste treibt. In ihm ein kleines Baby, neben dessen totem Vater. Isabel kann Tom überreden, das Kind zu behalten und anzunehmen. Für einige Zeit geht das gut, bis Tom die leibliche Mutter des Mädchens kennenlernt …

Blue Valentine und A Place Beyond the Pines–  beides keine einfachen Filme von Regisseur Cianfrance, in denen Ryan Gosling die Grenzen menschlicher Abgründe auslotete. In Liebe zwischen den Meeren nimmt sich der Regisseur zwar ein wenig zurück, was das Düstere, graue und gewaltvolle Moment seiner bisherigen Filme angeht, taucht aber nicht minder tief in die Abgründe seiner Figuren ab. Seine Menschen haben Geheimnisse voreinander und müssen echte menschliche Prüfungen bestehen. Es geht um Moral und um unerfüllte Wünsche – abgebildet vor der atemberaubenden Kulisse eines besonders einsamen Fleckchens von Neuseeland. Der Platz rund um den Leuchtturm von Cape Campbell an der Nordostküste der Südinsel wirkt praktisch wie der damaligen Zeit entnommen und wenn Tom im Dampfschiff von der Clifford Bay aus auf die kleine Landzunge mit dem Signalturm zufährt, fühlt man sich glatt in der Zeit zurückversetzt. Kostüme und Sprache tragen ihr Übriges zur Authentizität bei. Und weil Liebe zwischen den Meeren gar nicht viel Aufhebens um ellenlange Dialoge macht, wirken die tollen und epischen Bilder, die Kameramann Adam Arkapaw einfängt, umso stärker. Der hatte Hauptdarsteller Fassbender schon in Macbeth eingefangen und zeigt hier erneut, dass er ein Händchen für bedeutungsschwangere Bilder hat. Es ist aber vor allem das starke Hauptdarsteller-Trio, das Cianfrances Film zum ergreifenden Ereignis werden lässt. Fassbender mag dabei noch am ehesten das Prädikat „Dienst nach Vorschrift“ erhalten, weil seine Figur zunächst wenig dynamisch ist. Doch ein „nur“ guter Fassbender ist eben schon mehr als manch anderer Darsteller, der einen sehr guten Tag erwischt.

Alicia Vikander (Danish Girl) gehört deshalb die erste Stunde fast ganz alleine. Sie bringt die Tragik zweier, kurz aufeinanderfolgender Fehlgeburten glaubwürdig und bewegend zum Zuschauer und sorgt durch ihr Schauspiel dafür, dass das bewusst langsam gehaltene Tempo nie zäh wird. Ab und an hält Liebe zwischen den Meeren inmitten aller Dramatik durch Vikander gar poetische Momente bereit, wenn sie nach der Beerdigung des zweiten Fötus im Gras liegt und dessen Spitzen streichelt. Nach dem emotionalen Höhepunkt des Babyfunds wird die Geschwindigkeit zwar noch einmal spürbar reduziert und der Zuschauer muss kurz einen Schritt zurückmachen, bevor er auch die Geschichte von Hannah Roennfeldt kennt. Wenn dann allerdings die Dynamik zwischen Tom und Isabel zunimmt und sich von schwerer werdender Musik der Konflikt zwischen richtigem Handeln und Wunschfamilie entspinnt, wühlt es auch den Betrachter auf. Am stärksten sind Filme immer dann, wenn man selbst in die gleiche moralische Zwickmühle gerät, wie dessen Protagonisten. Wenn man sich fragt, was man in der gleichen Situation ursprünglich getan hätte und ob es fünf Jahre später überhaupt noch richtig, das Geheimnis zu lüften – gerade auch für das Kind, das von all dem nichts weiß und aus der Familiensituation herausgerissen würde. Und so geraten die Szenen, in denen die Wahrheit ans Licht kommt, schmerzhaft intensiv. Ebenso wie jene, in denen Hannah versucht, dem kleinen Kind beizubringen, dass es nun bei ihr zuhause ist. Dass es dafür am Ende ein bisschen selbstmitleidig und kitschig gerät, ist zwar ein Makel, der aufgrund der wirklich guten ersten 100 Minuten aber zu verschmerzen ist.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Liebe zwischen den Meeren dürfte etwas kontrastreicher sein und wirkt meist zu hell. Zur Zeit und dem Thema passt das gut, ist aber technisch nicht ganz sauber. Während der dunkleren Szenen nimmt die Körnung sichtbar zu, was insgesamt filmisch wirkt, Freunde von glattgebügelten Filmen aber stören wird. Die Schärfe bleibt durchschnittlich – selbst in Close-ups wirkt alles manchmal ein wenig weich (Ausnahmen bestätigen die Regel). Gut ausgeleuchtete Szenen hingegen gelangen recht stabil auf den Bildschirm.Dunkle verfärben sich allerdings unnatürlich grün, was den Film kränklich aussehen lässt 25’30).
Akustisch gefällt Liebe zwischen den Meeren besser als visuell. Schon die Naturgeräusche während der vorgeschalteten Produktionslogos füllen den Raum mit Effekten. Wenn Tom dann erstmals alleine im Wind auf der Insel steht, bläst es dem Zuschauer äußerst voluminös Luft um die Nase und das Meer brandet im Hintergrund wuchtig an die Küste (9’05). Die Stimmen der Darsteller gelangen sehr warm und schmeichelnd ans Ohr, was stets gut zur sanften Filmmusik passt. Aber auch die Nutzung von direktionalen Effekten kann sich hören lassen. Beispielsweise, wenn Tom während eines veritablen Sturms in den Leuchtturm geht und dort nach dem Rechten sieht – klasse, wie sich die Metallstufen in dem riesigen Hohlkörper anhören (30’30). Über die ganze Laufzeit des Films bleibt es so atmosphärisch. Stimmen in einem großen Saal haben genau den richtigen Hallanteil und die Möwen am Strand scheinen im Heimkino selbst zu schweben.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Liebe zwischen den Meeren gibt’s einen Audiokommentar sowie ein viertelstündiges Making of und ein Featurette unter dem Titel: „Der Leuchtturmwärter“. Letzteres kümmert sich um das Finden des Drehorts, der die fiktive Insel des Romans darstellen sollte.

Fazit

Liebe zwischen den Meeren vereint viele Motive in einem Film und hält dabei stets die Waage zwischen ihnen. Moral, unerfüllte Wünsche, Vergebung, Liebe und Aufrichtigkeit – bis zum Ende bleibt Cianfrances bisher geradlinigster Film fesselnd und spannend. Getragen von drei vorzüglichen Darstellern ist das Drama Pflichtprogramm für Genrefreunde.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: USA/NZ 2015
Regie: Derek Cianfrance
Darsteller: Michael Fassbender, Alicia Vikander, Rachel Weisz, Bryan Brown, Jack Thompson, Frank Roennfeldt
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 133
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Liebe zwischen den Meeren

Liebe zwischen den Meeren - Trailer

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