Little Boy

Blu-ray Review

Capelight Pictures, 20.01.2017

OT: Little Boy

 


Die magische Liste

Hier kommt ein Kleinod von einem Film.

Inhalt

Mitten im 2. Weltkrieg: Der achtjährige Pepper liebt seinen Vater James über alles. Kunststück, hat der ihn doch während der letzten Jahre mit viel Liebe und noch mehr Fantasiereichtum großgezogen. Gemeinsam haben sie sich in fremde Welten hineingedacht, waren als Piraten an Bord eines Schiffs oder als Cowboyhelden im Wilden Westen. Stets galt: „Glaubst du, wir schaffen das, Pepper? Ja, wir schaffen das!“. Das hat Pepper auch darüber hinwegsehen lassen, dass er aufgrund seiner geringen Größe von den Gleichaltrigen gehänselt wird. Doch dann kommt der Tag, der alles verändert. Weil sein älterer Bruder London für nicht tauglich befunden wird, zieht an seiner Stelle Papa James in den Krieg. Für Pepper bricht eine Welt zusammen, muss er doch erstmals ohne seinen Dad auskommen. Als es heißt, dass er möglicherweise in japanische Kriegsgefangenschaft geraten ist, will Pepper nicht akzeptieren, dass sein Dad vielleicht nicht mehr zurückkommt. Bei seinem Freund und Mentor, dem Priester Oliver (großartig: Tom Wilkinson), kann sich der kleine Junge ausweinen und wird in seinem Glauben bestärkt, dass man Dinge schaffen kann, wenn man nur fest genug an sie glaubt. Also macht sich Pepper daran, seinen Vater nach Hause zu bringen. Doch Glaube funktioniert nicht, wenn man auch nur das kleinste bisschen Hass in sich trägt. Deshalb schickt ihn Oliver ausgerechnet zu Hashimoto, einem ortsansässigen Japaner, dem Pepper doch die Schuld am Verschwinden seines Vaters gibt. Bei ihm soll er seine Vorurteile loswerden und gleichzeitig eine Liste abarbeiten. Schritte auf dem Weg, seinen Dad zurück zu bekommen …?

Der Glaube kann Berge versetzen – so simpel wie die Botschaft aus der Bibel, so bewegend und rührend ist Alejandro Gomez Monteverdes Little Boy über einen Jungen, der unbedingt will, dass sein Vater aus dem Krieg zurückkommt. Little Boy ergreift Partei für die Daheimgebliebenen, für die Menschen, die zurückbleiben, wenn ihre Ehemänner, Söhne oder Brüder in die Armee und zu Kampfhandlungen gezogen werden. Nebenbei geht es auch um Vorurteile und Mobbing, um einen Jungen, der gehänselt wird und der gegen die bösen großen Jungs nur deshalb besteht, weil die Gedanken an seinen Vater ihn tapfer bleiben lassen. Mit unglaublich fantasievollen und abwechslungsreichen Bildern gelingt es dem mexikanischen Regisseur, eine universelle und fesselnde Geschichte zu erzählen, die von einem unglaublich talentierten Nachwuchsdarsteller locker geschultert wird: Jakob Salvati überzeugt in den schmerzhaften Szenen ebenso wie in den mutigen und witzigen Momenten. Wenn er voller Ehrfurcht und mit etwas Angst das Zimmer des Verwundeten betritt, um einen Punkt auf seiner Liste zu streichen. Neben den rührenden Szenen funktioniert aber auch der Humor wunderbar. Immer, wenn man denkt, jetzt nimmt sich Little Boy schon ein wenig zu viel Rassismus gegenüber den Japanern heraus, kontert der Film das teilweise mit herrlichem Slapstick. So zum Beispiel, wenn Pepper und London des Nachts das Haus von Hashimoto belagern und der Wurf mit dem Molotowcocktail völlig in die Hose geht. Hier, wie schon mehrfach zuvor, ist der Off-Kommentar des „alten“ Pepper staubtrocken und herrlich sarkastisch. Klasse auch, wenn Pepper mit der naiven Einstellung eines kleinen Jungen die unübersehbaren Parallelen zwischen seinem Fantasy-Comicbuch und den ebenso fantastischen Bibelgeschichten zieht und damit den Priester für einen Moment aus der Fassung bringt.

Das alles wird aber noch getoppt vom herrlichen Zusammenspiel Salvatis und dem sensationellen Cary-Hiroyuki Tagawa (Der letzte Kaiser). Wenn der Japaner die beständigen Versuche der Annäherung Peppers brüsk ablehnt, nur um kurze Zeit später doch mit ihm „abzuhängen“ und ihm das Eis zu klauen, ist das voller Wortwitz und verschmitztem Humor – ganz groß. Optisch erinnert der subjektiv im Vintage-Look gehaltene Film mit seinen warmen, aber nicht sehr farbkräftigen Bildern schon mal an Scorseses Hugo Cabret, hat aufgrund des manchmal osteuropäisch anmutenden Folklore-Filmscores (in den sich aber auch Western-Elemente mischen) aber auch schon mal etwas vom leichtfüßigen Humor eines Alles ist erleuchtet. Im Zusammenspiel zwischen der bewegenden Geschichte, dem befreiend-offenem Humor, den tollen Schauspielern und den eingestreuten Fantasysequenzen stellt sich schon nach kurzer Zeit ein wohliges Gefühl ein, das bis zum Ende nicht mehr abreißen will. Wenn Little Boy dann auch noch mit klugen und keineswegs naiven Weisheiten daherkommt („messe deine Größe nicht vom Boden zum Kopf, sondern vom Kopf zum Himmel und du wirst der größte Junge der der Stadt sein“), kann man nicht anders als den Film ins Herz zu schließen – ein modernes Märchen im Gewand eines Dramas, das überdies Stereotype aufbricht und das Herz am rechten Fleck hat. Da kann man auch schon mal über das etwas dick aufgetragene Ende und über die zahlreichen „Zufälle“ hinwegsehen, die passieren, um Pepper den Weg zu ebnen. Der Filmtitel „Little Boy“ spielt im Übrigen nicht nur auf die geringe Größe des Hauptdarstellers an, sondern dient auch als Anspielung auf die Atombombe gleichen Kosenamens, die auf Hiroshima abgeworfen wurde und den Krieg zwischen den USA und Japan beendete.

Bild- und Tonqualität

Weder Bild-, noch Tonqualität von Little Boy lassen sich bewerten, da zu Rezensionszwecken leider nur ein Streaminglink zur Verfügung stand. Grundsätzlich erscheint das Bild jedoch in warmen Farben, mit weichzeichnender Filterung und einem Look, der perfekt zur Zeit passt. Über Schärfe, Detailgrad und Farbdarstellung lässt sich allerdings final anhand des Streams nichts Verlässliches sagen.

Bonusmaterial

Auch das Bonusmaterial von Little Boy stand nicht zur Verfügung. Laut Anbieter sind aber entfernte Szenen mit an Bord.

Fazit

Nur selten kommt es vor, dass Filme bedingungslos positiv erscheinen und trotz unterschiedlicher Elemente rundherum so geglückt sind, wie es hier der Fall ist – Little Boy ist ein ganz großes Stück Kino voller Poesie, Humor und starker Bilder. Warum gibt es so etwas eigentlich nicht öfter? Und warum schafft es so ein toller Film nicht mal zu einem deutschen Kinostart?
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: keine Wertung möglich
Tonqualität (dt. Fassung): keine Wertung möglich
Tonqualität (Originalversion): keine Wertung möglich
Bonusmaterial: keine Wertung möglich
Film: 90%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: USA/Mex 2015
Regie: Alejandro Gomez Monteverde
Darsteller: Jakob Salvati, Emily Watson, Michael Rapaport, Cary-Hiroyuki Tagawa, David Henrie, Eduardo Verastequi, Tom Wilkinson, Kevin James, Ted Levine
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 107
Codec: AVC
FSK: 6

Trailer zu Little Boy

Trailer LITTLE BOY (Deutsch) mit Michael Rapaport, Kevin James und Emily Watson

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