Blu-ray Review
OT: La Tour
Nichts
Französischer Film, der Quarantänehorror mit Gesellschaftsdrama zu verquicken sucht.
Inhalt
Plötzlich ist da etwas Schwarzes draußen. Hinter der Haustür, hinter den Fenstern und überhaupt überall, wo man zuvor die Stadt und den Nachthimmel gesehen hat. Alles, was die Bewohner in die Dunkelheit werfen, verschwindet im Nirgendwo. Ein Mensch, der hindurchgehen möchte, wird praktisch nahtlos abgeschnitten. Handys funktionieren nicht mehr und der Strom bricht zusammen. Die Bewohner im Inneren des Hochhauskomplexes reagieren mit Angst und Panik. Doch das ist nicht alles, denn die verschiedenen Kulturen und Gruppierungen bilden einen gefährlichen Schmelztiegel, der unter den Umständen zu explodieren droht …
Die (sicherlich auch durch die Covid-19-Pandemie inspirierte) Geschichte, eine Gruppe von Menschen in einem engen Umfeld abgeschottet von der Außenwelt zu porträtieren, ist nicht ganz neu. Ähnliche Szenarien nutzten auch Genrefilme wie [Rec], The Pink Cloud oder Host – wobei Letzterer im virtuellen Raum stattfand. Auch Melodramen wie Songbird loteten aus, was unter Quarantäne-Bedingungen geschehen kann. Regisseur Guillaume Nicloux will seinen Lockdown Tower aber vor allem im Horrorgenre verortet wissen. Und die Prämisse dafür ist so schlecht nicht. Unterschiedliche Kulturen, die in einem der runtergekommenen Hochhäuser der Banlieues, also der vernachlässigten französischen Großstadtrandzonen, aufeinandertreffen und unter Extrembedingungen das Überleben sichern müssen. Da ist es natürlich vorprogrammiert, dass man es mit Konflikten zu tun bekommt. Tatsächlich beginnt der Film mehr wie ein Sozial-/Gesellschaftsdrama, das ausgiebig Gebrauch von Bildern und Motiven macht, die man durchaus auch als klischeehaft bezeichnen kann. Hier der Block der afrikanischstämmigen Einwanderer, dort die Gruppe der arabisch verwurzelten Menschen und natürlich auch die verarmten und der Unterschicht zugehörigen weißen Franzosen.
Das ist erst einmal eine nachvollziehbare und an potenziellen Dynamiken theoretisch sehr reichhaltige Ausgangsbasis. Zumal die Enge eines großen Wohngebäudes für viel klaustrophobische Atmosphäre sorgen könnte, wenn man es geschickt nutzt. Zu Beginn tut Nicloux das auch und man fragt sich als Zuschauer natürlich, was dieses schwarze Etwas ist, das da draußen alles verschluckt, was mit ihm in Berührung kommt. Doch diese Bedrohung durchs Außen (die man gesellschaftspolitisch als Metapher für den Staat und die Verwaltung sehen könnte, die solche Wohnkomplexe sich selbst überlässt) wird nach der kurzen Einführung quasi komplett ignoriert. Ja, die Menschen im Inneren scheinen auch weiterhin nicht raus zu können, aber Nachforschungen, was dahinterstecken könnte; Lösungssuche, um dem Ganzen zu entrinnen – all das findet nicht statt. Das größte Problem des Films ist aber der Mangel eines echten Spannungsbogens. Nach etwas über 20 Minuten ist klar, dass bereits einige Tage, vielleicht sogar Wochen vergangen sind. Allerdings wird das anhand der Handlungen und Eskalationen überhaupt nicht nachvollziehbar. Eine Einteilung in Kapitel oder Einblendungen vergangener Zeit hätten hier Wunder bewirkt. Ebenso plötzlich wie dann Eskalationen passieren heißt es „Araber halten zu Arabern“, „Schwarze zu Schwarzen“ und „Weiße zu Weißen“ – auch dafür gibt’s keinerlei Hintergrund. Es gab keine vorherige offene Konfrontation zwischen den unterschiedlichen Gruppen.
Und dann, obwohl das Thema schwindender Nahrung kaum thematisiert wird, geht’s plötzlich um Kannibalismus. Die dramatische Zuspitzung der Geschehnisse ist einfach nicht spürbar. Dazu kommen ungelenke Momente wie jener nach etwas über 25 Minuten, die Dramatik bewirken sollen, aber inszenatorisch, schauspielerisch und vom Schnitt her einfach nicht funktionieren. Apropos „nicht funktionieren“: Wie man auf die Idee kam, auch noch Voodoo-Themen zu integrieren, erschließt sich leider gar nicht. Was wirklich positiv ist, sind Musik-/Score-Integration und die Lichtstimmung. Mit gelblichen und ockerfarbenen Tönen ausgeleuchtet wird die Stromknappheit visuell erfahrbar und die zunehmend ungepflegter werdenden Erscheinungen sehen dadurch noch kranker aus. Inhaltlich dauert es bis zur 74. Minute, bevor ein Ereignis mal für einen denkwürdigen Moment sorgt. Bezeichnenderweise ist es hier ein zweijähriges Kind, das Emotionen hervorruft, während die erwachsenen Darsteller stets mehr oder weniger hölzern agieren.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bild- und Tonqualität BD
Lockdown Tower wurde digital gefilmt. Das sieht man recht eindeutig am ziemlich glatten Look, der nur von einem ganz dezenten digitalen Rauschen durchzogen wird. Oberflächen wirken nicht selten fast ein bisschen zu glatt. Wenn es dann dunkler wird, ziehen sich leichte Rauschstreifen horizontal durch das Bild und auch die Schärfe dürfte durchgängig etwas besser sein. Close-ups gehen in Ordnung, sind aber nie wirklich richtig knackig scharf. Der Kontrastumfang ist mitunter etwas zu steil angelegt, weist aber in aller Regel keine allzu starken Versumpfungen auf. Hier und da könnte es etwas besser durchzeichnet sein, aber wir wollen mal nicht so kleinlich sein. Farblich konzentriert sich das Geschehen auf einen eher kränklichen Look. Mit vorwiegend gelben, sepia- und ockerfarbenen Tönen folgt die visuelle Gestaltung der generell eher düster-apokalyptischen Atmosphäre. Optisch wirkt das bedrückend, unangenehm und verstörend. Außerdem irgendwie schwül und schwitzig – und das lässt den Film an vielen Stellen spannender erscheinen als seine Story eigentlich ist. Der Schwarzwert reicht zwar weit hinab, tendiert aber etwas ins Bläuliche. Das wird nicht nur in den Haaren auffällig, sondern auch immer dann, wenn jemand ein Fenster ins Nichts öffnet. Für den guten Ton von Lockdown Tower sorgen zwei DTS-HD-Master-Tonspuren fürs Deutsche und Französische. Da sich das Geschehen hauptsächlich actionarm und dialoglastig vorwärts bewegt, gibt’s allerdings kaum Anlass für dynamische Auswüchse. Fallen nach knapp 75 Minuten vereinzelte Schüsse, hallen diese recht authentisch nach und bieten auch ein wenig Knalleffekt. Der Score bleibt meist dezent im Hintergrund, wo er für Unbehagen sorgt und von den Tonspuren wirkungsvoll integriert wird. Hier und da gibt’s auch unterschwellig sonores Wummern oder Brummen, wenn sich Unheil auf den Weg macht. Das passiert zum Beispiel nach gut 82 Minuten, wenn unsere Hauptprotagonistin aus der Wohnung geht. Knisterndes Feuer, das später überall zu hören ist, wird ebenfalls realistisch aufbereitet, doch insgesamt bleibt das Geschehen dezent und ohne große Dynamiksprünge. Hier wäre durchaus noch ein bisschen mehr drin gewesen.
Bild- und Tonqualität UHD
Kameramann Christophe Offenstein nahm Lockdown Tower mit der ARRI Alexa Mini LF auf. Diese zeichnet mit 4.5K auf. Offenstein nutzte die Mini LF, da er die Schärfe sehr mag und sie ihm mehr Spielraum in der Postproduktion gibt, wenn er ein Bild strafft oder heranzoomen muss. Außerdem empfindet er, dass er mit der mit der ALEXA Mini LF eine perfekte Farbwiedergabe hat, bei der vor allem Rottöne nicht unterdimensioniert sind. Gleichzeitig liefere sie mehr Details bei sehr schwachem Licht, da sie große Unterschiede bei den Blendenwerten akzeptiert. Da bei Lockdown Tower viel bei sehr schwachem Licht gedreht wurde, war gerade das sehr wichtig. Die Mini LF kann eine Abweichung von 16 Blendenstufen verkraften, ohne dass die Spitzlichter ausbrennen. Für die UHD Blu-ray masterte Capelight das Ganze mit HDR10 und natürlich auch mit einem im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum. Ob ein 4K-DI erstellt wurde, war leider nicht in Erfahrung zu bringen. Im laufenden Film allerdings ist nur selten überhaupt Gelegenheit, um Unterschiede in der Auflösung auszumachen. Während der Innenraumszenen ist es oftmals im Hintergrund dunkel und die Gesichter im Vordergrund sind auch nicht exorbitant gut aufgelöst. Die Tageslicht-Außenansicht des Gebäudes direkt zu Beginn leidet etwas unter den ausgeblasenen Details vor dem hellen Himmelshintergrund. Die feinen Details der Stufen und Geländer am oberen Bereich haben zudem einen bläulichen Schein, sodass die Abgrenzung der Details vor dem hellen Himmel schwer fällt. Die UHD Blu-ray wirkt hier vor allem aufgrund der besseren Kontrastdynamik etwas souveräner und klarer, weist dadurch etwas mehr Tiefe auf. Wirklich besser aufgelöst erscheint sie allerdings nicht. In Sachen Helligkeit ist die HDR-Scheibe dezent, aber nicht wesentlich dunkler gemastert. Das sorgt in aller Regel für etwas plastischere Bilder, die weniger überstrahlen. Die Spitzlichter bleiben allerdings verhältnismäßig identisch und sind kaum heller oder prägnanter. Farblich tut sich ebenfalls wenig. Die leicht gelblichen Töne der Blu-ray werden nun etwas bräunlicher dargestellt. Ansonsten lassen sich hier kaum Differenzen ausmachen. Das Encoding allerdings ist durchweg besser.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD Blu-ray ist dezent dunkler und zeichnet deshalb etwas plastischer durch.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD Blu-ray ist etwas klarer, aber nicht zwingend sichtbar besser aufgelöst.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD Blu-ray ist mehr dem Braunen verschrieben.
UHD HDR10 (Slider ganz nach links):
UHD HDR10 (Slider ganz nach links):
UHD HDR10 (Slider ganz nach links):
UHD HDR10 (Slider ganz nach links):
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Lockdown Tower besteht aus dem Trailer und einem Interview mit Guillaume Nicloux, das auf französisch geführt wurde. Es ist natürlich untertitelt und läuft rund 20 Minuten. Dazu gibt’s beim Mediabook das 24-seitige Booklet, das ebenfalls noch einmal ein Interview mit dem Regisseur verschriftlicht hat.
Fazit
Lockdown Tower beginnt mit einer starken Prämisse der Bedrohung von außen, die im Inneren zu Spannungen führt. Allerdings lässt der Film die wirklich interessanten Motive fallen, integriert unlogische Momente, die ebenfalls keine Bedeutung mehr haben und lässt den Zuschauer komplett im Unklaren darüber, warum plötzlich Dinge eskalieren oder zu welchem Zeitpunkt nach dem ursprünglichen Day Zero man sich befindet. Einzig Atmosphäre, Kameraarbeit und Musik ragen heraus, während der Film sein Potenzial leider ungenutzt liegen lässt. Die UHD Blu-ray tut’s dem Film gleich, da sie sich nur marginal von der Blu-ray unterscheidet, allerdings im Encoding besser arbeitet.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 70%
Bildqualität UHD: 70%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 70%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 40%
Film: 40%
Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: F 2022
Regie: Guillaume Nicloux
Darsteller: Angèle Mac, Hatik, Ahmed Abdel Laoui, Kylian Larmonie, Merveille Nsombi
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, fr
Untertitel: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 89
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Disk-Kapazität: BD-66
Real 4K: (?? DI)
High Dynamic Range: HDR10
Maximale Lichtstärke: 1000 Nit
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Capelight Pictures)
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Trailer zu Lockdown Tower
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Wirklich Dolby Vision? Mein TV zeigt es nicht an. Player steht auf DV Ausgabe.
Nee, sorry. DV kam noch aus der Textvorlage. Steht im Text oben aber korrekt drin.
dayum schade darum….. 🙁