Lost Girl – Fürchte die Erlösung

Blu-ray Review

Tiberius Film, 02.03.2017

OT: One Eyed Girl

 


Das Mädchen mit der Geige

Ebenso bedächtig erzählter, wie bedrückender Film über Schuld, Erlösung und falsche Führer.

Inhalt

Travis arbeitet seit einiger Zeit als Psychiater in einer Anstalt. Dort hat er vor kurzem erleben müssen, wie sich eine Patientin das Leben genommen hat. Ausgerechnet die junge Frau, die ihn berührt hatte und der er scheinbar helfen konnte. Nun muss er für drei Wochen den Zwangsurlaub antreten, weil er vor Frust eine anderen Patienten angegriffen hat. Der jungen Dame, die ihm im Bus ein Prospekt andrehen will, begegnet er entsprechend brüsk. Doch weil er dermaßen durch den Wind ist, kommt er dennoch zur Selbsthilfegruppe, deren Treffen auf dem Zettel propagiert werden. Als Analytiker weiß er natürlich, wo der Hase lang läuft und nimmt die Gruppe nicht ernst. Ein Grund, warum er bei einem Meeting, auf das er mehr aus Langeweile geht, die dort Anwesenden harsch kritisiert. Doch nachdem er eine Überdosis Medikamente geschluckt hat, um sein (Selbstmit)Leid zu beenden, bekommt er es mit der Angst zu tun und ruft ausgerechnet bei den Mitgliedern der Gemeinschaft an. Die retten ihm das Leben und bringen ihn auf ihre Farm. Dort regiert ein Irak-Veteran namens Jay, der seine „Jünger“ allerdings mit teils zweifelhaften Methoden auf den Pfad der Tugend bringt. Travis, der seinen Körper erst einmal entgiften muss, lässt sich (zweifelnd) darauf ein und erhält bald die Erkenntnis, dass seine Seele Schmerzen hat. Doch auf diese Selbsterkenntnis folgt das Grauen. Denn Travis beobachtet, was Jay mit dem jungen Marcus macht …

Aus Australien kommt dieser Mix aus Drama und Psychothriller, der mit langen Einstellungen seiner Protagonisten und einem sehr zurückhaltenden Filmscore vor allem solche Zuschauer anspricht, die Geduld haben, damit sich eine Geschichte vor ihren Augen entwickeln kann. Lost Girl – Fürchte die Erlösung braucht etwas Zeit, bevor man weiß, wohin die Reise geht und nutzt sie, um die Hauptfigur und dessen Schmerz ausgiebig vor dem Betrachter auszubreiten. Zwar kann man die Qualen von Travis gut nachvollziehen, doch Mark Leonard Winter (The Dressmaker) ist nicht gerade die Idealbesetzung. Er hat ein wenig Mühe, Sympathien für sich zu entwickeln, da er zunächst einfach zu weinerlich wirkt. Von dem Moment an, da man ihm mit Grace (überzeugend: Tilda Cobham-Hervey) ein Gegenüber verpasst, kommt Dynamik in die Geschichte von Lost Girl, dessen Geschichte sich dann vom Drama nach und nach zum Thriller entwickelt. Auch die Szenen mit Gruppenleiter Jay sorgen für intensive Momente, die näher an der Realität zu sein scheinen als viele große Filmproduktionen, die von Sekten und deren charismatischen Führern handeln. Und obwohl der Grund für Travis‘ Seelenschmerz nicht überraschend kommt und sich lange andeutet, übertreibt es Lost Girl nicht mit den analytischen Spielchen, sondern bleibt erstaunlich realistisch. Belächelte Travis die Methoden der Gruppe zunächst, helfen sie ihm tatsächlich zumindest so weit, dass er sich wieder im Spiegel anschauen kann und der Film lässt gerade in diesem Moment nachvollziehbar werden, warum viele Menschen so anfällig sind, für ähnliche Sekten/Vereinigungen. Da Jays Einwirkungen auf Travis nicht übertrieben zwanghaft geschildert werden, muss man zunächst in den subtilen Zwischentönen nach dem suchen, was ihn zum Dämon macht. Nach gut einer Stunde wird’s dann ein wenig plötzlich vordergründig, um die Thriller-Aspekte stärker zu fokussieren. Und darauf folgend gerät der Konflikt etwas hastig außer Kontrolle. Hier fehlt es Lost Girl ein wenig an der sich kontinuierlich entwickelnden Dramatik. Allerdings gelingen dem Film im Verbund mit dem im 20-minütigen Finale häufig von einem akustischen Feedback getragenen Sound sehr bedrückende Szenen, die für Travis‘ Geschichte sogar noch eine unerwartete und sehr konsequente Wendung finden.

Bild- und Tonqualität

Lost Girl hat schon in den Szenen der Gegenwart ein eher flaues, kontrastschwaches Bild, dessen Farben nicht sonderlich ausgeprägt sind. Während der Rückblenden verfärbt es sich dann deutlich Richtung Grün oder blaulila und wirkt kränklich. Die Schärfe ist nur während der konzentrierten Close-ups wirklich gut, ansonsten bleibt sie mittelmäßig.
Akustisch bleibt Lost Girl zwar meist vollkommen auf die Front beschränkt, was aber dem Verlauf geschuldet ist. Denn wenn es die Macher wollen, öffnet sich der Raum ebenso plötzlich wie angenehm erfüllt. Beispielsweise, wenn Travis von den Mitgliedern der Gruppe wiederbelebt wird (25’02). Hier wandern Stimmen und Geräuscheffekte massiv durch den Raum. Auch der Gesang beim Lagerfeuer gelingt hübsch räumlich (62’30).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Lost Girl findet sich neben dem Audiokommentar mit dem Regisseur und zweier Darsteller noch ein Musik-Clip sowie insgesamt vier Featurettes über das Cast, das Produktionsdesign und zwei bestimmte Szenen.

Fazit

Mangelndes Tempo macht Lost Girl mit eindrücklicher Atmosphäre und einem Ende wett, das durchaus noch nachhallt. Da die Psychoanalyse innerhalb des Films weitgehend allzu krasse Stereotype vermeidet, gehört der australische Film durchaus zu den besseren Vertretern ähnlicher Geschichten.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%

Anbieter: Tiberius Film
Land/Jahr: AUS 2014
Regie: Nick Matthews
Darsteller: Mark Leonard Winter, Steve Le Marquand, Tilda Cobham-Hervey, Craig Behenna, Kate Cheel, Sara West
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 103
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Lost Girl – Fürchte die Erlösung

One Eyed Girl Official Trailer 1 (2014) - Thriller HD