Love & Mercy

Blu-ray Review

Love & Mercy Blu-ray Review Cover
Studiocanal, seit 15.10.2015

OT: Love & Mercy

 


Hundstöne

Das Biopic über Brian Wilson von den Beach Boys ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Film.

Inhalt

Brian Wilson, Hauptkomponist der Beach Boys ist Zeit seiner kreativen Phase in den 60er und 70er Jahren ein komischer Kauz. Die häufigen Reisen und die Marketingmaßnahmen sind nichts für den von diversen Ängsten beherrschten, äußerst sensiblen Musiker. Manche behaupten gar, er habe Stimmen im Kopf, was zunehmend nur noch schwer zu leugnen ist. Nachdem er von sich selbst nicht weniger erwartet, als das beste Album aller Zeiten zu produzieren und damit zu beweisen, dass nicht die Beatles, sondern er der beste Songwriter überhaupt ist, gelingen ihm die Kompositionen der beiden legendären LPs „Pet Sounds“ und „Smile“. Doch der Druck der Plattenfirma sowie der Bandkollegen fördern ebenso seine Depressionen wie seine Drogensucht und der herrische Vater. Zwanzig Jahre später ist er psychisch und körperlich am Ende, lernt während eines Autokaufs aber die hübsche Melinda Ledbetter kennen, die sich trotz der Eigenarten in den Beach Boy verliebt. Dem Glück der Zwei steht allerdings die Kontrolle des Therapeuten Dr. Eugene Landy im Weg. Der kümmert sich 24 Stunden am Tag um Wilson, erinnert ihn an die Tabletten und fährt dem Freiheitsdrang des Musikers immer wieder in die Parade …

Love & Mercy funktioniert ein wenig anders als gewöhnliche Biopics. Die Handlung wird nicht linear erzählt, sondern springt zwischen zwei Zeitebenen hin und her. Einerseits sind da die 60er Jahre, in denen der Kopf der Beach Boys seine kreative Blüte er- und auslebt. Fast alle Hits gehen in dieser Zeit auf das Konto des Bassisten und Keyboarders der Band. Die Kamera begleitet diese Jahre bewusst wackelig, oft aus dem Hintergrund spähend und improvisatorisch. Das verstärkt extrem den Eindruck des dokumentarischen Charakters des Biopics. Das hier zusätzlich angewandte Korn und die Farbverfälschungen tragen ebenfalls dazu bei, dass man sich mitten in den 1960ern befindet. Abgesehen von den optischen Spielereien ist es vor allem das unfassbare Schauspiel von Paul Dano. Der junge Darsteller, der fast jeden Film seiner Karriere zu einem Ereignis werden lässt (vgl. Little Miss Sunshine), hat für die Rolle nicht nur kräftig zugelegt, sondern spielt dermaßen intensiv, dass einem Angst und Bange werden kann. In jeden seiner Gesichtsausdrücke legt er eine Mischung aus Unschuld, Wahnsinn und Emotionalität, leidet sichtlich und wird mit jeder Minute mehr und mehr zu der Figur, die er spielt. In diese Phase fallen auch die vielen Szenen im Studio, die endgültig wirken als wohne man einer Musikdoku bei – zumal Love & Mercy praktisch nie einen vollständigen Song integriert, sondern meist die Rohfassungen im Vorstadium.

Die zweite Erzähl- und Zeitebene behandelt die 80er, in denen Wilson körperlich und seelisch ein wandelndes Wrack ist. Als er die Autoverkäuferin Melinda kennenlernt, lebt er zwar privat wieder auf, ist aber gezeichnet von den Medikamenten in seinem Körper und seinen scheinbar schizophrenen Anfällen. Noch dazu leidet er unter dem Einfluss seines Therapeuten (eklig-manipulativ: Paul Giamatti). Diese Periode bekommt deutlich weniger Screentime, ist dafür aber wesentlich geradliniger und filmischer inszeniert. Die Kamera ist hier ruhig und nicht der heimliche Beobachter. Der Fokus liegt auf der sich entwickelnden Beziehung zu Brians zukünftiger Ehefrau Melinda Ledbetter (überzeugend: Elizabeth Banks), die trotz aller Versuche seitens Landys, sie zu vergraulen, hartnäckig bleibt und am Ende obsiegen wird. Wenngleich auch die späte Phase von einem grandiosen John Cusack getragen wird, der zuletzt viel zu sehr in B-Movies chargieren musste, kann man hier sicherlich kritisieren, dass man sich mit Landy ein Feindbild genommen hat, an dem man nicht ein gutes Haar lässt. Tatsächlich hatte der Therapeut zu Beginn der 90er so viel Einfluss auf Wilson, dass dieser für ihn das Testament änderte. Außerdem beantragte Landy die Vormundschaft über seinen Patienten. Doch während der 70er Jahre hat Landy Wilson vermutlich durch seine Maßnahmen das Leben gerettet – ein Aspekt, der in Love & Mercy allerdings unerwähnt bleibt.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Love & Mercy ist, wie oben bereits erwähnt, zweigeteilt in den Look der 60er und jenen der 80er. Die frühe Zeit wird von etwas ausgewaschenen Kontrasten, einem herben Korn und einer eher schwachen Schärfe bestimmt. Dazu kommt die wackelige Kamera. Die spätere Phase hat deutlich ruhigere Einstellungen, ist nicht ganz so körnig, lässt aber in dunklen Bereichen Details versumpfen. Akustisch hätte man sich von einem Biopic über einen genialen Musiker vielleicht ein wenig mehr Druck gewünscht. Love & Mercy ist während der Filmsongs eher etwas schwachbrüstig, wenngleich die vielen halluzinatorischen Szenen mit zahlreichen räumlichen Effekten aufgepeppt werden und bei der Ohrfeige des Herrn Papa plötzlich der Subwoofer ins Geschehen eingreift. Experimentell und angereichert mit innovativen Sounds ist die Tonspur allerdings definitiv. Bisweilen nicht gelungen ist die Einbettung der Dialoge, die gegenüber den Musik- und Effektmomenten dauerhaft viel zu leise sind. Möglich, dass das bewusst so gestaltet wurde, um zu verdeutlichen, welchen Lärm Wilson ertragen musste, doch für Heimkino-Freunde bedeutet das, immer wieder den Lautstärkeregler zu bedienen.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Love & Mercy erwarten den Käufer der Blu-ray ein 25-minütiges Making-of sowie ein Feature über den Look des Films. Ergänzend gibt’s vier entfernte Szenen und den Audiokommentar, den Regisseur Pohlad gemeinsam mit dem ausführenden Produzenten Oren Moverman einsprach. Das Making-of kommt Brian Wilson oftmals noch näher als der Film selbst – bis hin zu Interviewschnipsel, die verdeutlichen, dass Wilson keine sonderlich angenehme Kindheit hatte,

Fazit

Love & Mercy ist experimentell und sperrig – kein Biopic, das sich mal eben im Vorbeigehen konsumieren lässt. Wer dran bleibt und sich drauf einlässt, wird mit hervorragenden Darstellerleistungen, toller Musik und nachhaltigen Bildern belohnt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 75%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2015
Regie: William Pohlad
Darsteller: John Cusack, Paul Dano, Elizabeth Banks, Paul Giamatti, Jake Abel
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 122
Codec: AVC
FSK: 16