Blu-ray Review
OT: Lovecraft Country – Season 1
Das Grauen unter der Oberfläche
Mit Lovecraft Country kommt eine ganz neue Art von Genremix in Serienlänge ins Heimkino.
Inhalt
Atticus Freeman hat im Korea-Krieg gedient. Nun kommt er nach Hause in die Heimat. Und zwar nach Chicago. Dort möchte er etwas darüber in Erfahrung bringen, warum sein Vater seit einiger Zeit vermisst wird. Das Land leidet derweil nach wie vor unter der Rassentrennung. Und Atticus, selbst Afroamerikaner, kann ein Lied von den Auswirkungen der Jim-Crowe-Gesetze singen. In einer Zeit, in der Schwarze lediglich im Baseball so etwas wie Anerkennung erlangen können, im Bus aber nach wie vor hinten zu sitzen haben, befragt er zunächst seinen Onkel George nach seinem Vater. George entziffert in dem Brief, dass der Vater etwas von Ardham, Massachussets schrieb. Und so macht sich Atticus gemeinsam mit George und Leti, einer alten Schulfreundin auf die Suche. Es wird eine Reise quer durch das halbe Land. Eine Reise, die eine stets akute Gefahr enthält, von Rassisten aufgemischt und gelyncht zu werden. Doch es scheint, als hätte das Trio einen Schutzengel, der sie immer wieder vor dem Schlimmsten bewahrt. Ein Schutzengel der allerdings nicht ganz irdischer Natur zu sein scheint …
Eine der ungewöhnlicheren Serien der letzten Jahre dürfte die über HBO gesendete Show Lovecraft Country sein. Basierend auf der gleichnamigen Novelle von Matt Ruff verknüpft die Serie Motive des Horror-/Fantasy-Autoren H.P. Lovecraft mit dem Rassismus in den USA der 1950er. Die Rassentrennung bildet dauerhaft den Hintergrund dieser Serie. Nicht nur hören wir eingespielte politische Kommentare, sondern bekommen auch gezeigt, wie es in den USA zu Zeiten der Segregation gewesen ist: Extra Schalter für „colored people“ am Diner, Schilder, auf denen „Niggers“ auf Basis der sogenannten „Sonnenuntergangsstädte“ als unerwünscht bezeichnet werden und Halbstarke, die unseren Protagonisten mit Affengeräuschen und -bewegungen entgegen treten. Dinge, die in der Serie zwar in den 50ern spielen, die aber trotz dem Inkrafttreten des Civil Rights Acts auch heute noch nicht komplett überwunden sind. Selbst in den europäischen Fußballstadien sind die Affenrufe sporadisch noch zu hören. Und so ist es durchaus naheliegend, dass Misha Green, die Showrunnerin von Lovecraft Country ihre Serie als Spiegel der neuerlichen Rassenunruhen und des neuerlichen Aufkeimens rassistischer Tendenzen in den USA verstanden wissen möchte.
Doch das ist natürlich nur die halbe Wahrheit der Serie. Denn was als Rassendrama beginnt, zeigt nach etwas über 50 Minuten sein zweites, höchst überraschendes Gesicht. Während unser Hauptdarstellertrio von einem rassistischen Sheriff gestellt wird, auf dass dieser mit seinen Kollegen eine private Ku-Klux-Klan-Lynchparty gestalten kann, schreiten plötzlich riesige Monster mit Dutzenden Augen ein und fressen sich durch die Anwesenden. Dass Lovecraft hier Pate stand, ist unübersehbar und Lovecraft Country zelebriert das mit hervorragend animierten Viechern sowie teils praktischen, teils digitalen, aber beiderseits sehr gelungenen Make-up-Effekten. Wenn der Ton nicht dauerhaft auch ein wenig humorvoll ironisierend wäre – vor allem die Interaktionen innerhalb des Trios unserer Hauptfiguren betreffend – wäre vermutlich selbst die 18er-FSK-Einschätzung grenzwertig. Denn hier geht’s wirklich nett splattrig zu.
Doch, Vorsicht: Das Verhältnis der Vorlage, mithin also auch das Verhältnis der Serie zum ikonischen Horrorautor des 19./20. Jahrhunderts ist ambivalent. Denn Lovecraft selbst sagt man nicht von ungefähr nach, dass er homophob und ein Rassist war. In seinem Gedicht „On the Creation of Niggers“ von 1912 heißt es bspw.
When, long ago, the gods created Earth — In Jove’s fair image Man was shaped at birth. — The beasts for lesser parts were next designed; — Yet were they too remote from humankind. — To fill the gap, and join the rest to Man — Th’Olympian host conceiv’d a clever plan. — A beast they wrought, in semi-human figure, — Filled it with vice, and called the thing a Nigger.
Der „Nigger“ war also (so Lovecraft in dem Gedicht) für die Götter, die die Menschheit erschufen, als Ersatz für die „Bestien“ vorgesehen. Als „Missing Link“ zu den Bestien. Der „Nigger“ sei ein „Biest“ mit „halbmenschlichem“ Antlitz, das mit „Laster angefüllt“ sei.
Auf eben jenes Gedicht wird schon in der ersten Episode der Serie verwiesen. Atticus gibt gleichzeitig aber auf die Frage, warum er Bücher von Edgar Rice Burroughs lese, in denen ein Ex-Konföderierten-Soldat der Held ist (also einer, der die Sklaverei verteidigt hat) zur Antwort: „Geschichten sind wie Menschen. Man nimmt sie wie sie sind, mit ihren kleinen Fehlern. Man drückt ein Auge zu. Und er liebe einfach die Geschichten über die Helden.“
Lovecraft Country nutzt die Motive der Lovecraft-Geschichten, in denen es immer auch darum ging, dass hinter der Fassade der Gesellschaft irgendwo das Grauen lauert (von dem einige Kritiker meinen, er bezöge sich damit auf den Afroamerikaner), um sie auf den Rassismus, welcher der US-Gesellschaft unterliegt, anzuwenden. Gleichzeitig erkennt die Serie durchaus aber auch an, welche Bedeutung der Horror-Autor für die Popkultur und Horrorliteratur hat. Es gibt also immer zwei Lesarten einer Biografie und Lovecraft Country setzt sich mit beiden auseinander.
Gleichzeitig schafft es die Serie trotz leichter erzählerischer Längen eine ganz eigene Atmosphäre zu schaffen, die immer wieder mit ungewöhnlichen Ideen aufwartet und (wie erwähnt) nicht mit ironischem Humor spart. Trotz des ernsten Themas, das ihr unterliegt, bietet Lovecraft Country eben auch Unterhaltung. Und das sowohl für Horrorfans als auch für jene, bei denen Unterhaltung auch mit etwas Anspruch gepaart sein darf. Ungewöhnlich mag er sein, dieser Trip nach Lovecraft Country, aber eben auch ungewöhnlich gut und ungewöhnlich atmosphärisch.
Bild- und Tonqualität
Dass Lovecraft Country komplett digital aufgenommen wurde, merkt man von der ersten Szene an. Sind die Aufnahmen während des Traums zu Beginn noch stark stilisiert, bekommen wir ab dem Moment, da es in die Gegenwart der Serie geht, kräftige Farben, sehr ausgeprägte Kontraste und eine wirklich hohe Laufruhe. Das Grün der Maisfelder ist wunderbar satt und auch die dunkle Hautfarbe der Protagonisten wird sehr dynamisch dargestellt. Und das bei gleichzeitig sehr knackigem Schwarzwert, der nie Gefahr läuft, dass das Bild auf dunklen Anteilen versumpft. Gerade hier liegt oft die Gefahr, wenn ein Film oder (wie hier) eine Serie mit vielen dunklen Bildanteilen spielt. Auf der anderen Seite leuchten helle Bildanteile mit toller Intensität, sodass man fast schon eine erhöhte Dynamik vermuten könnte. Das ist in puncto Bildqualität bei einer Serie derzeit mit das Maß der Dinge. Erstaunlich, wie gut hier produziert wurde. Denn auch das Encoding überzeugt auf ganzer Linie und erlaubt sich keine digitalen Artefakte. Ohnehin wird man Blockrauschen oder Banding hier nicht zu Gesicht bekommen. Trotz „nur“ Dolby Dgital für den deutschen Ton (das mit 0.6 Mbps läuft) beginnt die erste Episode mit einem äußerst räumlichen Geschehen, während wir das fantastische Kriegsgeschehen sowie den großen Cthulhu zu sehen bekommen. Sobald Musik ins Spiel kommt, ist es stets sehr schön aufgefächert und über alle Speaker aufgeteilt. Die Dialoge kommen derweil professionell synchronisiert, aber hier und da etwas verhallt zum Ohr. Hier wäre es schön gewesen, wenn man sich am authentischeren Soundgefüge des O-Tons orientiert hätte. Der englische Ton liegt in unkomprimiertem DTS HD-Master vor und langt in den sehr dynamischen und effektvollen Szenen (wie eben jener zu Beginn von Episode I) durchaus noch mal etwas kräftiger hin. Wenn nach knapp zwei Minuten das Lovecraft’sche Wesen aus der Erde bricht, geht’s schon noch ein bisschen dynamischer zu. Allerdings muss sich die deutsche Fassung nicht unbedingt dahinter verstecken, wie das ansonsten bei DD-Spuren gerne schon mal der Fall ist. Authentischer, homogener und weniger verhallt sind dafür die Originalstimmen. Wunderbar satt kommt dann nach 14 Minuten während der ersten Folge der Subwoofer ins Spiel, während ein fetter Hip-Hop-Song eingespielt wird. Und wenn die Monster der Show nach knapp einer Stunde erstmalig auftreten, fetzen die schweren Tritte wuchtig durchs Heimkino und man hört die schnatternden und knurrenden Geräusche von überall.
Bonusmaterial
Fünf Featurettes finden sich im Bonusmaterial von Lovecraft Country. In „Orithyia Blue und die Vorstellungskraft von Diana Freeman“ pickt man sich die Figur der Diana heraus, während „Lovecraft Country“: Eine Übersicht des Horrors vor allem auf die unterschiedlichen Monsterkreaturen und die fantastischen Aspekte der Serie Bezug nimmt – ein schön schauriges Featurette, das gerade Fans von Masken und Kreaturen gefallen wird. Im HBO-Special: „Lovecraft Country – Die Ausstattung“ nimmt man sich gut eine halbe Stunde Zeit, den Look der Serie zu beschreiben – angefangen bei den zeitgenössischen Elementen bis zu den übernatürlichen Phänomenen, dem Look in der Zukunft oder den Szenen im Korea-Krieg. Auch die Ardham Lodge wird noch einmal besucht und in einzelne Räume „auseinandergenommen“. Für eine TV-Serie ein sehr umfangreiches Hintergrund-Featurette. Acht Charakter-Featurettes schließen sich an und vier weitere Featurettes kümmern sich um die Künstler/Handwerker hinter der Serie. Es ist schon beachtlich, wie viel Aufwand heutzutage für eine TV-Serie betrieben wird. Weit hinter reguläre Kinofilme fällt das nicht mehr zurück.
Fazit
Lovecraft Country ist bizarr, skurril, witzig, entlarvend, bitter und ziemlich blutig. Ein Potpourri an verschiedenen Zutaten, das manchmal fast anarchisch wirkt und sich nichts aus Genrekonventionen macht. Dazu sieht die Show blendend aus und bietet unter der Oberfläche genug Futter, das zum Nachdenken anregt. Man wurde schon wesentlich schlechter unterhalten, selbst wenn nicht jeder Darsteller durchweg überzeugend agiert und auch nicht jede Story besonders tiefgreifend wird.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 70%
Serie: 80%
Anbieter: Warner Home Video
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Mish Green
Darsteller: Jonathan Majors, Jurnee Smollett, Courtney B. Vance, Michael Kenneth Williams, Abbey Lee, Aunjanue Ellis, Wunmi Mosaku, Jada Harris.
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // Dolby Digital 5.1: de
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 550
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Warner Home Video)
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Trailer zu Lovecraft Country
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Yepp, die erste Folge gesehen. Toller Tip, danke für‘s Review. Bin schon gespannt wie‘s weitergeht…
Preacher ist besser
Ist schon sehr abgefahren 😉
Hm, okay … mit deiner Rezi hast du es geschafft, bei mir doch wieder Interesse an der Serie zu wecken, die ich für mich eigentlich schon wieder abgeschrieben hatte. Und das als Lovecraft-Fan … 😉
Das muss ich ebenfalls zugeben. Danke für das Review.