Lucky

Blu-ray Review

OT: Lucky

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LUCKY BD 2D
Alamode Film, 03.08.2018

 

 


Ungatz

Für Harry Dean Stanton ist in seinem letzten Film alles eine Frage der Perspektive.

Inhalt

Luckys Morgenritual umfasst eine genussvolle Zigarette, ein paar etwas ungelenke Gymnastik-Übungen und ein eiskaltes Glas Milch, das immer bereits eingeschüttet im Kühlschrank steht. Lucky ist das, was man einen Einzelgänger oder Sonderling nennt – und das schon seit 90 Jahren. Denn so alt ist Lucky mittlerweile. Seinen besten Freund hat er in Joe, dem Betreiber eines Diner ein paar Kilometer entfernt, zu dem er tagtäglich in seinen ausgelatschten Cowboy-Stiefeln läuft, um Kreuzworträtsel zu lösen. Naja, Freund wäre zuviel gesagt, wenn man bedenkt, dass Lucky ein ausgewiesener Sarkast ist und Konversation aufs Nötigste beschränkt. Als er eines Tages unvermittelt für einen Moment ohnmächtig wird, lässt er sich vom Doc durchchecken. Der allerdings attestiert ihm eine Mischung aus guten Genen und zähem Hund – kann also nichts entdecken. Selbst das Rauchen würde er ihm nicht verbieten wollen, denn das würde Lucky wohl eher schaden als helfen. Und obwohl er praktisch gesund ist, lässt es ihn doch nachdenklich werden und sich mit seinem möglichen Ableben beschäftigen …

Was für ein besseres Vermächtnis für einen großartigen Schauspieler könnte es geben, als dass dessen letzter Film eine liebenswerte Hommage an ihn selbst ist? Harry Dean Stanton – bekannt durch sensationelle Rollen in Alien, Die Klapperschlange oder Paris, Texas – ist Dreh- und Angelpunkt in Lucky. Oft wird man sich fragen, ob man der Filmfigur oder Stanton selbst zuschaut, wenn er ohne jede Berührungsangst seinen knochigen und halbnackten Körper im Altherren-Yoga vor der Kamera quält.
Ähnlich wie David Lynch in seinem Meisterwerk The Straight Story dem famosen Richard Farnsworth ein Denkmal setzte, bevor dieser kurze Zeit später verstarb, ist es nun dessen Namensvetter John Carrol Lynch, der (s)einen Film rund um seinen Hauptdarsteller Harry Dean Stanton dreht. Fast schon unheimlich, dass Stanton in The Straight Story als Farnsworths Filmbruder ebenfalls mitspielte und David Lynch hier eine kleine Nebenrolle hat – der Kreis schließt sich mit Lucky also.
Dass er seinem Hauptdarsteller so liebevoll die Ehre erweist, liegt sicherlich auch darin begründet, dass sein Kollege John Carroll Lynch hier sein Regiedebüt gibt. Der aus großartigen Nebenrollen wie dem Norm Gunderson in Fargo oder Deputy Warden McPherson aus Shutter Island bekannte Schauspieler bekam Drehbuch und Regie ein wenig unvermittelt zugetragen, war allerdings (vollkommen zu Recht) fasziniert und gleichsam bewegt von der Geschichte, die seinen Kollegen Stanton in den zentralen Mittelpunkt stellt. David Lynch, ganz nebenbei, hat eine großartige Nebenrolle: Wenn er die Flucht seiner Schildkröte „Roosevelt“ beklagt, die immerhin zwei seiner Ehefrauen überlebt hat und er dies als ausgemachten Plan des Kriechtieres darstellt, ist das der Humor, den nur Menschen mit einer gewissen Lebenserfahrung so grandios rüberbringen können.

Ebenso grandios wie Stantons Kommentare zu seinem plötzlichen Umfallen. Es ist schon entwaffnend witzig, wenn ein 90-jähriger Mann davon spricht, dass er „auf seinen knochigen Hintern“ gefallen ist. Schon alleine der anschließende Besuch beim Arzt zur Klärung des möglichen Problems lohnt den ganzen Film. Wenn ein großartiger Ed Begley Jr. dem verdutzten Patienten seine Diagnose mitteilt, dass er schlicht und ergreifend alt (und jeden Tag älter wird), um ihm im Anschluss einen Lolli zu geben, weil er so brav war – sensationell.
Aber natürlich ist Lucky nicht nur voll mit lakonischem oder altersstarrsinnigem Humor, sondern eben auch wunderschön-melancholisch. Wenn sich Lucky am Abend seiner „Diagnose“ ins Bett legt, sich traurig zusammen kauert und dazu Johnny Cashs I See a Darkness ertönt, ist das sicher plakativ, aber eben auch berührend.
Unglaublich ist dabei, wie klar und geordnet Stanton als Schauspieler mit seinen 90 Jahren rüberkommt. Da erinnert er sich mit einem Angehörigen der Army an die Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg und schildert ein fiktives Erlebnis, als käme es direkt aus seinen eigenen Erinnerungen – eine Gänsehautszene. Ebenso wie sein improvisiert vorgetragener spanischer Song auf der Fiesta, auf die man ihn eingeladen hat.
Und dann, ganz nebenbei, fällt eine Weisheit über das Leben und den Tod, die so ehrlich und authentisch rüberkommt, dass man wahrhaftig das Gefühl hat, Stanton hätte in diesem Moment eine Laudatio auf sein eigenes Ableben gehalten.
Eins ist nach dem Schauen von Lucky auf jeden Fall sicher: Keiner hat mehr Anmut, wenn er in feinrippiger Unterwäsche und Cowboystiefeln seinen Kaktus wässert. Und keinem Schauspieler wird es möglicherweise je wieder gelingen, mit so viel Würde dem Sonnenuntergang in der Wüste entgegen zu stapfen.

Bild- und Tonqualität

Lucky spielt in der Wüste. Deshalb wäre wäre alles andere als ein warm gefiltertes Bild ziemlich erstaunlich und kaum authentisch. Ein leichter Gelbfilter liegt über dem Geschehen und verdeutlicht die staubig-warme Atmosphäre nur noch mehr. Der digital gefilmte Streifen ist selbst in den Himmels-Hintergründen erstaunlich ruhig, die sonnig ausgeleuchteten Szenen überreißen allerdings bisweilen ein wenig im Kontrast. Das sorgt dann für etwas arg helle und überkontrastierte Momente. Vorzüglich ist die Schärfe – und zwar sowohl in Close-ups als auch in Halbtotalen. Und das ist für viele Einstellungen schon mal die halbe Miete. Zumal das natürlich Harry Dean Stantons Charaktergesicht so richtig zur Geltung kommen lässt. Der Kontrastumfang passt in den Innenraumaufnahmen besser als bei den Außenszenen und lässt das Bild dort sehr dynamisch wirken. Farben kommen hier auch wesentlich kräftiger rüber als in den etwas zu hellen Außen-Aufnahmen.
Akustisch bleibt das Geschehen in Lucky vornehmlich auf die Front beschränkt. Selbst Umgebungsgeräusche öffnen die Bühne nur ganz dezent nach hinten, klingen dann aber recht angenehm und authentisch. Außerdem kommen die Dialoge absolut sauber und verständlich aus dem Center. Die Filmmusik sorgt in ihren Momenten für eine zumindest schön breite Stereo-Ebene und ist bisweilen auch etwas dynamisch.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Lucky beginnt zunächst mit zwei Interviews. Eines bestreitet Regisseur Lynch, das andere fügt die Drehbuchautoren/Produzenten Logan Sparks und Drago Sumonja zusammen. Lynch ist ein Lexikon voller Anekdoten und ein dermaßen sympathischer Kerl, dass es einem warm ums Herz wird. Sobald er erzählt, wird dem Zuschauer warm ums Herz. Die beiden Autoren/Produzenten ergänzen sich gegenseitig in Verehrung vor Harry Dean Stanton. Insgesamt laufen die zwei Interviews gut 45 Minuten.
In „Wim Wenders präsentiert Lucky“ hören wir dem deutschen Regisseur zu, wie er den Film auf dem Around-the-World-in14-Days-Festival präsentiert. Auch Wenders hat einige Anekdoten preiszugeben, kannte er ihn aus den gemeinsamen Filmen doch selbst sehr gut. Das Featurette zu „Lucky“ ist ein kurzer Zusammenschnitt aus den Interviews mit eingefügten Filmausschnitten. Die B’Roll begleitet für zwei Minuten die Arbeit hinter der Kamera während des Drehs einer Szene mit Harry Dean Stanton. Der Trailer zum Film rundet das Angebot ab.

Fazit

Ebenso bewegend-melancholisches wie lebensbejahendes und urkomisches Drama mit einem geradezu göttlichen Harry Dean Stanton – R.I.P., „Brain“.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 70%
Film: 90%

Anbieter: Alamode Film
Land/Jahr: USA 2017
Regie: John Carroll Lynch
Darsteller: Harry Dean Stanton, David Lynch, Ron Livingston, Ed Begley Jr., Tom Skerritt, Beth Grant, James Darren, Barry Shabaka Henley, Yvonne Huff
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 0

Trailer zu Lucky

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