Blu-ray Review
OT: The Upside
Von Ohren und neuen Chancen
Das US-Remake von Ziemlich beste Freunde erblickt das Licht der Heimkino-Welt.
Inhalt
ell ist gerade aus dem Knast raus und braucht drei Unterschriften unter Bewerbungsversuche, um seine Bewährungshelferin zufrieden zu stellen. Der Zufall führt ihn in eine Bewerbung für einen Lebenshelfer. Wie sich herausstellt, soll der Anwärter einem querschnittsgelähmten Herren im Alltag helfen. Also so rein gar nichts für Nichtsnutz Dell. Doch weil Philip, so der Name des seit einem Paragliding-Unfalls im Rollstuhl sitzenden Mannes, ihn an einer wunden Stelle trifft, beginnt er die Arbeit am nächsten Tag. Zunächst scheint es kaum Verbindung zwischen den beiden zu geben. Doch weil Philip die schroffe, aber ehrliche Art Dells beeindruckt, taut man nach und nach auf. Es entwickelt sich eine Freundschaft, aus der beide ihre Lehren fürs Leben ziehen werden …
Die Amerikaner mögen keine europäischen Filme, das steht fest. Sie können es nicht leiden, Untertitel zu lesen. Eine Synchron-Industrie gibt es erst Recht nicht. Und weil das so ist, haben Filme vom alten Kontinent in der neuen Welt keine Chance. Jetzt gibt es aber Ausnahmefälle. Solche Filme, von denen man sogar in den USA Wind bekommt. Solche, deren großer Erfolg über den großen Teich schwappt. Einer von diesen Filmen war Ziemlich beste Freunde. Und wenn die Amerikaner etwas so toll finden, dass sie es dem eigenen Publikum präsentieren wollen, dann drehen sie es kurzerhand neu. Dass das aber nicht immer von Erfolg gekrönt ist, musste zuletzt Til Schweiger mit seinem Remake von Honig im Kopf schmerzhaft erfahren. Manchmal aber funktioniert es – zumindest dort, wo es funktionieren soll. Also in den USA. Dort spielte die Neuverfilmung mit dem Titel Mein Bester & Ich erstaunlich gute 108 Mio. Dollar ein. Davon kann Schweiger nur träumen. Sein Head Full of Honey kam auf katastrophale 12.350$. Und das trotz hochkarätiger Besetzung. Die hat allerdings auch Mein Bester & Ich. Und das mag ein Grund sein, warum der Erfolg dann doch kam. Denn mit Bryan Cranston in der Rolle des Querschnittsgelähmten hat man den seit Breaking Bad extrem beliebten Darsteller verpflichtet und ihn um Kevin Hart ergänzt, der in den USA beim afroamerikanischen Publikum viel Zugkraft hat. War noch was? Ach ja, Nicole Kidman spielt auch noch mit.
Jetzt ist es so, dass die Story von Ziemlich beste Freunde nicht mal sonderlich war. Sie war sogar erstaunlich schlicht. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Der Film von Olivier Nakache und Éric Toledano ist grandios. Auch heute noch. Aber eben vor allem aufgrund des unglaublichen Zusammenspiels von Omar Sy und François Cluzet. Wie der vollkommen von Respekt befreite Driss seinen Job beim zu betreuenden Philippe antritt, nachdem er eigentlich nur einen Stempel für die Vorstellung haben wollte, um weiter Stütze zu beziehen; wie sich beide im Fortlauf dann gegenseitig schätzen lernen und voneinander lernen – das wird von Cluzet und Sy unnachahmlich dargeboten. Cranston und Hart funktionieren ebenfalls zusammen. Allerdings ist die Stimmung von Beginn an anders. Alles wirkt deutlich demotivierter. Das Thema Tod schwingt permanent mit, was im Original überhaupt kein Thema war. Dass P. von seinem neuen Lebenshelfer die Unterschrift unter eine Patientenverfügung verlangt, wäre dem französischen Film nie passiert. Dazu dauert es gefühlt ewig, bis Bryan Cranston mal ein Lachen über die Lippen kommt. Der Film wirkt von Beginn an schwerer und deprimierender. Als müsse man den Zuschauer mit dem Holzhammer auf sämtliche dramatischen Umstände hinweisen. Die Leichtigkeit des Originals geht Mein Bester & Ich verloren. Kein kindliches Freuen über das Luxuszimmer, keine Frotzeleien zwischen Dell und Assistentin Yvonne (Magalies Rolle wird hier von Physiotherapeutin Maggie übernommen). Dazu kommt Kevin Hart als Dell nicht wie ein etwas schnoddriger, aber fröhlicher Kerl rüber. Vielmehr ist er griesgrämig, zynisch und (sorry) ein rassistischer Arsch.
Bild- und Tonqualität
Relativ düster kommt das Bild der Blu-ray von Mein Bester & Ich rüber. Der Kontrastumfang ist aufgrund ständig eher grauer und abgedunkelter Tageslicht-Szenen reduziert und gleichzeitig ist der Schwarzwert nicht perfekt. Ab und an wird Schwarz auch noch von einer leichten Grüneinfärbung getrübt, was man gut in Cranstons Bart in dunklen Szenen sehen kann. Dafür ist die Bildruhe wirklich sehr gut. Kein Korn oder Rauschen trübt das Auge. Farben sind etwas entsättigt, was gut zum Film passt. Akustisch ist Mein Bester & Ich dominanter als das Original. Wenn Hart aufs Gaspedal des Ferrari tritt, wird das auch von den Speakern schön rotzig wiedergegeben. Auch die Soul-Songs gelingen dynamischer und New York führt ein eigenständigeres atmosphärisches Eigenleben. Dialoge haben eine relativ breite Brust, brummeln aber bisweilen etwas, was die Sprachverständlichkeit ab und an beeinträchtigt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Mein Bester & Ich gibt’s ein Making-of sowie Interviews mit den beiden Protagonisten und dem Regisseur. Das Making-of läuft allerdings nur drei Minuten, was eher einem längeren Trailer mit Erklärungen gleicht.
Fazit
Mein Bester & Ich amerikanisiert zahlreiche Aspekte des Originals, was fürs dortige Publikum sicherlich einen einfacheren Zugang ermöglichte. Wer das Original nicht kennt, kann mit Bryan Cranston und Kevin Hart durchaus mitfühlen. Fans des französischen Films werden mit Neil Burgers Film aber nur bedingt warm.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 60%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Neil Burger
Darsteller: Kevin Hart, Bryan Cranston, Nicole Kidman, Aja Naomi King
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 125
Codec: AVC
FSK: 6
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universum Film)