Mikro & Sprit

Blu-ray Review

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Studiocanal, seit 06.10.2016

OT: Microbe et Gasoil

 


Unschlagbares Duo

Michel Gondry inszeniert einen herrlich entspannten und authentischen Film über das Heranwachsen zweier Außenseiter.

Inhalt

Daniel wird von allen nur „Mikro“ genannt, weil er ein wenig kleiner ist als die anderen. Er ist aber nicht nur kleiner, sondern auch ein bisschen anders und noch dazu künstlerisch ziemlich begabt. Dann kommt Théo in seine Klasse. Den nennen alle Sprit, weil er ein bisschen nach Benzin riecht. Außerdem ist er aber ziemlich erfinderisch, klug und noch dazu gegenüber den angesagten Jungs erhaben und abgeklärt. Beide sind die Außenseiter an der Schule und Daniel hat es mit einer Mutter, die ihn nicht versteht, auch nicht gerade leicht. Es ist also nur logisch, dass sich die zwei Jungs anfreunden. Gemeinsam erzählen sie sich alle Geheimnisse (auch die intimen) und basteln irgendwann an Motoren rum. Dann kommt ihnen die Idee, eine echtes Auto zu bauen. Aus Schrotteilen und einem in Schuss gebrachten Motor basteln sie sich eine Hütte auf Rädern und wollen damit durch Frankreich fahren. Dumm, dass die Zulassungsstelle den Jungs einen Strich durch die Rechnung macht, weil das fertige Automobil einfach nicht die Norm erfüllt. Dennoch halten sie daran fest, modernisieren die Karosserie zu einer Hütte, um darin zu schlafen und überlisten mit dem Trick sogar die Polizei (so hoffen sie jedenfalls). In den Sommerferien geht es los und es beginnt ein Roadtrip voller Abenteuer …

Michel Gondry, Regisseur so bizarrer Kleinode wie Vergiss mein Nicht, überrascht mit diesem gefühlvollen Jugenddrama/Roadmovie, das sich nicht davor scheut, auch die sensiblen Themen wie Masturbation oder Sex der Eltern anzusprechen. Erstaunlich, wie frisch und unverkrampft die beiden Hauptdarsteller dabei aufspielen. Vor allem Théophile Baquet liefert eine überzeugende Vorstellung ab. Wenn er als erwachsener Kunstkenner verkleidet als einziger Gast die Ausstellung vom Daniel besucht und dabei den Eindruck erweckt, dass sie bis zum Bersten gut besucht ist, ist das große Kinderdarstellerkunst. Mikro & Sprit ist dabei zwar sichtlich französisch, aber eben nicht typisch überdreht. Außerdem nimmt sich der Film ausgiebig Zeit, seine Hauptfiguren vorzustellen. Es dauert gut 50 Minuten, bevor die Reise im „Wohnmobil“ losgeht, dennoch ist keine Minute davon zu lang geraten. Wer sich nicht an seine eigene Kindheit erinnert fühlt, der hatte vermutlich keine. Und dabei ist Mikro & Sprit herrlich altmodisch. Handys werden gegen Karten getauscht und als „Demütigung der Jugend“ tituliert und alter Erfindungsgeist kommt vor Email-Adresse und Suchmaschinen. Stets bleibt der Film dabei nahe an seinen Figuren und ihren Empfindungen. Sogar die zwischen Freunden sehr sensiblen Themen wie Heranwachsen oder der Wunsch nach einer Freundin werden ohne die sonst übliche Dramatisierung geschildert. Das hat manchmal einen etwas zu erwachsenen Touch, funktioniert aber gerade wegen des außergewöhnlichen Charakters von Théo hervorragend. Lange hat man schon keinen so real wirkenden Film über Jungsfreundschaft mehr gesehen und fühlt sich mitunter gar an die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry erinnert. Selbst wenn gesellschaftspolitische Themen auf die Tagesordnung gelangen. Am Ende der Reise stehen dann natürlich zwei reifere und erfahrene Jungs, die mehr Mut dazu haben mussten, zurückzukehren als erst wegzufahren. Und selbst wenn die finale Einstellung so gar nichts mit hollywoodähnlichem Happy-End zu tun hat, schadet das dem authentischen Film kein Stück – gut gemacht, Michel Gondry!

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Mikro & Sprit ist im ungewöhnlichen Format von 1,66:1 gemastert und grundsätzlich zu hell und milchig. Im gut ausgeleuchteten, weiß gestrichenen Zimmer der Mutter gibt’s kaum Kontraste (7’50). Farben bleiben eher matt und hätten mehr Kraft vertragen. Dafür ist die Bildruhe sehr gut. Sämtliche Einstellungen sind rauschfrei und ohne jedes Korn. Auch die Detaildarstellung auf Sprits (Kunst)Lederjacke ist gut.
Beim Sound von Mikro & Sprit bleibt das Geschehen grundsätzlich frontlastig und konzentriert sich voll und ganz auf die Dialoge. Naturatmosphäre öffnet den Raum ein wenig und wenn das Autohaus durch die Gegend knattert, ist das sogar gut aufgelöst. Die Filmmusik nutzt dazu des Öfteren sämtliche Kanäle, ohne jedoch große Dynamiksprünge zu vollziehen.

Bonusmaterial

Im elfminütigen Making-of von Mikro & Sprit, das sehr nahe an den Arbeiten hinter der Kamera ist, erzählt Gondry, was ihn zu diesem Film inspiriert hat. Die Bauten an dem Vehikel werden ebenfalls beleuchtet und der Geist des Films kommt authentisch rüber.

Fazit

Mikro & Sprit ist einer der schönsten Jugendfilme der letzten Zeit und funktioniert sowohl als unbeschwerter Roadtrip wie auch als bewegender Film über Freundschaft ohne Bedingungen. Ein herzliches Plädoyer für junge Außenseiter ist er noch obendrein und damit eine echte Empfehlung.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: Frankreich 2015
Regie: Michel Gondry
Darsteller: Ange Dargent, Théophile Baquet, Diane Besnier, Audrey Tautou, Vincent Lamoureux, Agathe Peigney, Douglas Brosset, Charles Raymond
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fr
Bildformat: 1,66:1
Laufzeit: 104
Codec: AVC
FSK: 6

Trailer zu Mikro & Spirit

Mikro & Sprit | Trailer | Ab jetzt im Kino!

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