Blu-ray Review
OT: Moonlight
Schwimmen lernen
Ausgezeichnetes afroamerikanisch geprägtes Drama.
Inhalt
Chiron wächst in Liberty City/Miami auf – der ärmsten Gegend der Stadt. Weil er unter den Gleichaltrigen nicht wirklich gemocht und „Little“ genannt wird, ist sein Leben alles andere als einfach. Zudem hat er von seiner nach Crack süchtigen Mutter kaum Unterstützung zu erwarten. Als der lokale Drogenboss Juan mit Beharrlichkeit Zugang zu dem verschlossenen Jungen sucht, scheint es für Chiron endlich jemanden zu geben, der ihm offen begegnet und nicht mit Vorurteilen kommt. Denn Vorurteile kann Chiron kaum brauchen, immerhin spürt er früh, dass er Jungs mag und keine Mädchen. Weil die Gleichaltrigen das ahnen, erfährt „Little“ immer wieder Gewalt und wird ausgegrenzt. Selbst als Jugendlicher bessert sich das nicht, bis er sich schließlich zur Wehr setzt …
Moonlight, der Überraschungs-Oscar-Gewinner für die Kategorie „Bester Film“ beschreibt die Coming-of-Age-Story eines kleinen Jungen, der seine eigene Stimme und Identität zu finden sucht. Als schwuler schwarzer Jugendlicher ist man eine Minderheit unter Minderheiten und wird praktisch von allen Seiten gegängelt.
Autor Tarell Alvin McCraney, auf dessen Stück In „Moonlight Black Boys Look Blue“ der Film basiert, wuchs exakt dort auf, wo Chiron herkommt und hatte als homosexueller Jugendlicher mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen. Sein Skript lässt also ganz offenbar starke autobiografische Züge durchschimmern. Aber auch Jenkins kennt die Menschen aus seinem Film. Er kennt die Gegend vom Stadteil Liberty City in Miami, in der auch er aufwuchs und weiß, unter welchen Umständen man dort sozialisiert wird und lebt. Um größtmögliche Authentizität zu wahren, war es deshalb von Beginn an klar, dass er seinen erst zweiten Langfilm „on Location“, also in Liberty City drehen wollte – und das mit einer Kamera, die stets ganz nahe dran ist. Oft bleibt sie dabei auf dem jungen Alex Hibbert, der „Little“ verkörpert, obwohl die Dialoge und Handlung neben ihm geschieht. Der Fokus liegt also ganz auf der Hauptfigur, die als Akteur genauso wichtig ist, wie es die Reaktionen auf seinem Gesicht sind, wenn er auf sein Umfeld reagiert. Während der fast poetischen Szene im Meer schwappt immer wieder Wasser über die Kamera, was dem Zuschauer das Gefühl vermittelt, er lerne genauso wie Chiron selbst das Schwimmen.
Bild- und Tonqualität
Moonlight hat dieses gelb gefilterte Bild, das man von Filmen und Serien kennt, die in Miami spielen. Es intensiviert sehr stark die Atmosphäre, die von der Stadt ausgeht, deren feucht-warme Sommer und die umliegenden Sümpfe für dieses ganz besondere Flair sorgen. Leider schleichen sich durchweg Unschärfen im Randbereich ein (Gesicht bei 2’20, Beine und Schuhe 3’15) und die generelle Auflösung ist aufgrund des deutlichen Korns und der authentischen Kameraführung nicht immer gut. Manchmal scheinen komplette Seiten nicht fokussiert zu sein, als hätte die Linse der Kamera eine Richtcharakteristik gehabt (Mahershala Ali 6’18). Wenn Figuren ruhig im Vordergrund stehen, kann man auf den Gesichtern hingegen nahezu jedes Detail ausmachen. Innenräume wirken insgesamt natürlicher und weniger eingefärbt und manche Szenen in Dunkelheit sind phänomenal kontrastreich (22’10). Helle Bereiche reißen überdies extrem aus, was Stilmittel sein kann, aber wirklich nicht gut aussieht.
Beim Sound von Moonlight bleibt die Konzentration zunächst auf den Dialogen. Allerdings schwappt das Meer nach gut 20 Minuten durchaus authentisch ins Heimkino. Die Stimmen dürften etwas mehr Volumen haben, muss man doch verhältnismäßig laut machen, um sie unterhalb des restlichen Sounds zu verstehen. Druckvoll wird’s dann in Abschnitt drei „iii Black“, wenn unsere Hauptfigur zu fetten Beats in seinem Straßenkreuzer durch die Gegend fährt (67’00).
Bonusmaterial
Im Bonusbereich von Moonlight trifft man auf einen Audiokommentar des Regisseurs sowie ein Making-of und auf Bilder von der Premiere in Berlin. Letzteres ist noch einmal aufgeteilt in Aufnahmen vom roten Teppich, ein Bühnengespräch nach der Premiere und ein Interview mit Barry Jenkins. Der Regisseur zeigt sich als äußerst angenehmer, höflicher und reflektierter Filmemacher, der vom Erfolg seines Films durchaus überrascht wurde.
Das Making-of gliedert sich in vier Bereiche auf: „Drehen in Miami“ stellt heraus, wie wicht es war, den Film vor Ort zu drehen und (teilweise) mit Leuten aus der Gegend zu besetzen, die noch nie in einem Film mitgespielt hatten. „Die Besetzung“ geht noch tiefer in die Materie und stellt nicht nur die Filmemacher und Hauptdarsteller vor, sondern kümmert sich noch mal sehr intensiv um die Geschichte und die Vorlage.
„Die Filmmusik“ lässt dann Komponist und Pianist Nicholas Britell (The Big Short) zu Wort kommen, der erzählt, wie er daran ging, die drei unterschiedlichen Lebenspunkte der Hauptfigur musikalisch miteinander zu verknüpfen. „Die Rolle der Filmmusik“ schließlich geht noch mal kurz darauf ein, welche Bedeutung die unterschiedlichen Gefühle der Figuren für die musikalische Untermalung hatten.
Fazit
Moonlight ist der verdiente Oscargewinner 2017 und wird nicht nur deshalb in Erinnerung bleiben, weil man zunächst den falschen Namen verkündete. Ganz im Gegenteil: Die auf drei Zeitebenen geschilderte Geschichte eines Außenseiters bewegt, ist spannend und herausragend gespielt. Pflichtprogramm für Freunde des anspruchsvollen Kinos.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 60%
Film: 90%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Barry Jenkins
Darsteller: Trevante Rhodes, Mahershala Ali, André Holland, Naomie Harris, Janelle Monáe, Ashton Sanders, Jharrel Jerome, Alex Hibbert
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 112
Codec: AVC
FSK: 12