Blu-ray Review
OT: News of the World
Von Stadt zu Stadt
Der jüngste Film mit Tom Hanks erlebt seine Premiere hierzulande bei Netflix.
Inhalt
Das Jahr 1870: Captain Jefferson Kyle Kidd ist „Captain“, weil er während des Sezessionskriegs auf Seiten der Konföderierten kämpfte. Nun, fünf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs, reist er von Stadt zu Stadt und erzählt jenen, die es wünschen (und zahlen) von den Nachrichten aus der Welt. Konkret bietet er seine Dienste als Vorleser der Zeitungen an und nimmt dafür ein paar Cents pro Zuhörer. Damit kommt er gut über die Runden und kann einen gewissen Dienst an der Menschheit tun. Denn obwohl Kidd auch von der Meningitis erzählt, schöpfen die Lauschenden auch Hoffnung, wenn er von den Fortschritten beim Bau der Eisenbahn berichtet, die Städte und Menschen verbinden wird. Dass er bald etwas stärker gefordert und gebraucht wird, wird ihm klar, als er auf freiem Feld während seiner aktuellen Etappe eine umgestürzte Kutsche entdeckt. Neben dem Unfallszenario findet er einen gelynchten Native American sowie ein scheues junges weißes Mädchen. Eigentlich will es eine Patrouille der Unionsarmee, dass Kidd das Mädchen zu einem Stützpunkt der Unionisten bringt. Dort würde man dafür sorgen, dass Johanna, so ihr Name, zum Stamm der Kiowa gebracht wird, wo sie trotz ihrer Herkunft aufgewachsen war. Allerdings verhindert ein kleines Detail dieses Vorhaben und man bittet Kidd selbst darum, Johanna zu den Kiowa zu bringen. Ein weiterer Zwischenfall führt dazu, dass Kidd diese Mission tatsächlich zu seiner eigenen macht. Da das Mädchen aber praktisch nur die Sprache des Stammes sowie ein paar Wörter Deutsch spricht, gestaltet sich die Kommunikation zwischen den beiden schwierig. Doch wo es beim Sprechen hapert, funktioniert es beim Verhalten. Denn je länger die zwei zusammen reiten, desto öfter müssen sie füreinander einstehen – und das auch in sehr gefährlichen Situationen …
Und noch ein weiteres Filmopfer von Covid-19. Als ob es nicht schon genug große Produktionen gegeben hätte, die aufgrund der weltweiten Pandemie nie ein Lichtspielhaus von innen gesehen haben, trifft es nun auch den jüngsten Film mit Tom Hanks. 2017 hatte Fox 2000 Pictures die Rechte der gleichnamigen 2016er Romanvorlage von Paulette Jiles gekauft, um eine Verfilmung auf den Weg zu bringen. Durch die Übernahme von Fox durch Disney verkaufte man die Rechte dann an Universal Pictures, nachdem bereits der Regisseur und ein Großteil der Besetzung feststand. Universal ließ dann ab September 2019 drehen und brachte den Film im Dezember 2020 in die US-Kinos. Freilich ziemlich limitiert, da auch in USA nur wenige Lichtspielhäuser geöffnet hatten. Ganze 10 Mio. Dollar Einspiel sprechen eine deutliche Sprache, wenn es darum geht, zu beklagen, dass ohne Pandemie bei Weitem mehr drin gewesen wäre.
Ein Resultat davon: Für die internationalen Territorien (außer China) verkaufte man Neues aus der Welt an Streaminganbieter Netflix, wo er (ungewöhnlich) am 10. Februar (also einem Mittwoch) an den Start geht.
Dort ist er dann in guter Gesellschaft einiger anderer Filme, die über Netflix ausgewertet werden, obwohl sie ursprünglich mal einen regulären Kinostart angepeilt hatten.
Neues aus der Welt führt das Team Hanks/Greengrass wieder zusammen. Der Regisseur hatte mit dem beliebten Darsteller bereits 2013 bei Captain Phillips zusammengearbeitet. Das Wasser verlassen sie nun und bewegen sich auch rund 140 Jahre in der Zeit zurück. Der Wilde Westen bestimmt das Setting, wenngleich Greengrass auch hier nicht komplett ohne zeitgemäßen Kommentar auf Politik auskommt. Dazu später mehr.
Es geht hier auch nicht um Piraten, sondern um das Überwinden von Gegensätzen. Um eine Freundschaft zwischen einem alternden Mann und einem jungen Mädchen. Einem Mädchen, das bei Native Indians aufwuchs – mithin keiner Gesellschaftsgruppe, deren Freund Kidd während des Sezessionskriegs gewesen wäre. Nicht dass Kidd lieber alleine reist, muss er sich nun auch noch um ein Mädchen kümmern, das er nicht versteht und das ihn nicht versteht. Beide müssen aneinander wachsen, wobei oft die Frage ist, wer von beiden wem mehr Weisheit vermitteln kann. Tom Hanks als Jefferson Kidd ist entspannt wie er es seit einigen Jahren bereits in all seinen Filmen ist. Er muss niemandem mehr etwas beweisen, indem er sich um Kopf und Kragen spielt. Er ist der ruhende Pol, den nie wirklich etwas aus der Fassung bringen kann – selbst die bisweilen kreischende Johanna nicht. Diese wird vom deutschen Nachwuchsstar Helena Zengel gespielt, die seit Systemsprenger ganz offenbar weltweite Anerkennung genießt. Nun kann sie sich ihre erste internationale Produktion auf die Vita schreiben und meistert ihren Part neben Tom Hanks hervorragend. So gut gar, dass sie bereits mit zahlreichen Nominierungen für große Preise (unter anderem den Golden Globe) nominiert wurde. So gut, dass vor allem Szenen wie jene der gemeinsamen Spracherlernung nach 55 Minuten poetisch, intensiv und sehr bewegend geraten. Zwar gibt es auch einige dramatische Momente und es wird schon mal geschossen, aber ein Großteil der Faszination geht von den intimeren und leiseren Sequenzen aus.
Und außerdem natürlich auch von der Fotografie. Western sind immer dazu angetan, wunderschöne Aufnahmen zu liefern. Und Kameramann Dariusz Wolski nutzt die Szenerie, die ihm die Drehorte in New Mexico lieferten, ausgiebig für fantastische Bilder. Was leider noch mal mehr verdeutlicht, dass Neues aus der Welt unbedingt auf die große Leinwand gemusst hätte.
Was die politische Konnotation angeht: Greengrass deutet seinen Film auch als Kommentar zur aktuellen Lage innerhalb der Pandemie sowie den Ereignissen eines Brexit oder auch der Black Lives Matter Bewegung und der tiefen Spaltung der Gesellschaft (Quelle). Der Regisseur sieht seine Hauptfigur als jemanden, der über das Verlesen der Zeitung Hoffnung verbreitet. Er bietet den Menschen eine Anbindung an Geschehnisse und durch die Nachrichten über die Eisenbahn auch erstaunliche News in puncto Technik. Der Zeitung, so wird im Film sehr deutlich, schenkt man Glauben und sie verbindet die Menschen. Jene Menschen, die (gerade im Süden) noch stark unter den Nachwehen des Bürgerkriegs zu leiden hatten. Die Entzweiung der Gesellschaft ist immer noch greifbar – die Trennung in diejenigen, die in eine neue, liberale Welt aufbrechen möchten und jene, die lieber in der alten Welt geblieben wären, in denen die Sklaverei für Wohlstand sorgte. Greengrass wollte eine Geschichte erzählen, in der die Menschen lernen, wieder zueinander zu finden, was 1:1 übertragbar ist auf die aktuelle US-Gesellschaftssituation, durch die ein tiefer Spalt geht. Immer wieder gibt es Konfliktsituationen, wenn Kidd die Nachrichten vorliest, in denen von Zusatzartikeln und Freiheit der Sklaven die Rede ist. Die hart arbeitenden Texaner sind da nämlich ganz anderer Meinung als die Politik des Nordens. Kidd fungiert hier oft als Moderator und bietet versöhnliche Worte. Einende Worte, die man sich auch heute für die USA wünschen würde. Und dann gibt es da noch diese eine Szene, in der er mit ein paar kurzen Sätzen aus der Zeitung für einen kleinen Aufstand unter den Angestellten eines Südstaaten-Ausbeuters sorgt; in der er für einen Moment der Demokratie in einer ansonsten unterdrückten Mikrogesellschaft sorgt – die Macht der Neuigkeiten aus der Welt, die Macht des gesellschaftlichen Fortschritts.
Bild- und Tonqualität
Neues aus der Welt bekam einen kompletten 4K-Workflow. Aufgenommen mit ARRI-Alexa-LF- und ARRI-Alexa-Mini-LF-Kameras lagen 4.5K an, die über ein 4K-DI gemastert wurden. Netflix zeigt den Film deshalb in Ultra HD 4K, aber ohne Dolby Vision HDR. Überraschend hoch ist bisweilen die Datenrate, die bis vor einiger Zeit noch bei 15.25 Mbps lag, hier aber trotz des Fehlens von Dolby Vision bei 17.04 Mbps liegt. Für das laufende Bild bedeutet das, dass wir es mit einem durchweg sehr scharfen und detailfreudigen Bild zu tun haben. Man schaue sich bspw. nach 4’50 an, wie detailreich der Boden rund um den gecrashten Wagen ist und wie gut die Wolljacke von Kidd aufgelöst ist. In den gut ausgeleuchteten Momenten kommt auch die Kontrastgebung wunderbar rüber, was ebenso für die erdigen Aufnahmen gilt, in denen Vieh über die staubigen Wege getrieben wird. Die Tatsache, dass dunklere Szenen bei verfügbarem Licht gedreht wurden, sorgt zwar für einen Mangel an Durchzeichnung, allerdings durchaus bewusst. Denn gerade solche Szenen sorgen für ein großes Maß an Authentizität. Wenn es wirklich ganz dunkel wird, gibt’s schon mal eine leichte Körnung, die aber eher noch für Atmosphäre sorgt als störend aufzufallen. Insgesamt ein sehr stimmiges Bild, ohne große Schwächen oder gar Artefakte.
Wie üblich bei Netflix liegen die Tonspuren in Dolby Digital Plus fürs Deutsche und Dolby Atmos fürs Englische vor. Konzentrieren wir uns zunächst auf die Synchronspur, darf auch endlich mal Lob ausgesprochen werden. Die Räumlichkeit während des anfänglichen Regens ist exemplarisch gut und die Auflösung wirkt wunderbar fein, wenn die Tropfen fallen. Das Murmeln im Saal kommt geschmeidig rüber und Hanks Synchronstimme legt sich warm und angenehm auf den Center. Wunderschön unterstützend, ohne dominant zu werden, gesellt sich der Tiefbass hinzu, wenn nach etwas über vier Minuten die Filmmusik für einen Moment das Zepter übernimmt. Auch Viehgeräusche und Wind werden sehr stimmig reproduziert. Von allen Netflix-Filmen der letzten Monate gehört Neues aus der Welt in jedem Fall zu den akustisch besten. Das gilt auch für die wenigen Szenen, in denen mal geschossen wird oder wenn die Action für mehr Dynamik sorgt. Dann galoppieren die Hufe der Pferde satt über die Wege, während der Sand fein aufstiebt. Fallen dann die Schüsse, fetzen die Querschläger wunderbar über alle Speaker und beim Sandsturm nach knapp 90 Minuten wird’s gar richtig gewaltig.
Die englische Atmos-Fassung klingt grundsätzlich mehr als ähnlich. Die reguläre Ebene gleicht der deutschen Tonspur bis auf die andere Sprachausgabe wie ein Ei dem anderen. Und da es praktisch kaum dedizierte 3D-Sounds gibt, müssen an dieser Stelle auch nicht viele Worte darüber verloren werden. Hier und da ein wenig Rauschen bei starkem Regen oder etwas Hallgeräusch bei Schüssen sowie eine Spur vom Score – bis ziemlich genau zur 53 Minute, in der etwas Sand von oben herab rieselt und man den Fußtritt des Widersachers hört. Tatsächlich ist das auch der erste Sound, der überhaupt wirklich Sinn macht. Und wenn es Sinn macht, nutzt die Atmos-Fassung diese Möglichkeit. Wie auch nach 84 Minuten, wenn die Kutsche über die Kamera hinweg donnert, was in Summe dann aber schon fast alles in puncto Höhen-Effekte gewesen ist.
Fazit
Neues aus der Welt ist ein wirklich guter Film. Ein langsam, aber intensiv erzählter Film, der vom Schauspiel seiner beiden Hauptfiguren lebt und durch grandiose Landschaftsaufnahmen unterstützt wird. Die vermittelte Botschaft der Hoffnung auf Einigung, der Überwindung von Gegensätzen sowie der Wichtigkeit von Informationen kommt nicht mit dem Zeigefinger sondern behutsam und oft poetisch rüber. In all seiner Pracht und Schönheit wirkt Greengrass‘ Film beim Streaminganbieter ein bisschen wie ein Fremdkörper. Wirklich bedauerlich, dass man dieses Werk nicht auf der großen Leinwand genießen durfte.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 20%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 80%
Film: 90%
Anbieter: Netflix / Universal
Land/Jahr: USA 2020
Regie: Paul Greengrass
Darsteller: Tom Hanks, Helena Zengel, Tom Astor, Mare Winningham, Neil Sandilands, Clay James
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 120
Real 4K: Ja
Datenrate: 17.04 Mbps
Altersfreigabe: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)
Trailer zu Neues aus der Welt
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Streams, BDs und UHD-BDs bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
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- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
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Nun Timo, was denkst Du? An wen erinnert mich die junge Helena Zengel? Richtig, sie ähnelt einer jungen Jennifer Lawrence. Verdammt talentiert die Gute.
Schöner Film, etwas zäh hier und da, aber mit bewegendem Ende. Tolles Bild, dem nur Dolby Vision oder HDR fehlt.
Ja, den Vergleich kann man durchaus ziehen 😉
Das wird ein Pflichtkauf, falls er hoffentlich in geraumer Zeit auf Blu-Ray veröffentlicht wird.