Nicht mein Tag – Noch so ein todsicheres Ding

Blu-ray Review

OT: –

Nicht mein Tag - Noch so ein todsicheres Ding Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, 28.08.2014

 


DO – PE 69

Endlich: Der Guy Ritchie des deutschen Kinos hat wieder zugeschlagen. Mit Nicht mein Tag läuft Peter Thorwarth wieder zu alter Form auf.

Inhalt

Till Reiners sitzt blutüberströmt mit einer Knarre in der Hand irgendwo auf dem Boden eines niederländischen Kreditinstituts. Um ihn herum lauter verängstigte Angestellte und Kunden. Doch so wirklich richtig scheint Till dort nicht zu sein. Eigentlich steht, bzw. sitzt er auf der anderen Seite des Schalters, betreut Privatkunden in einer Bankfiliale und lebt ein beschauliches Leben mit seiner Frau Miriam und dem gemeinsamen Kind. So war es jedenfalls bis vor genau 72 Stunden. Genau drei Tage zuvor hatte er einem prolligen Lederjackentyp namens Nappo einen Kredit für ein Fahrzeug verwehrt und so dessen Zorn erwirkt. Die Wut kanalisiert der Kreditunwürdige und überfällt kurzerhand die Bank. Als auch das irgendwie scheitert, nimmt er Till als Geisel, steckt ihn in den Kofferraum seines 68er Mustang Fastback und düst davon. Doch (Stockholmsyndrom sei dank) natürlich kommt es anders: Irgendwann freunden sich die scheinbar vollkommen unterschiedlichen Typen an, erleben das eine oder andere (Roadtrip)-Abenteuer und Till erweist sich als gar nicht mal so schlechte Ergänzung im Ganovengeschäft. Wenn er es nicht irgendwann übertreiben würde und die halbe albanische Mafia an den Hacken hätte. Nun Muss Nappo ihm aus der Klemme helfen und bals ist klar: In Till steckt mehr Gangster als er dachte und Nappo ist spießiger als ihm lieb ist …

Es gibt sie noch: Neben den allseits überschätzten Dietls und Wedels bewegen sich talentierte Regisseure am alternativen Rand der deutschen Kinoszene und sorgen dort immer wieder für kleine, dafür echte Highlights. Peter Thorwarth ist so einer. Geboren in Dortmund und aufgewachsen in Unna ist er ein echtes Ruhrgebietskind und transportiert das Befinden und den Lokalkolorit der 5-Millionen-Mehrstadt-Metropole treffsicher und charmant wie kaum ein anderer. 15 Jahre ist es nun her, dass er mit Bang Boom Bang die vielleicht beste Gangsterkomödie in die Kinos brachte, die jemals in Deutschland produziert wurde. Es folgten Was nicht passt, wird passend gemacht, in dem er die von ihm mitkonzipierte Serie zum abendfüllenden Spielfilm ausdehnte und 2005 dann Goldene Zeiten – mithin der Abschluss seiner Unna-Trilogie. Gute acht Jahre vergingen, bis er ein Drehbuch fand, das ihm lag – und was für eins: Kein Geringerer als Ralf Husman, seines Zeichens „Stromberg“-Erfinder, lieferte die Vorlage, die von Stefan Holtz für die große Leinwand adaptiert wurde. Auf diese Weise kam eine Geschichte heraus, die nach noch etwas langsamen ersten 15 Minuten ebenso beiläufig wie genial in Fahrt kommt. Die Szene, in der Reiners noch mit seiner Frau über den bevorstehenden Urlaub streitet, während Nappo im Hintergrund schon alle Bankkunden bewaffnet auf den Boden dirigiert, ist gleichzeitig die Eröffnung für eine fulminante Buddy-Komödie. Und zwar eine, die mit großartigen Sprüchen wie „Die Tschechen können Nutten herstellen, keine Autos!“ oder „Holland ist wie zuhause bleiben nur mit wegfahren“ nur so garniert ist.

Das Ganze kann natürlich noch so brüllkomisch geschrieben sein, es würde dennoch nicht funktionieren, wenn Thorwarth nicht auf ein Darstellerensemble vertrauen könnte, das bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt ist. Und das, obwohl man als angestammter Bang Boom Bang-Fan sicher erstmal schlucken muss, wenn man den Namen Axel Stein hört und liest. DERSELBE Axel Stein, der sich bislang eher albern blödelnd in Comedysendungen wie Hausmeister Krause hervorgetan hatte? Ja und Nein, denn zweifelsohne ist es DER Axel Stein, doch man erkennt ihn kaum wieder. Und das nicht (nur) wegen seiner massiven Gewichtsveränderung und seines erstaunlich fitten Körpereindrucks, sondern und gerade wegen seiner schauspielerischen Performance. Man muss den Casting-Agenten schon lassen, dass ihr Mut, den rotblonden Darsteller in der Hauptrolle zu besetzen, belohnt wurde. Stein gelingen sämtliche Passagen seiner Figur herausragend. Er ist der biedere und unzufriedene Banker in Anzug und Krawatte, er ist der liebende und umsorgende Familienvater, der seinem Sohn hilft, das verlorene Stofftier zu suchen und er ist genauso der ausgeflippte Typ, der halb Amsterdam in Unterhose und Cowboystiefeln auf den Kopf stellt – nie war Axel Stein wandlungsfähiger, nie besser. Moritz Bleibtreu an seiner Seite wandelt da schon eher auf bekannten Pfaden. Seine Rolle kennt man aus Schweigers Knockin‘ on Heaven’s Door. Allerdings fügt er ihr proletarischen Habitus bei und verbreitet mit seinen rohen, ungehobelten und spontanen Einzeilern eine Menge Spaß. Allerdings nicht nur damit, denn Bleibtreus physische Komik in Nicht mein Tag ist herausragend – zum Brüllen beispielsweise seine Gesichtsausdrücke, wenn er mit seiner sturen Freundin Nadine streitet. Apropos Nadine: Jasmin Gerat als Gangsterbraut zieht sämtliche Register, darf eine Rolle verkörpern, für die in Hollywood getötet wird – oder die dort erst gar nicht geschrieben wird. Ergänzt um ein paar tolle Nebenfiguren wie jene des bärtigen Radfahrers, der sich darum bemüht, Till aus den Klauen des Entführers zu befreien und den Milan Peschel mit kurzer aber umso prägnanter Art verkörpert, ist Nicht mein Tag beinahe so kultig besetzt wie Thorwarths Erstling vor 15 Jahren.

Und dann sind in Nicht mein Tag ja noch die zahlreichen Querverweise auf Thorwarths bisherige Werke und auf den Mikrokosmos der (Kunst)figuren des Films. Klar, dass der Mustang im Film dasselbe Kennzeichen trägt, wie Keeks alter Knudsen Ford Taunus in Bang Boom Bang. Ebenso Ehrensache, dass Ruhrpott-Urgestein Ralf („Mann Dooo“) Richter seine (großartigen) fünf Minuten als Autoverchecker bekommt. Dessen kompletter Dialog ist ein einziger Brüller und spätestens wenn er auf Tills Bemerkung, dass der Vertrag rechtlich nicht einwandfrei sei, mit einem entnervten „Was hat denn der Zivilist da zu kamellen?“ antwortet, liegt man schreiend am Boden. Ganz abgesehen von der Ironie, dass Richter, der seinerzeit ein gebrauchtes Fahrzeug durch Keek hat kaufen lassen, nun selbst den undurchsichtigen Händler gibt. Klar auch, dass ein gewisser Kampmann jr. noch einen kurzen Moment hat. Nicht gebraucht hätte es dagegen den arg platten Cameo-Auftritt von Co-Produzent Til Schweiger. Da war seine Rastafari-Szene in Bang Boom Bang um Längen witziger. Doch dieser kurze Fauxpas ist angesichts des vielleicht witzigsten Running-Gags von Nicht mein Tag auch wieder vergessen. Wer sonst als Peter Thorwarth käme auf die Idee, die Stimme des Navigationssystem von Tom Gerhardt einsprechen zu lassen? Und damit schließt sich dann auch der Kreis zu Hausmeister Krause und Axel Stein wieder.

Bild- und Tonqualität

Mit extrem hoher Plastizität punktet das Bild der Blu-ray von Nicht mein Tag schon von Beginn an: Die Aufnahmen in Tills Büro sind knackig scharf, weisen einen hohen Kontrastumfang auf und wirken wunderbar dreidimensional (3’38). Das dezente Korn auf hellen Hintergründen wirkt natürlich und filmisch. Während dunkler Schlagschatten versumpfen Details allerdings etwas (Steins Gesicht ab 8’10). Gerade bei guter Ausleuchtung gefällt die Auflösung allerdings und Konturen kommen klar und deutlich rüber.
Leichte Enttäuschung beim Ton, der unzeitgemäß mit einer Dolby-Digital-Spur auskommen muss. Dadurch geht im Ganzen etwas Dynamik verloren. Gerade während der Soundtrack-Sequenzen dürfte der Subwoofer mehr Druck liefern und Nicht mein Tag mit mehr Nachdruck befeuern. Dennoch ist der Ton lebendig und realistisch gehalten – beim Nachtleben in Amsterdam kommt sogar effektvolle Atmosphäre auf.

Bonusmaterial

Sieben sehr kurze Interviews mit den Darstellern und Thorwarth, ein paar Teaser für die Kinoveröffentlichung und zwei Musikvideos (Sido und Donar) entfachen noch kein Entzücken beim Käufer der Blu-ray. „Kernstück“ der Extras von Nicht mein Tag ist ein Making-of. Das jedoch ist mit vier Minuten Spielzeit ebenfalls wenig ergiebig. Also muss man sich auf den Audiokommentar von Thorwarth konzentrieren, der durchaus kurzweilig geraten ist.

Fazit

Was für Guy Ritchie die Sherlock-Holmes-Reihe, ist für Peter Thorwarth sein jüngstes Werk – ein fulminantes Comeback! Großartig besetzt, mit brüllkomischem Lokalkolorit garniert und trotzt vergleichsweise simpler Story packend inszeniert, ist Nicht mein Tag ein Highlight deutscher Produktion – und zwar eins, von dem sich einige Hollywoodstreifen eine Scheibe abschneiden könnten.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität: 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: Deutschland 2013
Regie: Peter Thorwarth
Darsteller: Axel Stein, Moritz Bleibtreu, Jasmin Gerat, Anna Maria Mühe, Nele Kiper, Milan Peschel, Christian Kahrmann, Ralf Richter
Tonformate: Dolby Digital 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 115
Codec: AVC
FSK: 12

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