Blu-ray Review
OT: Night Swim
Schwimmen oder Ertrinken
Wenn sich Horror-Papst Jason Blum mit James Wan zusammentut, kann’s nur gut werden, oder?
Inhalt
Ex-Major-League Baseballspieler Ray Waller bekam vor einiger Zeit eine niederschmetternde Diagnose: Multiple Sklerose. Ein Comebackversuch war nur von kurzer Dauer. Die Behandlung ist vor allem deshalb nicht schwierig, weil Ray nicht versichert ist. Da seine Frau Eve aber eine neue Stelle an einer Schule antritt, die der Familie eine Krankenversicherung bietet, müssen sie ihren Lebensmittelpunkt verändern. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe fällt sein Blick auf ein etwas älteres, leicht renovierungsbedürftiges Haus. Ein Haus mit Pool. Selbst die Tatsache, dass Ray während der Besichtigung nach dem Blick auf einen vermoderten Baseball ins Wasser des Schwimmbads fällt, hält die Familie mit den beiden Kindern Elliot und Izzy nicht davon ab, das Haus zu beziehen. Eine Entscheidung, die Ray zunächst nicht bereut, fallen ihm seine Muskelübungen im Wasser des Pools doch viel leichter. Dann jedoch verschwindet die Katze der Familie spurlos. Ihr Halsband findet sich im Swimmingpool. Außerdem bekommt Eve Alpträume und sieht bei einer nächtlichen Schwimmaktion eine Art Geist. Als Ray während einer Poolparty scheinbar fremdkontrolliert wirkt und den Jungen eines befreundeten Paares beinahe tötet, will Eve den Ort schleunigst verlassen. Doch kaum sitzen sie im Auto, bekommt Ray einen seltsamen Krampfanfall. Was stimmt nur nicht mit dem Anwesen …?
Was wäre die Welt ohne Spielbergs Der weiße Hai? Jener Film, der die großen Knorpelfische zum Schreckenssymbol der maritimen Lebenswelt stilisierte und der bis heute derartig nachwirkt, dass man schon Ängste entwickelt, des Nachts in einen unbeleuchteten Vorstadtpool zu steigen. Dass Spielberg ein paar Jahre später in Poltergeist erneut Bilder fand, uns die Freude am Swimmingpool zu nehmen, wirkte ganz offenbar auch auf Bryce McGuire ein. Der in Florida aufgewachsene Regisseur gibt preis, dass sich seine Kindheit praktisch ständig um das Thema Wasser und entsprechender Rituale gedreht hat. Als Bewohner des exponiert am Wasser gelegenen Sonnenstaates kannte er Wirbelstürme, überflutete Häuser, Bootsunfälle und Hai-Angriffe. Früh entwickelte er eine große Ehrfurcht, teilweise Angst vor dem Wasser, die nicht besser wurde, als er mit zehn Jahren Der weiße Hai sah. Eines Nachts ging er dann in den hauseigenen Swimmingpool, nachdem sein jüngerer Bruder das Licht ausgeschaltet hatte. McGuire war sich sicher, dass etwas Schreckliches in der „Tiefe“ des Pools nur darauf wartete, ihn zu packen. Die autobiografischen Erlebnisse und den Gedanken daran, diese Ängste auch bei einem Publikum zu reizen, führten zur Zusammenarbeit mit Rod Blackhurst am Drehbuch zum Kurzfilm Night Swim, der 2014 veröffentlicht wurde. In diesem begleiten wir eine junge Frau beim Schwimmen im Pool, die am Beckenrand plötzlich eine finstere Gestalt erblickt und in die Tiefe gezogen wird. Herausragend schon hier: Die Kameraeinstellungen. Offenbar so bemerkenswert, dass der Kurzfilm über Umwege an James Wan gelangte, der daraufhin die Filmrechte an der Geschichte erwarb.
McGuire beginnt Night Swim mit einem atmosphärisch-spannenden Intro, das Thalassophobikern durchaus etwas Schweiß auf die Stirn treiben wird. Im Anschluss an die Einführung nimmt sich der Film aber erst einmal Zeit für seine Exposition. Die vier Familienmitglieder werden vorgestellt und man bekommt einen kleinen Einblick in die Dynamik, die innerhalb des Quartetts stattgefunden hat, seit der Vater mit seiner Krankheit zu kämpfen hat. Nach etwa 30 Minuten wird es dann zum ersten Mal richtig unheimlich. McGuire kombiniert geschickt Elemente von Hänsel und Gretel mit Stephen Kings ES, wenn er Elliot die Münzen nach und nach ins tiefere Wasser schmeißt und die Stimme eines Mädchens aus einem bestimmten Teil des Pools zu kommen scheint. Noch gruseliger gerät die „Marco-Polo-Szene“ nach 45 Minuten, die geschickt das Wo-bist-du-Spielchen und die aufkeimende Teenagerromantik mit massiver Bedrohung kombiniert. Ähnlich wie im zugrundeliegenden Kurzfilm gelingen McGuire und seinem Kameramann Charlie Sarroff (Smile) eindrückliche Perspektiven ins Wasser hinein und aus ihm heraus. So wird visuell dargestellt, was auch metaphorischer Subtext des Films ist: Das Wasser steht für Hoffnung und Furcht zugleich; für Leben und Tod. Während Night Swim diese Prämisse geschickt einbindet und die Szenen im Pool stets spannend inszeniert werden, gibt es allerdings auch zahlreiche Standard-Jumpscares, die ebenso erwartbar wie klischeehaft geraten. Schwarzes Wasser aus den Augen? Ernsthaft? Das ist in etwa so innovativ wie ein zweites Salatblatt auf einem McDonald’s-Burger (wobei Letzteres immerhin überraschend wäre). Was Night Swim an vielen Stellen allerdings von üblichen Genrevertretern unterscheidet, ist seine starke Frauenfigur. Denn obwohl der Fokus inhaltlich eigentlich auf Ray liegt, bildet Eve das starke Rückgrat der Familie. Sie glättet die Wogen bei Konflikten, kümmert sich um sämtliche Dinge im Hintergrund und erscheint zu keiner Zeit wie die typisch-verängstigte Frau an der Seite eines verehrten Star-Sportlers. Dazu trägt auch bei, dass Kerry Condon (The Banshees of Inisherin) ihren männlichen Co-Part Wyatt Russell hier glatt an die Wand spielt.
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Bild- und Tonqualität
Night Swim wurde mit der ARRI Alexa 35 aufgenommen, die mit 4.6K aufzeichnet. Das Ausgangsmaterial wurde über ein 4K-DI gemastert, das auch als Grundlage für die Blu-ray fungiert. Gute Voraussetzungen also für ein angenehm scharfes Bild. Während des Rückblicks zu Beginn des Films ist Night Swim zunächst trotz digitaler Herkunft nicht ganz rauschfrei, was eventuell bewusst eingesetztes Stilmittel ist. In der Folge wird’s ruhiger, was dem erwarteten Look mehr entspricht. Vor allem Innenraumszenen weisen eine ansprechende Kontrastdynamik auf – gut zu sehen beim Gespräch der beiden rund um Minute 54-56. Farben geraten ebenso natürlich wie angenehm satt. Hauttöne sind gut gebräunt und nicht allzu gelbbetont. Die sommerlichen Aufnahmen am Pool vermitteln durchaus Urlaubsstimmung und nehmen atmosphärisch gefangen. Close-ups der beiden in beschriebener Szene nach 55 Minuten sind stets scharf und hervorragend aufgelöst. Geht’s in Halbtotale, lässt die Detailauflösung etwas nach. Außerdem gibt es auch hier immer mal wieder objektivbedingt unscharfe Bildränder. Gut gelingen auch helle Oberflächen, die nicht übermäßig überstrahlen, wohingegen nicht in sämtlichen Szenen Schwarzwert und Kontrastdynamik perfekt sind. Ab und an sieht es schon mal etwas trüber aus und könnte dynamischer erscheinen. Das Encoding gefällt über weite Strecken sehr gut, stößt nur ganz selten einmal an seine Grenzen, wenn schwierige Helligkeitsverläufe im Himmel abgebildet werden müssen. Aber auch hier gelingt das weitgehend ohne große Clusterbildung von Digitalrauschen.
Night Swim kommt mit einer DTS-HD-High-Resolution-Tonspur fürs Deutsche, die mit 2.0 Mbps läuft, während die englische Fassung mit verlustfrei komprimiertem DTS-HD-Master-Sound gemastert ist. Da es nicht allzu viele dynamische Momente während der Laufzeit gibt, kann man sich auf die vornehmlich gruseligen Szenen konzentrieren. Und hier funktioniert schon einmal prächtig das Surroundgefüge unter Wasser. Das dumpfe Glucksen und die dezent hörbaren Wasserbewegungen an der Oberfläche, das metallische Schnipsen der Münzen – all das wirkt sehr atmosphärisch und authentisch. Stimmen sind und bleiben jederzeit gut verständlich. Besonders eindrücklich ist das schlürfende Geräusch der Filteröffnung nach etwas über 35 Minuten. Hier schaut man unwillkürlich hinter sich, ob es nicht doch von dort kommt und direkt im Wohnzimmer passiert. In puncto Dynamik kommen beide Tonspuren recht ähnlich aus den Schuhen, was bei den Jumpscares zu entsprechenden Highlights führt, die man durchaus so lassen kann. Sicher kein Wunderwerk an dynamischer Ausprägung, aber ein gut passender Sound zum Film.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Night Swim finden sich insgesamt vier Feaurettes und ein Audiokommentar von Regisseur McGuire. Letzterer ist deutsch untertitelt und zeigt den Filmemacher extrem stolz. Schon bei der Einblendung des Universal-Logos bekommt er eine Gänsehaut. Und überhaupt präsentiert er sich als absoluter Genrefan. Die Featurettes sind ebenfalls untertitelt und beginnen mit Der Hintergrundgeschichte zur Realisierung des Films. Hier kommt vor allem auch James Wan zu Wort und auch Jason Blum darf ein paar lobende Worte zur Filmidee abgeben. Das Zweite kümmert sich um die Filme, die McGuire zu Night Swim inspiriert haben. Natürlich bezieht auch er sich vornehmlich auf Spielbergs weißen Hai. Außerdem gibt’s hier auch Einblicke in das Make-up-Design, das hier bei den Kreaturen sichtbar aus praktischen Masken bestand. Witzig zu sehen, wenn gruselig-aufgedunsene Silikonkörper-Monster im Wasser mit einer Schwimmnudel unterwegs sind. „In die Tiefe“ kümmert sich um intensiver um das Motiv der Furcht vor dem Ungewissen im Wasser und beschreibt auch den Aufwand der Dreharbeiten, die noch dazu im Winter stattfinden mussten. Hier wird auch noch mal deutlich, warum Hauptdarstellerin Kerry Condon so ein Glücksfall für den Film ist. „Marco Polo“ gibt noch einmal einen tieferen Einblick in die spannendste Sequenz des Films, bei deren Kameraeinstellungen man sich durchaus einiges gedacht hat.
Fazit
Night Swim zeigt erneut, dass man aus einem nicht mal dreiminütigen Kurzfilm (Nettolaufzeit) nicht zwingend einen abendfüllenden Schocker machen kann. Die Story, die man um dieses Szenario herum gesponnen hat, ist weder sonderlich originell, noch trägt sie über die gesamte Laufzeit. So müssen es ein paar spannende Szenen im Pool (allen voran die Marco-Polo-Sequenz) sowie ein paar gute Darsteller richten. Aus dem Motiv des Pools hätte man auf jeden Fall mehr rausholen können. Beim Bild und Ton bewegt man sich im guten, manchmal sehr guten Bereich. Allerdings hätte dem Sound noch mehr Dynamik gut gestanden und das Bild ist nicht immer konsistent.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 60%
Film: 60%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2024
Regie: Bryce McGuire
Darsteller: Wyatt Russell, Kerry Condon, Gavin Warren, Amélie Hoeferle, Jodi Long, Ben Sinclair
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Untertitel: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
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So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
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- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
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Der Film, bei dem der Pool mehr Tiefe hat als die Story! Zwischen Jumpscares und der Marco-Polo-Szene bleibt man eher im Planschbecken des Horrors. Kerry Condon schwimmt zwar vorne mit, aber der Film bleibt im flachen Wasser. Vielleicht beim nächsten Mal mit Haien?
Sehr cooler Kommentar, Berkan. Haie im Pool wäre natürlich eher was für Asylum. 😉
Ich weiß, SchleFaZ hat ja auch wieder angefangen, wenn das nicht ein guter Übergang ist
Aber absolut 🙂