Blu-ray Review
OT: Nightcrawler
Geschäft mit dem Tod
Für die Quote und seinen Erfolg tut Louis Bloom alles.
Inhalt
„Je blutiger, desto besser“ – die Aussage eines Tatort-Paparazzo fasziniert Louis Bloom. Der hält sich bisher mit dem Diebstahl von Kanaldeckeln und Maschendrahtzäunen über Wasser – Zeug, das er dann an Schrottverwerter verhökert. Da der bedingt skrupellose Lou ohnehin ein Nachtmensch ist, ist für ihn in diesem Moment klar: Das muss er auch machen. Also besorgt er sich einen Scanner, der den Polizeifunk empfängt sowie einen Camcorder und fährt mit seinem abgewrackten Kleinwagen sämtliche Ereignisse ab, die er per Funk mitbekommt. Dumm, dass ihn die Polizei dauernd wegschickt und er mit seinem Equipment nicht mal richtig zurechtkommt. Im Spiel mit den professionellen Berichterstattern, die ihm selbstredend nicht wohlgesonnen sind, scheint er zunächst keine Chance. Doch als er einen Schritt näher ans Geschehen rückt, kauft ihm die Nachrichtenproduzentin Nina die blutigen Aufnahmen ab. Sie gibt ihm auch Tipps, wie er seine Arbeit „perfektionieren“ kann. Fortan ist Lou mit seiner Kamera einfach immer dort, wo es möglichst drastisch zugeht und hält noch drauf, wo seine Kollegen Abstand halten. Doch das Geschäft ist hart und um weiterhin erfolgreich zu sein, beginnt Louis, die Tatsachen zu seinen Gunsten zurecht zu biegen …
Dan Gilroy (Autor von Das Bourne-Vermächtnis) legt mit Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis ein fiebriges, düsteres Regiedebut vor, das sich eines kontroversen Themas bedient und die dreckige Seite einer Stadt zeigt, die gerne Vorzeige-Metropole wäre. Gleichzeitig ist sein Film eine offensive Kritik an heutiger Nachrichtenberichterstattung und unserer voyeuristischen Gesellschaft, die nach Situationen wie jenen, die Lou auf Video festhält, giert. Das Phänomen der „Gaffer“, die bei Verkehrsunfällen für lange Staus sorgen, die Liebhaber möglichst schundiger Reality-Soaps und der harte Konkurrenzkampf unter den Sendern, für Quote so ziemlich alles zu tun und zu zeigen, wird dem Zuschauer in Nightcrawler auf intensivste Weise vor Augen geführt. Es dauert nicht lange und man fühlt sich angewidert von Lous Arbeit, die stellvertrend für eine Gesellschaft steht, die durch und durch pervertiert zu sein scheint. Lou sind die Bilder, die er einfängt, wichtiger als alles andere. Auf die Idee, selbst Erste Hilfe zu leisten, kommt er zu keinem Zeitpunkt. Im Gegenteil: Für eine gute Aufnahme verändert er auch schon mal die Position der Opfer. Jetzt könnte man meinen, Nightcrawler wäre eine gefährliche Versuchung, ein Film, der die ohnehin schon vorhandene Neigung zur Sensastionslust noch steigert, ja sie protegiert – das Gegenteil ist der Fall: Wer nach diesen zwei Stunden beim nächsten Unfall auf der Autobahn noch sein Tempo verlangsamt, um möglichst einen Blick zu erhaschen, der ist nicht besser als Lou oder Nachrichtenproduzentin Nina.
Ist die Geschichte an sich schon unangenehm genug, schafft es Jake Gyllenhaal durch eine beeindruckende Leistung, den Verfall der Werte zu personifizieren. Dass Nightcrawler eine derartige Sogwirkung entfaltet, liegt zum einen an Gilroys Gespür für intensive Aufnahmen, zum größeren Teil aber an Gyllenhaal. Der Darsteller hungerte sich für seine Rolle erst einmal über 10kg runter, um auch äußerlich wie jemand zu wirken, der nur zwei Stunden pro Tag schläft und hauptsächlich Nachts lebt. Dazu schafft er es, dem Film zu dienen und den Zuschauer zu faszinieren, obwohl er vermutlich eine der unsympathischsten, skrupellosesten und überheblichsten Rollen der letzten Jahre verkörpert. Die Szene, in der er das Jobangebot seines erfolgreichen „Kollegen“ Joe Loder (Bill Paxton) ausschlägt, ist Schauspiel auf allerhöchstem Niveau. Ebenso wie das gemeinsame Essen mit Nina, in dem er unverhohlen eine Erpressung als frei Entscheidung verkauft. Womit wir bei Rene Russo wären, die als Nachrichtenverantwortliche ebenso über Leichen geht, wie Lou selbst – nur, damit sie ihren Job behalten kann. Es gibt Momente, da ist man derart fassungslos, dass einem der Atem stockt, wie beispielsweise während Lous Preisverhandlungen mit Nina über seinen Exklusivbeitrag aus dem Inneren des „Horror House“. Manchmal geht Nightcrawler vielleicht einen Schritt zu weit. So ist sicherlich zweifelhaft, dass (egal, wie selbstbewusst Lou auftreten mag) eine Nachrichtenproduzentin derart viele Forderungen eines Freelancers erfüllt, nur um den nächsten Beitrag zu sichern. Solche Detailkritiken sind allerdings wie weggewischt, wenn sich der Film im letzten Drittel zu einem echten Thriller entwickelt, dessen Spannung während der Observation des Imbiss‘ eine ungeheure Intensität erreicht.
Bild- und Tonqualität
Ein sichtbares Korn lässt Nightcrawler noch intensiver wirken, vermittelt ein authentisches Gefühl des dreckigen Geschäfts. Vom Look her ähnelt das Michael Manns Collateral. Die Farben sind allerdings nicht stark braun gefiltert, sondern vermitteln eher eine gewisse Kühle. Während der Close-ups von Gesichtern ist die Schärfe sehr gut. Die Kontrastdarstellung ist ebenfalls herausragend, was auch nötig ist, denn immerhin spielt der Film zu 90% in der Dunkelheit.
Akustisch lässt sich Nightcrawler nur selten zu echten Höchstleistungen herausfordern, meist dominieren Dialoge oder die Stille. Der Soundtrack ist elektronisch und entwickelt bisweilen eine hypnotische Wirkung, kommt aber dennoch nur selten über die Effektlautsprecher. Einzig die Schüsse, die während des Showdowns fallen, liefern einige direktionale Effekte.
Bonusmaterial
Im Making-of, das im Bonusmaterial von Nightcrawler enthalten ist, wird deutlich, welche Herausforderung Jake Gyllenhaal mit dem Dreh und seinen Vorbereitungen annahm. Auch kommen die beiden Raishbrook-Brüder zu Wort – echte Nightcrawler, die dem Film als Berater zur Seite standen. Dazu gibt’s noch einen Audiokommentar mit den Regie- und Produzentenbrüdern Gilroy.
Fazit
Nightcrawler ist ein ungeheuer intensiver Thriller, der mit einem sensationellen Jake Gyllenhaal besetzt ist und den seit Wag the Dog wohl beißendsten filmischen Kommentar auf eine sensationsgeile Medienlandschaft und eine nach immer mehr Blut lechzende Gesellschaft darstellt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%
Anbieter: Concorde HE
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Dan Gilroy
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Riz Ahmed, Bill Paxton, Ann Cusack, Anne McDaniels
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 118
Codec: AVC
FSK: 16