Blu-ray Review
OT: –
Dämlich romantisch
Hier kommt der (bisher) erfolgreichste Film des Jahres 2020.
Inhalt
Milo und Renzo sind Barkeeper. Ziemlich gute und ziemlich beliebte Barkeeper. Doch während Milo so langsam der Sinn nach Familie und stetem Leben steht, lädt Renzo sich nach Feierabend die halbe Diskothek in die gemeinsame Wohnung ein. Der Zufall will es, dass eines Abends die schwer deprimierte Sunny an Milos Tresen auftaucht und einen doppelten Eierlikör bestellt. Mehr als die Oma-Spirituose ist zwar zunächst nicht drin, weil Sunny direkt wieder von dannen zieht. Doch eine Augenklappe bei beiden später, stolpert man einäugig zum zweiten Mal übereinander. Und weil so Augenklappen ja nun mal verbinden, kommt man ins Gespräch. Und am Ende des Abends – oder mehr am Anfang des Morgens setzt es den ersten Kuss. Milo verspricht, kein Chaot zu sein. Denn Chaoten hatte Sunny zuletzt genug. Und so verabredet man sich für den kommenden Abend erneut. Dumm, dass Renzo in der Zwischenzeit mal wieder ein krummes Ding gedreht hat und nun drei ziemlich übel gelaunte Unterwelt-Schergen am Hals hat. 150.000 Euro Schulden später sitzt auch Milo mit im Boot und die Romanze mit Sunny scheint vorbei, bevor sie angefangen hat …
Noch ist Christopher Nolan mit Tenet nicht an Nightlife vorbeigezogen. Noch ist der Nachtleben-Dramödien-Krimi mit Elyas M’Barek der erfolgreichste Kinofilm des Jahres 2020. Okay, okay. Es ist Corona. Und Corona hat alles durcheinander gewirbelt. Aber man muss ja auch mal lobende Worte finden, wo ansonsten nur Schwarzmalerei vorherrscht.
Der letzte große deutsche Film vor dem Lockdown ließ sich nun ganze sieben Monate Zeit, bevor er seine zweite Runde im Heimkino dreht. Und was bei den bisherigen Titeln mit M’Barek in der Zweitauswertung galt, das gilt mit Sicherheit auch hier: Das Ding wird ein Hit. Ganz unabhängig davon, ob der Film an sich nun Spaß macht oder nicht. Simon Verhoeven, den man von seinen Regiearbeiten Männerherzen oder Willkommen bei den Hartmanns kennt, legt zunächst allerdings etwas mit angezogener Handbremse los – zumindest was den Humor angeht. Trotz eines angemessen dynamischen Hauptdarsteller-Trios bleibt der Ton verhalten und, sorry: Etwas mutlos.
Während Frederick Lau für das Chaos sorgt (und dabei in seinem typischen Rollenschema bleibt), darf M’Barek mal wieder den Romantiker geben. Palina Rojinski auf der Gegenseite tut es ihm gleich und die Chemie zwischen beiden passt immerhin einigermaßen.
Ansonsten passt aber nicht so wahnsinnig viel mehr. Nightlife ist vor allem erstaunlich zäh. Eine knappe Stunde schleppt sich die Story, bis so etwas wie Rasanz ins Spiel kommt, während zuvor wirklich nicht viel passiert. Immer wieder erschöpft sich das Drehbuch in ziemlich langen Wort-Nichtigkeiten zwischen den beiden Freunden. Was Guy Ritchie zu einem Feuerwerk aus absurden Situationen und Wortwitz verknüpfen würde, verpufft oft auch in den Nebenfiguren. Von grenzwertig anstrengend (Bankberater Heiko) bis furchtbar klischeehaft reicht die Palette. Immerhin Nicholas Ofczarek lässt aufmerken, wenn er als Unterwelt-Boss nach unten tritt und nach oben buckelt – und das (eh klar) im feinsten Wiener Dialekt. Ihm hat der Film einige der besten Momente zu verdanken, wenn er immer wieder in den dominantesten Ansagen von seiner Bernadette angerufen oder unterbrochen und an den gemeinsamen „Kuschelabend“ erinnert wird.
Was Verhoeven mit Willkommen bei den Hartmanns zu einem vergnüglichen Integrationsfilm mit glänzender Besetzung und witzigen Dialogen zusammen fügte, wirkt in Nightlife oft unentschlossen und über weite Strecken fehlendem Film Drive und auch ein bisschen Rückgrat für mutigeren Humor.
Bild- und Tonqualität
Die Blu-ray von Nightlife bietet ein sauberes und über weite Strecken sehr gut kontrastiertes Bild mit einer angenehmen Schärfe, die in Close-ups schon mal exemplarisch gut wird. Nur gelegentlich setzt es ein paar objektivbedingte Randunschärfe im unteren Bereich. Farben bleiben natürlich und überstrahlen auch in den stark ausgeleuchteten Nachtclub-Szenen nicht. In dunklen Szenen (Autofahrt bei 63’00) könnte Schwarz allerdings deutlich knackiger sein. Außerdem wird’s in der Nacht auch ein bisschen körniger, was in Summe zu einem etwas inkonsistenten Look führt.
Die Diskotheken-Beats zu Beginn (und später) lassen sich gut an. Mit durchaus wuchtigem Bass begleitet die Blu-ray jede Musiksequenz. Die perkussiven Instrumente beim Videodreh nach elf Minuten kommen sauber getrennt zum Ohr und auch der Straßenverkehr verteilt sich räumlich. Highlight ist sicher der satte Bass im Fetisch-Club nach gut 66 Minuten. Hier wähnt man sich wirklich praktisch mittendrin im Geschehen.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial wird von drei Charakterclips eröffnet und geht dann über ein kurzes Featurette über Simon Verhoeven hinüber zu „Berlin, ick liebe dir“, einem Featurette über die Hauptstadt, die hier die „Manege“ für das Geschehen bot. „Faszination Nachtleben“ reflektiert kurz, warum Regisseur Verhoeven unbedingt diesen Film drehen wollte und „Spaß bei der Arbeit“ blickt ein bisschen hinter die Kulissen der Dreharbeiten.
Fazit
Nightlife ist nett und hat das Herz am rechten Fleck. Irgendwie wird man das Gefühl allerdings nicht los, dass man mit mehr Mut auch einen kurzweiligeren, rasanteren und mehr im Gedächtnis verweilenden Film hätte schaffen können.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Bonusmaterial: 40%
Film: 55%
Anbieter: Warner Home Entertainment Germany
Land/Jahr: Deutschland 2019
Regie: Simon Verhoeven
Darsteller: Elyas M’Barek, Palina Rojinski, Frederick Lau, Leon Ullrich, Milena Dreißig, Caro Cult, Stephan Luca, Mark Filatov
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 115
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Warner Home Entertainment Germany)