Blu-ray Review
OT: Nocturnal Animals
Biografie
Vergeben oder Vergelten?
Inhalt
Galeristin Susan Morrow hat praktisch 19 Jahre lang nichts von ihrem Ex-Mann Edward gehört und ist schon lange (mittlerweile eher unglücklich) mit ihrem neuen Partner Hutton zusammen. Susan kann seit Lägerem schon nicht mehr vernünftig schlafen und ihre Freundin macht sich nicht ganz unberechtigt Sorgen um sie. Als nun urplötzlich eine Postsendung von ihrem Ex-Mann reinschneit, in dem dessen Manuskript für seinen ersten Roman steckt, könnte Susan das total egal sein. Doch es heißt wohl nicht umsonst „Nocturnal Animals“, denn immerhin hatte er sie damals so genannt. Und weil es auch noch ihr gewidmet ist, nimmt sie an, dass autobiografische Inhalte in der Geschichte um eine Familie, die irgendwo in der Wüste von Rednecks entführt und brutal misshandelt wird, versteckt sind. Um sich von ihrem einsamen Leben abzulenken, taucht sie immer stärker in die Geschichte des Buchs ein, deren Brutalität sie schockiert aber auch fesselt. Zeitgleich fragt sie sich, ob Edward sich mit dem Geschriebenen an ihr rächen will, denn Susan hatte ihn keineswegs auf Augenhöhe behandelt und ziemlich schonungslos verlassen …
Dass es sich bei Nocturnal Animals (nach A Single Man) um die zweite Regiearbeit von Mode-Designer Tom Ford handelt, sieht man schon im Vorspann seines Thrillers. Da tanzen (sehr) übergewichtige Damen in Zeitlupe auf einer Bühne mit nichts anderem als Stiefeln oder einem Hut bedeckt. Dieses optische Wagnis wird zwar ästhetisch gefilmt, wandert aber haarscharf auf einem schmalen Grad der Entwürdigung. Auch Amy Adams‘ Styling, ihr riesiges betonlastiges Anwesen wirkt vollkommen durchdesignt – ganz zu schweigen von der Galerie, in der sie arbeitet oder ihren Kolleginnen (Jena Malone in einem unfassbaren Kostüm 64’30). Das versprüht natürlich von Beginn an eine gewisse Kühle, passt aber zur Protagonisten, die ein Leben der Isolation gewählt hat.
Das allerdings ist nur der eine Teil des Films, denn im krassen Gegensatz zu diesen durchkomponierten Bildern stehen die spannenden und brutalen Szenen, die das Buch schildert und die im Finale auch grafisch eindrucksvoll geschildert werden. Nocturnal Animals spielt fortlaufend auf diesen beiden Erzähleben und entwickelt eine Sogwirkung, die man ansonsten nur kennt, wenn man selbst ein Buch liest. Somit ist Ford nicht nur ein ziemlich spannender Film gelungen, sondern einer, der es – im Gegensatz zu vielen anderen Romanverfilmungen – tatsächlich schafft, die Atmosphäre einer Buchvorlage einzufangen. In diesem Fall ist es der Roman Tony & Susan von Austin Wright, der als Muster diente. Schon das erste Aufeinandertreffen mit den Hinterwäldler-Typen gerät zu einer kaum auszuhalten angespannten Situation, die mit ihrer unmittelbaren Kameraführung und minutenlangen Diskussion zwischen den Beteiligten ein extrem unangenehmes Gefühl im Bauch verursacht.
Man möchte wegschauen und kann es nicht, weil Ford und seine Darsteller es extrem geschickt anstellen und man sich ständig fragt, wie man selbst aus einer ähnlichen Situation herauskäme. Jake Gyllenhaal, der sowohl Susans Ex Edward Sheffield spielt als auch Tony Hastings, den Familienvater aus dem Roman, ist mal nicht souverän und heldenhaft, sondern darf hier das Opfer spielen, was ein ziemlich guter Schachzug ist. Denn der Zuschauer nimmt aufgrund der Besetzung mit Gyllenhaal an, dass Hastings so wehrlos vielleicht nicht bleibt. Herausragend ist auch Aaron Taylor-Johnson (Godzilla) als Redneck-Leader Ray, der nicht nur äußerlich fies ist, sondern einen absolut widerwärtigen Bösewicht gibt. Das brachte ihm immerhin eine Golden-Globe-Nominierung ein. Michael Shannon (Elvis & Nixon), der als Sheriff ziemlich unkonventionelle Ermittlungen führt, darf mit Rotzbremse und eingefallenen Wangen einen sichtbar kranken Typen spielen und bleibt ebenfalls in Erinnerung. Was eben auch für die Story an sich gilt: Die Meta-Ebene des Buchs steht erzählerisch zwar im krassen Gegensatz zur Geschichte, die sich in der Realität abspielt (und ist auch deutlich fesselnder), doch nach und nach entdeckt der Zuschauer im gleichen Maße wie Susan die Parallelen zwischen beiden Welten. Man merkt immer mehr, dass sich beide Stränge gegenseitig bedingen und ohne einander nicht zu einem befriedigenden Ende kämen. Und wo wir von „Ende“ Sprechen: Nocturnal Animals lässt den Zuschauer einigermaßen atemlos zurück. Lediglich die Tatsache, dass man mit Susan nie wirklich mitfühlen kann und sie bis zum Ende schlicht zu kühl und unemotional bleibt, stört den Eindruck ein wenig.
Bild- und Tonqualität
Leider stand mir zum Review zunächst lediglich die DVD von Nocturnal Animals zur Verfügung, weshalb die Bild- und Tonbewertung an dieser Stelle noch entfällt. Sollte die Blu-ray zu einem späteren Zeitpunkt nachgeschickt werden, hole ich die Bewertung hier entsprechend nach.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Nocturnal Animals gibt’s ein zehnminütiges Making-of, das in drei Teile aufgeteilt den Aufbau der Geschichte, die visuelle Gestaltung des Films (nein, liebe Untertitel-Schreiber, „The Look of Nocturnal Animals“ heißt übersetzt NICHT „Stil der Nachttiere“) sowie Tom Fords Herangehensweise an sein Werk beschreibt.
Fazit
Nocturnal Animals verwebt seine mehrschichtige Story extrem kunstvoll und hinterlässt den Zuschauer bewusst mit einem offenen Ende, das schon alleine aufgrund der kraftvollen Bilder des Films noch lange nachhallt. So bleibt der Raum frei für die eigenen Interpretationen. Betrachtet man den Film vor allem aus inszenatorischer Sicht, gehören die Schilderungen dessen, was im Buch passiert zum wuchtigsten, was das Kino zuletzt zu bieten hatte.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: keine Wertung möglich
Tonqualität (dt. Fassung): keine Wertung möglich
Tonqualität (Originalversion): keine Wertung möglich
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Tom Ford
Darsteller: Amy Adams, Jake Gyllenhaal, Michael Shannon, Armie Hammer, Aaron Taylor-Johnson, Laura Linney, Michael Sheen
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 116
Codec: AVC
FSK: 16