Blu-ray Review
OT: A Simple Favor
Brotherf*cker and Sister-Killer
Schwarzhumoriger Thriller mit zahlreichen Wendungen.
Inhalt
Stephanie hat bei einem Unfall Mann und Bruder verloren. Als Witwerin und Alleinerziehende betreibt sie einen Mommy-Vlog und ist auch ansonsten eine Übermutter. In der Schule übernimmt sie alle Aufgaben auf einmal und die anderen Müttern mögen sie wegen ihres Aktionismus nur so semi-gerne. Außerdem ist Steph stockkonservativ und kleidet sich als hätte ihre Mutter niemals aufgehört, ihr die Sachen raus zu legen. Dann jedoch lädt sie die stylische PR-Chefin Emily auf einen Drink nach Hause ein. Sie ist die Mutter des Schulfreunds von Stephanies Sohn und lebt in einem verschwenderisch großen Haus mit fantastischer Ausstattung. Außerdem ist Steph fasziniert von der direkten, etwas rüden, aber sehr selbstbewussten Art der dominanten Geschäftsfrau – selbst wenn sie manchmal etwas komisch reagiert. Vor allem dann, wenn Stephanie ihr in irgendeiner Form etwas zu nahe kommt. Emily lehrt Stephanie nicht nur, am hellichten Tage Martini zu trinken, sondern bringt ihr einiges in Sachen Selbstbestimmung bei. Als Steph eines Tages auf Emilys Sohnemann aufpassen soll, taucht diese einfach nicht mehr auf. Sie verschwindet spurlos. Doch das ist nur der Anfang einer höchst seltsamen Serie von Ereignissen …
Paul Feig, der am Set immer gut gelaunte Regisseur von Komödienhits wie Spy: Susan Cooper Undercover, Taffe Mädels oder Ghostbusters, probiert mal was Anderes aus. In Nur ein kleiner Gefallen kombiniert er schwarzen Humor mit deutlichen Thriller-Anleihen – und er lässt glücklicherweise Melissa McCarthy daheim. Stattdessen setzt er auf die dynamische Kombination aus der (immer zuckersüßen) Anna Kendrick und der heißen Blake Lively. Großartig, wie er diese beiden Welten der Vorstadt-Übermutti auf die Karrieredame treffen lässt und sich dabei zumindest Stephanies Front immer deutlicher aufweicht – zumal beide Damen so ihre Geheimnisse haben. Wenn Stephanie nach und nach Dinge aus ihrer Vergangenheit preisgibt, bröckelt das Bild der konservativen Vorzeige-Mama. Auch wenn es eher züchtig bleibt, wunderte sich Feig sogar, dass er eine ganz bestimmte Szene nach knapp 30 Minuten im Film belassen durfte. Dennoch erkennt man die gesellschaftskritischen Ansätze, die Nur ein kleiner Gefallen rüber bringt, wenn er zwei Mütter-Extreme aufeinanderprallen lässt und im Laufe des Films klar stellt, dass es die Übermama weder auf der einen noch auf der anderen Seite gibt.
Anna Kendrick trägt die Hauptrolle dabei mit dem unnachahmlichen Mix aus mädchenhafter Unschuld, einer wunderbaren physischen Komik und einem perfekten Timing für den doppelbödigen Witz, den sie schon in Mr. Right an den Tag legte. Grandios, wenn sie nach 80 Minuten im Auto den Gangsta-Rapper mimt.
Man muss sich allerdings darauf einlassen, dass sich die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Darcey Bell etwas Zeit lässt. Zeit, die auch benötigt wird, weil die Story immer wieder Haken schlägt. Lange weiß man im Prinzip gar nicht, wohin es gehen wird. Was es mit dem Treffen von Steph und Emily überhaupt auf sich hat und welche Kapriolen die Geschichte im weiteren Verlauf noch schlagen wird. Zwar ist das immer wieder überraschend, lässt aber in Sachen Spannungsaufbau etwas zu wünschen übrig. Feig inszeniert ein bisschen unentschlossen zwischen Komödie und Thriller. Und so mancher Gag ist für europäische Verhältnisse halt auch arg angestaubt. Natürlich ist es witzig, wenn Kendrick den gefundenen Revolver widerwillig nur mit zwei zu einer Pinzette geformten Fingern anfasst. Wenn sie ihn dann aber in einer Schublade verstaut, in der sie auch noch einen pinken Gummipenis findet und über diesen scheinbar noch angewiderter ist als über die Knarre …? Hey, es ist nur ein Dildo (huch, hat er gerade „Dildo“ gesagt)?
Nach knapp über einer Stunde offenbart Nur ein kleiner Gefallen dann aber seine echte Thriller-Seite und überzeugt schon alleine deshalb, weil Kendrick die Panik genauso gut darstellen kann wie zuvor die unbeholfen naive Seite. Und je länger der Film andauert, desto tiefer wird man hinein gezogen, in eine dann doch ziemlich abgründige Geschichte mit einem Finale im Stile von Der Tod steht ihr gut.
Bild- und Tonqualität
Zunächst mal was Ungewohntes (sieht man von Netflix-Filmen ab): Nur ein kleiner Gefallen kommt im Format von 2,00:1 – also mit mittelgroßen Balken oben und unten – ein Zwischending zwischen 16:9-Vollformt und 2,35:1-Cinemasope. Dazu fällt ebenfalls sofort die extreme Farbigkeit auf. Lippen sind extrem vorstechend koloriert. Selbst jene von Männern (4’30) und der rosafarbene Pulli von Stephanie knallt tierisch aus dem TV. Praktisch jede intensivere Farbe (auch Grün oder Rot) werden supersatt wiedergegeben. Wechselt die Szenerie in das schicke Eigenheim von Emily geraten wenigstens Hauttöne natürlich(er). Gleichzeitig sind sie kräftig und recht warm. Gerade Blake Lively wirkt sehr gesund gebräunt. Zieht man in Betracht, dass es die Scheibe in den USA als UHD gibt, bekommt man ein eher mulmiges Gefühl. Denn wenn die Farben dort durch erweiterten Farbraum und HDR noch krasser sind, ist’s vorbei mit der Natürlichkeit. Hervorragend ist indes die Bildruhe, die keinerlei Rauschen zulässt. Kendricks Gesicht wirkt allerdings ein bisschen soft. Entweder gab’s einen leichten Filter oder die Aktrice hat so makellose Haut. Schade ist übrigens, dass von dem in 8K gefilmten Nur ein kleiner Gefallen „nur“ ein 2K-DI erstellt wurde. Ein 4K-DI hätte vielleicht auch der BD noch mehr Detailschärfe verpasst.
Akustisch ist der Film eher unspektakulär. Die Dialoge kommen absolut sauber aus dem Center und sind jederzeit perfekt gut verständlich. Die Filmmusik darf hin und wieder auch auf die Rears ausweichen und wenn es mal etwas rasanter hergeht (Beinahe Autounfall nach etwas über einer Stunde), quietschen die Reifen ebenfalls von den Surrounds. Anlass für Tiefbass oder Effektegewitter gibt es aber erst einmal nicht.
Bonusmaterial
Reichhaltiges Bonusmaterial erwartet den Zuschauer bei den Extras von Nur ein kleiner Gefallen. Von einem alternativen Ende über knapp 12 Minuten an entfernten Szenen und eine Gag Reel geht’s hinüber zu insgesamt acht Featurettes und einem Audiokommentar mit dem Regisseur, dem Kameramann, der Autorin und der Kostümdesignerin. Paul Feig erweist sich als regelrechte Quasselstrippe. Er redet und redet und redet – allerdings wirklich humorvoll und gut gelaunt.
In den Featurettes werden die Darsteller vorgestellt und die Story etwas aufgerollt. Dazu geht’s um den visuellen Stil des Films und um jenen des Regisseurs – immerhin taucht Feig stets mit Anzug, Krawatte, bunten Socken und Einstecktuch am Set auf. Außerdem kümmert man sich kurz um die beiden jungen Darsteller des Films
Fazit
Nur ein kleiner Gefallen ist ein doppelbödiger Thriller mit einer hervorragend aufgelegten Hauptdarstellerin und etwas schwarzem Humor. Zwar ist die Spannung nicht konstant hoch, doch die zahlreichen Wendungen halten bei Laune.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 80%
Film: 70%
Anbieter: Studiocanal Home Entertainment Sales
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Paul Feig
Darsteller: Anna Kendrick, Blake Lively, Ian Ho, Henry Golding, Andrew Rannells, Rupert Friend
Tonformate: dts HD-Master 7.1: de, en
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 117
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Studiocanal)