Operation Anthropoid – Widerstand hat einen Namen

Blu-ray Review

Universum Film, 27.01.2017

OT: Anthropoid

 


Helden des Widerstands

Operation Anthropoid beschäftigt sich mit einem Kapitel tschechisch-deutscher Kriegshistorie.

Inhalt

SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich wird von Hitler abkommandiert, den tschechischen Widerstand zu brechen. Die Widerständler sorgen dafür, dass die Waffenproduktion in den dortigen Fabriken sabotiert wird, was den Nazis gar nicht gefällt. Heydrich geht vor Ort äußerst brutal vor, vollstreckt über 400 Todesurteile und erhält den Beinamen „Der Schlächter von Prag“. Um ihm das Handwerk zu legen, schicken die Briten in Absprache mit der tschechischen Exilregierung, die von Großbritannien aus waltet, zwei speziell ausgebildete tschechische Soldaten per Fallschirm in die Heimat. Jozef Gabčík und Jan Kubiš erhalten den kühnen Plan, einen Anschlaug auf Heydrich zu begehen. Sogar unter widrigsten Bedingungen kämpfen sich die beiden Spezialkräfte bis nach Prag vor und studieren das Verhalten des zum stellvertretenden Reichsprotektor ernannten Heydrich. Doch auf wen können sich die zwei zu Attentätern bestimmten Männer verlassen, wenn selbst die eigene Bevölkerung bisweilen ihre Landsleute an die Nazis verrät?

Beginnend mit eindrücklichen Archivbildern aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs konzentriert sich Sean Ellis‘ (CashbackOperation Anthropoid ganz auf die Planung des Attentats und die Umstände, mit denen die beiden jungen Akteure zu kämpfen hatten. Innerhalb dieses Spannungsbogens nimmt das Verhältnis der beiden Hauptfiguren noch einmal eine zentrale Rolle ein. Jamie Dornan (Fifty Shades of Grey) und Cillian Murphy (Inception) spielen Gabčík und Kubiš mit unterschiedlicher Einstellung, was eine gewisse Dynamik entwickelt. Die braucht’s allerdings auch, um als Zuschauer am Ball zu bleiben. Denn nach der spannenden Eröffnungssequenz bleibt Operation Anthropoid beschränkt auf Dialoge, (relativ überflüssiges) Geplänkel mit Frauen des Widerstands und konspirative Treffen. Letztere werden noch um den immer eindrucksvollen Toby Jones ergänzt, der dem Film ein wenig Routine und noch mehr Ernsthaftigkeit verleiht. Geht es langsam auf die Planung des Attentats zu, intensivieren sich die Situationen – so zum Beispiel in dem Moment, in dem Jan hyperventiliert und von Jozef zum Durchhalten bewegt wird (54’30). Spätestens von diesem Moment an überträgt sich die Nervosität der Protagonisten auf den Zuschauer und man glaubt nachempfinden zu können, wie sich jemand fühlen muss, der kurz davor ist, ein Attentat zu verüben – selbst wenn’s für die vermeintlich gute Sache ist.

Da der Film aber nicht mit dem Anschlag schließt, sondern noch eine gute Dreiviertelstunde weiterläuft, wird ebenfalls beleuchtet, welche Auswirkungen die Aktion hatte. Denn obwohl es die NS-Führung hart traf, musste vor allem die tschechische Bevölkerung im Anschluss leiden. Ganze Dörfer, deren Bewohner im Verdacht standen, etwas mit den Attentätern zu tun zu haben, wurden praktisch gesäubert und die Einwohner entweder erschossen oder in Konzentrationslager verbracht. Ellis hingegen konzentriert sich auf die brutalen Ermittlungen der Deutschen, die mit aller Macht und jedem Mittel erfahren wollten, wo sich die Attentäter aufhielten. Die gezeigten Foltersequenzen hätte dabei auch einem Hostel gut gestanden, ohne die Filme auch nur im Ansatz miteinander zu vergleichen. Allerdings sollten zärter besaitete Gemüter vorgewarnt sein, denn zimperlich geht’s hier wahrlich nicht zu. Dass Operation Anthropoid vor allem für Freunde historischer Fakten und entsprechender Dramen sehenswert ist und bleibt, liegt auch an der konsequent umgesetzten Bildsprache und der Ausstattung. Vom stark stilisierten Bild (siehe nächster Abschnitt) über die Kleidung bis hin zum Kopfsteinpflaster auf den Straßen – hier scheint alles zu passen. Außerdem bleibt man erstaunlich akkurat, legt sogar Wert auf die zerstörte Polsterung des Fahrzeugs, in dem Heydrich saß – mithin der Grund für die Sepsis, welche der SS-Mann später erlitt. Selbst die Schilderung der späteren Stürmung der Kirche könnte sich so zugetragen haben, immerhin lieferten sich die Widerständler ein mehrstündiges Gefecht mit den deutschen Soldaten.

Bild- und Tonqualität

Gräulich und mit richtig sattem Korn präsentiert sich das Bild von Operation Anthropoid. Damit wird es dem Thema Krieg mehr als gerecht und liefert stimmungsvolle Eindrücke. Für Freunde glattgebügelter Hochglanzfilme ist das natürlich nichts, doch zum Film passt es perfekt. Die Schärfe ist bisweilen gut, lässt aber in Halbtotalen oder Totalen schon mal etwas nach. Der Kontrastumfang liegt im mittleren Bereich, solange die Szenen gut ausgeleuchtet sind. Die teils neblig-regnerische Szenerie verhindert mitunter allerdings sattes Schwarz oder helles Weiß. Farben sind thematisch bedingt entsättigt und bleiben einer grau-braunen Palette verpflichtet. Aufgrund der starken Körnung sieht es in Innenräumen schon mal aus wie bei TV-Produktionen der 50er (43’28).
Operation Anthropoid mag zwar nicht primär auf Action ausgelegt sein, klingt dennoch aber ganz vorzüglich. Schon der unheilvolle Score mit dem wabernden Tiefton zu Beginn lässt Spannung aufkommen und die Geräusche im Wald nach dem Fallschirmabsprung gelangt äußerst räumlich ins Heimkino. Reduziert sich das Setting auf die vielen konspirativen Treffen und somit auf die Dialoge, bleibt nicht oft Raum für Effekte. Dennoch werden auch dann Straßen- und Umgebungsgeräusche authentisch aufbereitet. Fallen dann nach 63 Minuten Schüsse, wähnt man sich mittendrin im Attentat – eben weil die Umgebung so ruhig ist, dass die Patronen die Luft förmlich zerreißen.

Bonusmaterial

Das knapp 30-minütige Making-of, dass sich neben dem Trailer im Bonusmaterial von Operation Anthropoid aufhält, rollt die Produktion des Films noch mal von vorne auf. Von der ersten Sichtung des Skripts über die historischen Bezüge, die Besetzung und die Drehorte – ein sehr informativer Hintergrundbericht.

Fazit

Operation Anthropoid funktioniert zwar ählich wie Operation Walküre, besitzt aber nicht dessen Mainstream-Inszenierung. So muss man sich für Ellis‘ Film durchaus etwas Zeit nehmen und sich ein wenig durch die erste Dreiviertelstunde kämpfen, bevor es mit dem Attentat spannend und im Finale ziemlich bleihaltig wird. Für Freunde historisch verbürgter Tatsachen und Cineasten mit Interesse an heroischen Weltkriegsgeschichten auf jeden Fall eine Empfehlung.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: TS/GB/F 2015
Regie: Sean Ellis
Darsteller: Jamie Dornan, Cillian Murphy, Charlotte Le Bon, Toby Jones
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 121
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Operation Anthropoid

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