Our Evil

Blu-ray Review

our-evil-blu-ray-review-cover.jpg
Pierrot Le Fou, 16.11.2018

OT: Mal Nosso

Unterstützt die Arbeit an meinem Blog, indem ihr den Film bei Amazon kauft.

 


04-05-15

Wenn die klassischen Horrorfilm-Länder nichts Gescheites mehr auf die Kette bekommen, zeigen andere, wie es geht – in diesem Fall kommt ein echtes Genre-Highlight aus Brasilien.

Inhalt

our evil blu-ray review szene 7
Arthur kümmert sich aufopfernd um seine Tochter

Das Aufstehen ist für Arthur mittlerweile etwas quälend geworden. Sichtbar müde quält er sich aus den Laken. Als er aus dem Zimmer tritt, verharrt er einen Moment lang vor der Tür zum Nachbarraum – unentschlossen, hineinzutreten oder nicht. Dann setzt er sich vor den Computer und durchforstet das Darknet. Bei den Auftragskillern bleibt er hängen und schaut sich kurz ein „Bewerbungsvideo“ eines Mörders namens Charles an. Das, was er sieht, reicht ihm. Er tritt in Kontakt und fordert dessen Dienste an. Nur warum?
Die Erklärung dafür liefert Arthur per Video. Ein Video, das der Killer erst nach Erfüllung seines Auftrags zu sehen bekommen wird – und das ihn überraschen wird …

our evil blu-ray review szene 1
Arthur engagiert einen Killer im Darknet …

Der Brasilianer Samuel Galli hat mit seinem Debütfilm mal eben im Alleingang (Produktion, Regie, Schnitt, Skript) ein ganz besonderes Werk geschaffen. Sein Our Evil beginnt ebenso langsam wie atmosphärisch. Wenn sich Arthur praktisch in Zeitlupe aus dem Bett und durch seine Wohnung bewegt – dazu leise Klaviermusik im Hintergrund – erzeugt der Film schon zu Beginn eine düster-melancholische Atmosphäre, die eigentlich so gar nicht zu den ultrabrutalen Bildern passen möchte, die man dann im Selbstdarstellungs-Video des Auftrags-Assassinen zu sehen bekommt. Und doch funktioniert das Ganze. Die anfängliche Kommunikation zwischen Arthur und dem Mörder wird dann mit wabernden Synthie-Sounds unterlegt, während der Killer derbe Scherze auftischt, dass der Mord an Kindern billiger sei.
Was in diesen Momenten eine sogartige Wirkung erzeugt, ist der geniale Mix aus Beleuchtung, Sound, Kameraarbeit und dem traurig-müden Gesicht des klasse gewählten Hauptdarstellers Ademir Esteves. Die Tatsache, dass der Film bewusst ein sehr langsames Tempo anschlägt, ist bei Our Evil nicht hinderlich oder gar langweilig, sondern intensiviert noch die Auseinandersetzung mit den Figuren und ihren Motiven. Die Dialoge, wenn denn welche kommen, sind bleischwer und voller Bitterkeit. Gleichzeitig sind sie ehrlich, gerade heraus und deprimierend. Weil sie durchweg echt rüberkommen, hat man auch zu keiner Zeit das Gefühl, irgendeinem Amateur-Film mit ebensolchen Darstellern beizuwohnen – und das obwohl viele der Beteiligten eigentlich genau das sind: Unerfahrene Neulinge im Filmgenre.

our evil blu-ray review szene 6
… einen ziemlich brutalen Killer

Was Our Evil neben der Atmosphäre ebenfalls gelingen lässt, ist die Tatsache, dass er ein Mysterium aus den Motiven vor allem des Hauptdarstellers macht. Warum engagiert dieser sich liebevoll um seine Tochter kümmernde Arthur einen Auftragskiller? Was steckt hinter der deprimierten Melancholie des glatzköpfigen Mannes? Wer ist diese Tochter? Und wie ist das eigentliche Verhältnis der beiden zueinander?
Das alles erzählt Our Evil auf zwei Zeitebenen. Denn der zweite Teil des Films spielt vor dem ersten, deckt nach und nach die Beweg- und Hintergründe auf, nachdem die 38. Minute zuvor mit einem Knalleffekt endete.
Was sich daran anschließt, entfernt sich etwas von der vorher vollständig in der Realität verankerten Geschichte und lässt Raum für Übersinnliches. Allerdings übertreibt es Galli nicht damit und bedient sich nicht der gängigen Geister-Muster. Vielmehr geht’s auch hier um die Dämonen im Inneren und selbst diese Szenen gelingen Our Evil überzeugend – praktischer Masken sei Dank.
Hintergründe bekommt übrigens auch der Killer, was nicht gerade typisch ist im Genre. Es lässt Gallis Film aber noch schlüssiger und intensiver werden.
„Er hasse Menschen“ sagt er zu Beginn zu Arthur. Etwas, das ihm vielleicht noch mal leid tun wird.
Die Gewaltspitzen werden übrigens spärlich, aber gezielt gesetzt. Und wenn Charles zu Werke geht, tut er das nicht zimperlich. Das gilt analog auch für den Film, der zwar nicht ultrablutig daherkommt, aber gerade in Sachen Gewalt gegen Frauen schon mal schwer zu ertragen ist.

our evil blu-ray review szene 8
Seltsame Visionen von einem übel gelaunten Clown

Bild- und Tonqualität

our evil blu-ray review szene 3
„Our Evil“ ist blutig

Our Evil hat ein relativ ruhiges und Bild, das allerdings in den Szenen des Killers zu Beginn bewusst auf analog wirkende Körnung setzt. Die braune Filterung, welche die Szenen mit Arthur darstellt, wirkt atmosphärisch und zum Film passend. Hauttöne sind deshalb sehr angenehm und warm. Der Kontrastumfang ist überraschend gut und selbst in dunklen Sequenzen sind Farben und helle Bereiche gut durchzeichnet. Lediglich die Schärfe ist durchweg eher im mittleren Bereich und könnte Details knackiger, weniger weich erscheinen lassen. Während der Rückblicke umgibt die Figuren ab und an ein Weichzeichner, was aber stilistisch so gewollt ist.
Beim Sound liefern die beiden dts-HD-Master-Spuren (deutsch und portugiesisch) durchaus dynamische Momente – und das meist im Zusammenhang mit den herausragenden Filmscore-Momenten. Hier werden dann auch die Effeklautsprecher entsprechend bedient und die elektronischen Keyboard-Klänge hüllen den Zuschauer ein. Stimmen und Dialoge sind stets präsent und die Synchro gehört auch akustisch zu den gelungeneren entsprechender Genre-Produktionen.
Die vereinzelt fallenden Schüsse sind kurz und knackig, während der Subwoofer dann im Finale mit dem Belzebub gut zu tun bekommt.

Bonusmaterial

our evil blu-ray review szene 2
Arthur geht durch buchstäblich durch die Hölle

Das Bonusmaterial von Our Evil besteht aus dem Trailer sowie einem gut 22-minütigen Making-of. Das ist erstaunlich nahe bei den Dreharbeiten und damit auch bei der Maskenbildnerei. Die Hintergrundkamera wird von einer (hörbar) jungen Frau geführt, die (ebenso hörbar) sehr viel Spaß an den Dreharbeiten hatte und manchmal aus dem Giggeln kaum rauskommt. Das macht die Sache aber umso sympathischer und authentischer. Das super schicke Mediabook zum Film (#14 der Uncut-Reihe des Anbieters) enthält zudem die DVD des Films, ein Poster und ein sehr lesenswertes Booklet.

Fazit

Our Evil nimmt sich Zeit, seine Geschichte voller Rätsel und Mysterien zu entfalten. Dabei ist das Tempo bewusst niedrig, oftmals fast meditativ. Doch genau das macht den Reiz des Films aus, dessen Atmosphäre dicht und packend ist. Man sollte sich natürlich auf ein ruhiges Pacing einlassen können und keine pausenlose Splatter-Orgie erwarten, denn die Gewaltsituationen sind eher weit gestreut. Dennoch verfehlen sie aufgrund ihrer eruptiven Natur und der äußerst gelungenen praktischen Masken ihre Wirkung nicht. Insgesamt ein mehr als gelungenes Erstlingswerk mit innovativen Ideen, großartiger Kamera und kongenial eingesetzter Filmmusik.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%

Anbieter: Pierrot Le Fou
Land/Jahr: Brasilien 2017
Regie: Samuel Galli
Darsteller: Fernando Cardoso, Ricardo Casella, Reinaldo Colmanetti, Walderrama Dos Santos, Ademir Esteves, Maria Galves, Maria Clara Goncalves
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, por
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter: Pierrot Le Fou)

Trailer zu Our Evil

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Neueste
Älteste Most Voted
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!
Nino

Ich kann mich der Begeisterung so gar nicht anschließen. Ich fand den Film ziemlich schlecht und utopisch gemacht selten so was schlechtes und langweiliges gesehen! FSK 18 kann ich nicht verstehen es hat mich nicht getasht der hätte auch ab 16 sein können also ich muss ihn nicht nochmal sehen!