Outside the Wire [Netflix]

Blu-ray Review

Netflix, 15.01.2021

OT: Outside the Wire

 


Das Gesicht des Krieges

Das nächste Action-Highlight, das mit großen Namen zum Streaming-Anbieter Netflix zieht.

Inhalt

Harp kennt Krieg bisher nur vom Bildschirm

Das Jahr 2036. Man sollte meinen, die Nationen hätten sich so langsam mal zusammen gerauft und leben in friedlicher Koexistenz. Leider ist das nicht der Fall. In der Ukraine tobt ein blutiger Bürgerkrieg zwischen pro-russischen Aufständischen und dem lokalen Widerstand. Um ein bisschen Frieden zu stiften, haben die USA vor Ort Truppen installiert, deren Operationen unter anderem von Drohnen überwacht werden. Drohnen, die selbstredend aus sicherer Entfernung von entsprechenden Spezialisten eingesetzt und gesteuert werden. First Lieutenant Harp ist einer von ihnen. Und als er einen Einsatz der US-Soldaten aus der Luft begleiten soll, muss er mit ansehen, wie die Kameraden in einen Hinterhalt geraten. Entgegen anders lautender Befehle setzt er die Drohne ein und feuert eine Rakete ab. Das Resultat sind 38 gerettete Marines – aber eben auch zwei getötete Kameraden. Und weil sein Boss diese „Kollateralschäden“ überhaupt nicht witzig findet, versetzt er Harp zur Strafe genau dorthin, wo er zuvor nur per Drohne aus der Luft anwesend war. Im US-Camp in der Ukraine angekommen wird er Captain Leo zugeteilt, einem hoch technologisierten Androiden mit menschlichem Aussehen – einem Supersoldaten. Leo soll Harp die „echte Front“ zeigen und ein Verhältnis herstellen, auf dass der Drohnenpilot verstehe, dass Kollateralschäden inakzeptabel sind. Bald sind die Zwei allerdings mittendrin im Bürgerkrieg und müssen verhindern, dass der Anführer des russischen Aufstands, der Terrorist Victor Koval, an nukleare Sprengköpfe gerät, die seit dem Kalten Krieg noch in irgendeinem Silo lagern. Koval will damit nicht weniger als den 3. Weltkrieg anzetteln …

Harp trifft auf diejenigen, denen er Kollateralschäden zugefügt hat

Nach und nach scheint sich Netflix zum Auffangbecken für ausgediente Superhelden zu mausern. Nachdem die dritte Phase des MCU mit dem letzten Avengers-Teil ihr Ende fand, haben sich gleiche mehrere Ex-Marvel-Helden beim Streaming-Anbieter eingefunden, um dort ihr Gnadenbrot zu bekommen. Okay, ein bisschen gehässig formuliert – ich geb’s ja zu. Auffällig ist aber schon, dass nach Chris Evans (The Red Sea Diving Resort), Chris Hemsworth (Tyler Rake: Extraction) und Scarlett Johansson (Marriage Story) nun auch noch Anthony Mackie zu Netflix gefunden hat – nicht zu vergessen The Devil All the Time, der mit Tom Holland und Sebastian Stan gleich zwei Marvel-Helden-Darstellern Brot und Zucker garantierte.
Aber was sollen sie auch machen, die ganzen beliebt gewordenen Darsteller, wenn das Kino wie man es kannte, schlicht (momentan) nicht mehr existiert. Also Netflix. Also auch Anthony Mackie. In Outside the Wire darf er einen Androiden mit Superkräften spielen (ups, wie originell), stellt sich aber nicht in den Dienst einer Outlaw-Superhelden-Truppe, sondern in den der US-Army. Als Soldat mit Roboter-Technologie muss er einem menschlichen Gegenüber zeigen, was menschliche Urteilskraft ist; was menschliches Leben wert ist.

Leo sieht nur äußerlich wie ein Mensch aus

Und so beginnt der vom dänischen Regisseur Mikael Håfström (Zimmer1408, Escape Plan) inszenierte Film schön plakativ. Der junge Drohnenpilot Harp ist zwar begnadet im Umgang mit dem Joystick, aber genauso überheblich in seiner Selbstdarstellung und undiszipliniert seinen Vorgesetzten gegenüber – wenn das mal keine Voraussetzung für hübsche Reibereien innerhalb der Befehlsstrukturen ist. Und richtig: Kaum im Camp an der Front im Osteuropa-Bürgerkrieg angekommen, werden ihm von einem Captain mal so richtig die Leviten gelesen. Ein Glück, dass sie dabei im Regen stehen – macht die Kopfwäsche leichter. Das typische Ding von: „Wir sind die harten Soldaten an der Front vs. du bist der intellektuelle Sesselpuper an der Konsole“ wird laut und deutlich ausgesprochen. Auf dass auch jeder Zuschauer versteht, welche Fronten hier im Laufe des Films eingerissen werden müssen. Wir ahnen – nein, wir wissen, dass aus diesem Harp ein ganz doll umgänglicher und vorausschauender, ja umsichtiger Soldaten werden wird. Einer, der bereuen wird, dass er den Daumen zu Beginn des Films so locker am Auslöser der Drohne hatte. Wer an dieser Stelle Spoiler vermutet, dem sei gesagt, dass dieser Abschnitt nach zwölf Minuten Laufzeit des Films geschrieben wurde. Wenn, dann hätte ich mich also bereits selbst gespoilert.
Tatsächlich bedient Outside the Wire nahezu jedes erwartbare Klischee und ist (bis auf einen kleinen Twist nach 70 Minuten) vorhersehbar wie die Wettquote des FC Bayern gegen Rot Weiß Essen (sorry, RWE). Wer wirkliche Innovation sucht, wird hier nicht fündig.

Der Android weiß gut mit Deeskalation umzugehen, kennt sich aber auch mit Folter aus

Wohl aber derjenige, der sich einfach einen unterhaltsamen Abend machen möchte. Denn der Film, der an seinem Startwochenende (laut Netflix) die bisher höchsten Zugriffszahlen hatte, tut genau das: Unterhalten. Outside the Wire lebt ein bisschen davon, dass er sich zu Beginn arg ernst nimmt, dann aber etwas entspannter wird. Zwar hangelt er sich dabei oft entlang eines schmalen Grats des Überzogenen bis leicht Albernen, aber irgendwie nimmt man Mackie diese betont strenge Rolle als Android sogar ab. In einem Moment fragt Harp seinen neuen Vorgesetzten Leo, ob sie nun Partner seien. Leo reagiert fast angewidert entsetzt und stutzt Harp erst einmal wieder zurecht. Dabei schaut er so miesepetrig drein, dass man in diesem Moment nicht mit Harp tauschen möchte.
Dass sich das Verhältnis bessern wird, dafür muss man kein Prophet sein. Es geht für Harp ja darum, Verantwortung zu übernehmen. Und wo kann man das besser bei lernen als bei einer Zwei-Mann-Harakiri-Mission? Und so kommt es, dass sich im Laufe der Filmlänge eine Art Soldaten-Buddy-Movie entspinnt, dessen auflockernder Humor gerne mal mit der Mensch-Maschine-Dynamik kokettiert und dabei sogar ein paar gute Gags parat hält.
Nebenbei wird aber natürlich auch Gas gegeben. Und abgesehen von ein paar etwas ungelenk wirkenden Gumps (die Roboter-Soldaten in Outside the Wire) sieht das Ganze durchaus hochwertig aus. Der in Ungarn gedrehte Streifen nutzt eindrucksvolle geschundene Settings und wirkt immer wieder sehr klaustrophobisch, wenn sich das Kriegsgeschehen innerhalb eines von hohen Häusern umsäumten Straßenzugs abspielt Mackie darf als Android-Soldaten natürlich auch zeigen, dass er körperlich nach wie vor fit ist, was sich in gut choreografierten Kampfszenen widerspiegelt. Selbst wenn die Antworten, die Harp bei seinem Außeneinsatz bekommt, erwartbar sind und Überraschungen freilich ausbleiben, sind knapp zwei Stunden gute und teils actionreiche Unterhaltung garantiert.

Kleine Anekdote am Rande: Die deutsche Synchro erlaubt sich eine kleine Uminterpretation der Schuldfrage. Nach etwas über 44 Minuten antwortet Harp im Original mit „I did the right thing“ auf Leos Statement, er habe mit seiner Aktion das Richtige getan und man hätte ihm einen Orden verleihen sollen. Während die deutschen Untertitel hier korrekt mit „ich tat das Richtige“ übersetzen, nimmt sich die Synchro die Freiheit, mit „es war falsch“ zu antworten. Im Kontext wird zwar auch im Original klar, was gemeint ist, aber die deutsche Synchro geht den leichten Weg und erstickt hier jede Kontroverse im Keim.

Bild- und Tonqualität

Gumps dienen als zielgenau schießendes Kanonenfutter

Wer für Netflix filmt, hat sich mittlerweile an deren Vorgaben zu halten. Im Klartext heißt das: Wo immer möglich, wird in 4K (oder höherer) Auflösung gefilmt und vor allem durchgängig in 4K produziert. Man hat es also bei den neue(re)n Produktionen stets mit Real-4K-Material zu tun, das zudem ebenso (nahezu) prinzipiell mit Dolby Vision angeboten wird. Im Falle von Outside the Wire wurden die Panasonic-Millennium-DXL2-Kameras verwendet, die mit 8K-Auflösung aufzeichnen. Das DI wurde in 4K produziert und das Ergebnis ist in Close-ups schon mal phänomenal. Die Schärfe und Detailauflösung auf Harps Gesicht in Naheinstellungen ist sensationell gut. Schon nach 6’20 sieht man hier auch den HDR-Effekt in den Spitzlichtern, wenn man sich die Reflexionen in seinen dunklen Augen anschaut. Die Bildruhe und das Fehlen von Körnung oder Rauschen sind ein weiteres Argument für den Stream. Zwar kann das teils arg glatt wirkende Bild seine digitale Herkunft nicht leugnen und sieht nicht sonderlich filmisch aus, aber wer kristallklare Bilder mag, wird Outside the Wire lieben.
Wo viel Licht ist, gibt’s aber auch ein wenig Schatten. Denn 15.25 Mbps, die Standard-Datenrate für Netflix-4K-Produktionen, sind einfach zu wenig für ein Bild ohne Kompressionsartefakte. Die bildschirmfüllenden Explosionen nach 6’10 weist in den Farbabstufungen sichtbares Banding auf und während des Schwenks in den Himmel bei 7’00 fängt sich die feine Struktur auf dem Containerdach links leider übles Flimmern ein. Objektivbedingte Randunschärfen in Totalen sind indes nicht dem Stream, sondern den verwendeten Optiken zu „verdanken“ (30’47, 69’16).

Kann ziemlich grimmig gucken: Kontaktperson Sofiya

Netflix hat auch beim Ton Vorgaben. Und die lauten: Deutscher Ton in Dolby Digital Plus und O-Ton in Dolby Atmos (mit DD+-Kern). Beginnen wir mit dem deutschen DD+-Sound, so werden wir zumindest schon mal mit druckvollen Explosionen empfangen, während in der Intro-Szene bereits aus fast allen Rohren geballert wird. Die Stimmen wirken etwas dünn, wenn man es ins Verhältnis zu den Soundeffekten setzt. Die bei DD+-Spuren von Netflix oftmals vermisste Dynamik ist auch hier ein Thema. Die Spreizung zwischen leisen und lauten Passagen dürfte höher sein, die Gewehre müssten noch etwas knalliger und offener tönen. Während die Explosion nach 6’08 zwar Druck liefert, fehlt ihr ein bisschen das obere Frequenzband. Wechselt man in der Intro-Szene auf das englische Original in Dolby Atmos (das bei Netflix stets ebenfalls mit DD+-Codec gemastert ist), kommt das allerdings kaum vehementer rüber. Ja, es fetzt einigermaßen und ist schön räumlich, aber der richtige Bums fehlt einfach. Atmos-Spuren auf physischen Disks zeigen hier dann doch, wie es besser/druckvoller geht. Aber das ist nicht das erste Mal, dass sich Netflix beim Ton Kritik einfängt – letztlich auch nachvollziehbar, wenn sich in schmale 15.25 Mbps 4K-Bild und 3D-Sound quetschen müssen. Dolby Atmos nimmt sich auf physischen Disks alleine bereits bis zu 6-7 Mbps – und da ist dann noch kein belichteter Pixel übers Bild gehuscht.
Nehmen wir den Ton, wie er ist, so kann man wenigstens festhalten, dass deutsche und englische Tonspur auf sehr ähnlichem Niveau agieren. Sieht man davon ab, dass der Synchro die 3D-Sounds fehlen, spielt diese in puncto Räumlichkeit wirklich gut mit. Auch wenn die Originalstimmen harmonischer ins Gesamtgeschehen eingebettet sind, hält die hiesige Fassung wirklich gut mit. Auch während des Hinterhalts nach 33 Minuten. Auch dort werden Schüsse räumlich verteilt und man fühlt sich ins Geschehen versetzt. Wenn die Dynamik besser wäre, würde es sogar richtig Spaß machen.

Begegnung mit dem Feind

Hören wir uns die Original-Spur mit aktiviertem Atmos und entsprechender 3D-Soundinformation an, so bleiben die Heights erstaunlich unterbeschäftigt. Schon die anfänglichen Funksprüche hätte man offensiver auf die Höhen-Lautsprecher legen können. Auch das permanente Feuern aus den Waffen kommt nicht von oben (selbst wenn es von dort zu sehen ist) und die Explosion nach sechs Minuten weitet sich ebenfalls nicht auf die Heights aus. Es ist ein diffuser, leise hinzugemischter Teppich, der sich auf die obere Ebene verirrt, aber im Zusammenspiel mit den fünf Boden-Speakern keinerlei griffige Direktionalität aufweist. Nach 9’12 gibt’s dann tatsächlich Regen von oben, obwohl genau DAS ein 3D-Sound ist, der viel zu oft missinterpretiert eingesetzt wird. Denn Regen hört man nun mal nicht fallen – jedenfalls nicht von oben. Es sei denn, man steht unter einem Vordach, auf das es prasselt. Während der Actionszene nach 33’48 hört man zwar (wenn man die vier Decken-Lautsprecher isoliert betreibt) Querschläger flitzen, aber das ist in Summe so leise und beiläufig, dass es im Gesamtgeschehen untergeht. Es fördert nicht mal die generelle Räumlichkeit, da es dafür schlicht zu dezent bleibt. Und es kommt auch in der Folge nichts. Kein einziger, wirklich greifbarer 3D-Soundeffekt – sehr schade.

Fazit

Outside the Wire ist nicht der große Wurf, den Darsteller und Trailer vermuten lassen. Er ist aber trotz all seiner Vorhersehbarkeit und Klischeehaftigkeit durchaus unterhaltsam inszeniert und lockert seine grimmigen Figuren immer mal mit etwas Humor auf. Für zwei Stunden Zeitvertreib ist das genug – selbst wenn man sich eine Woche später kaum mehr an die Handlung erinnern dürfte. Ärgerlich ist der wenig dynamische Sound, der auch über die englische Atmos-Fassung enttäuscht. Denn diese bietet praktisch keinen einzigen spektakulären und dedizierten 3D-Soundeffekt. Das Bild indes ist schön scharf und sehr rauscharm.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%

Tonqualität (dt. Fassung): 75%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 75%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 10%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 30%

Film: 60%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2021
Regie: Mikael Håfström
Darsteller: Anthony Mackie, Damson Idris, Enzo Cilenti, Michael Kelly, Pilou Asbæk, Kristina Tonteri-Young
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 115
Real 4K: Ja
Datenrate: 15.25 Mbps
Altersfreigabe: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei: Jonathan Prime​/NETFLIX, © 2020)

Trailer zu Outside the Wire

Outside the Wire | Offizieller Trailer | Netflix


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