Blu-ray Review
OT: Panama
Muttersöhnchen im Bordell
Mark Neveldine ist am Tiefpunkt seiner Regie-Karriere angelangt.
Inhalt
James Becker, Ex-Militär, hat seine Frau vor einem Jahr verloren und sich davon immer noch nicht erholt. Noch immer schläft er mit der Flasche in der Hand und seinem Hund als Begleiter vor ihrem Grabstein ein. Dort liest ihn eines Tages sein ehemaliger Kommandeur Stark auf und erzählt ihm etwas von einem Spezialauftrag in Panama. Damit könnte er endlich noch mal was Sinnvolles tun, bevor er sich zu Tode säuft. Becker nimmt an, ohne so richtig zu wissen, warum er es tut. Und so ist es kein Wunder, dass die Auftraggeber ihm misstrauen. Lediglich Stark hält ihn für den richtigen Mann und brieft Becker mit dem Auftrag. Ziel ist es, einen russischen Helikopter von Machthaber Noriega abzukaufen, um ihn an die Contras in Nicaragua zu verkaufen, welche damit dann Noriega umbringen können – klingt absurd. Aber so ist es nun mal. Und James findet’s irgendwie „cool“. Also macht er sich auf nach Panama, um alles in die Wege zu leiten, was notwendig ist. Dabei stehen ihm aber irgendwann die eigenen Hormone im Weg …
Mark Neveldine startete seine Karriere als Ko-Regisseur des abgedrehten Hyper-Actionfilms Crank. Gemeinsam mit Brian Taylor hatte er etwas erschaffen, das neuartig und innovativ war. Der Nachfolger zeigte dann bereits deutliche Verschleißerscheinungen und offenbarte, dass höher, schneller, weiter nicht gleichbedeutend ist mit besser. Es folgte der Actioner Gamer mit Gerard Butler und mit Spirit of Vengeance der zweite Ghost Rider, der maximal für Trashfans eine gewisse Relevanz hat. Von da an trennten sich die Wege von Neveldine und Taylor – und mit Neveldine ging’s weiter bergab. Sein Horror-Ausflug The Vatican Tapes war weder spannend, noch in irgendeiner Form innovativ. Dennoch wird der Regisseur, der sich für seine Kamerafahrten gerne mal Roller Blades an die Füße schnallt, nicht müde, es weiter zu versuchen. Sein jüngstes Werk hört auf den Namen Panama – The Revolution is Heating Up und hat mit einer Revolution so viel zu tun wie Steven Seagal mit ernsthaftem Schauspiel.
Weil’s im Untertitel allerdings suggeriert wird, ein kurzer (bewusst vereinfachter) Ausflug in die Geschichte: Den USA waren die Sandinisten, die in Nicaragua in den 80ern regierten, ein Dorn im Auge. Entsprechend unterstützte die Reagan-Regierung die Guerilla-Bewegung der Contras – und zwar über Einnahmen, die man aus Waffenverkäufen an den Iran erwirtschaftete (Iran-Contra-Affäre). Die Unterstützung der Contras erfolgte über den Umweg Panamas und den dort faktisch als Machthaber agierenden Manuel Noriega. Noriega stand aus diesem Grund auf der Gehaltsliste der CIA, die wiederum duldete, dass er massive Drogengeschäfte (unter anderem mit dem von Pablo Escobar geführten Medellín-Kartell) machte. Als 1986 US-Medien diesen Fakt enthüllten, kam die Regierung unter Reagan immer mehr unter Erklärungsdruck, bis sich der US-Präsident 1988 entschloss, seine Strategie gegenüber Noriega zu ändern. Die Bedingungen für den panamaischen Machthaber wurden schlechter und im Mai 1989 verlor er bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die Niederlage akzeptierte er jedoch nicht, was zu massiven Spannungen im Land führte. Als Konsequenz daraus verlegten die USA im Mai 1989 Brigaden in die Panamakanalzone (immerhin eine strategisch äußerst wichtige Passage zwischen Pazifik und Atlantik). Als im Oktober dann ein Militärputsch zur Entmachtung Noriegas scheiterte, reagierten die USA mit einer Invasion, die vom 20. Dezember 1989 bis zum 03. Dezember 1990 andauerte. Vier Wochen später wurde Noriega von den USA in Gewahrsam genommen.
Mark Neveldine schmeißt seinen Helden mitten hinein in die Zeit, in der die USA sich gegenüber Noriega neu positionierten – und lässt James Becker damit genauso alleine wie den Zuschauer. Wobei „Hineinschmeißen“ geschönt ist, da man zunächst einmal fünf! Minuten an Einblendungen von produzierenden Studios und Filmbeteiligten erdulden muss. Fünf Minuten, in denen pseudodokumentarische Dokumentenausdrucke auf Authentizität machen, während im Hintergrund Musik dudelt, für die sich ein Aufzug noch schämen würde. Geht es dann endlich los, soll Becker also ein Geschäft mit Drogendealern und Guerillas abwickeln. Warum ausgerechnet Becker? Dieses mentale und körperliche Quasi-Wrack? Das bleibt genauso im Dunkeln wie nahezu alles, was um ihn herum geschieht (okay, er hat einen Pilotenschein, wow). Zumal Ausstattung und Setdesign nicht mal einen Hauch von zeitgenössischer Atmosphäre aufkommen lassen. Hätte man nicht den Hinweis zu Beginn des Films, um welches Jahr es sich handelt, könnte es auch jedes andere sein. Die Tatsache, dass nicht genug Geld vorhanden war, um vernünftige Außendrehs zu verwirklichen, reduziert die Geschichte in den allermeisten Situationen zudem auf Büroräume, Bars oder Hotelzimmer. Dazu passt der von Gibsons Synchronsprecher (jetzt erstmalig Ronald Nitschke, der auch Tommy Lee Jones seine Stimme leiht) vorgetragene Off-Kommentar, dessen Dialoge direkt aus der Mottenkiste der 80er Jahre Videotheken-Staubfänger kommen und patriotischer kaum sein könnten. Apropos Patriotismus: Panama versucht sich erst gar nicht in einer Ausdifferenzierung der Iran-Contra-Affäre und der beteiligten Parteien, sondern stellt sich nach etwas über 20 Minuten eindeutig auf eine Seite, indem er möglichst alle Gräuel, die man sich unter Guerilla-Kriegsbedingungen vorstellen kann, in einen Becher packt und diesen vor James ausschüttet. Und wem das noch nicht Holzhammer genug ist, der bekommt daraufhin noch einen Besuch in einem Contra-Flüchtlingscamp, in dem ganz besonders leidend dreinschauende Verletzte oder Verstümmelte sowie Frauen und Kinder sitzen – gefilmt in Zeitlupe, um noch stärker zu visualisieren, wer hier das vermeintliche Opfer ist. Verschwiegen wird, dass die Contras systematisch die grundlegendsten Regeln der Kriegsführung verletzten – einschließlich wahlloser Anschläge, Vergewaltigungen und Ermordung von Zivilisten oder Misshandlung von Gefangenen (Quelle). Ohne Zweifel war die Zeit der Guerilla-Kämpfe der Contras in Nicaragua eine für beide Seiten wenig rühmliche. Doch wenn ein Film wie Panama sich so deutlich auf eine Seite stellt, ist die Moral dahinter ebenso verwerflich wie die Iran-Contra-Affäre selbst.
Die Einführung Beckers durch Stark in das Vorhaben bietet das Maximum an „Kritik“. Wenn man das Sinnbildliche „die Situation ist wie sie ist und wir fragen einfach nicht, warum wir tun sollen, was wir tun sollen“ als „Kritik“ verstehen mag. Dabei hätte der historische Hintergrund eine Menge Potenzial für einen wirklich spannenden Polit- und Actionthriller abgeben – hätte, hätte, Fahrradkette. Aber das Potenzial bleibt ungenutzt liegen und wird durch eine politisch mehr als fragwürdige Positionierung ersetzt. Liegengebliebenes Potenzial ist auch das beste Stichwort für die Figuren, die nicht mal Abziehbilder von Klischees sind, sondern Kopien von Abziehbildern. Da ist sich Neveldine nicht zu schade, den ersten Handlanger in Panama mit einer hübschen Dame auf dem Sofa zu zeigen, die ihm lasziv eine Weintraube in den Mund legt – und nein, das ist nicht ironisch gemeint. Dafür nimmt sich Panama viel zu ernst. Frauen gibt’s dafür einige, vorzugsweise leicht bekleidet und intensiv abgefilmt – nun denn, wer’s mag. Cole Hauser, bzw. sein James, scheint es reizvoll zu finden, denn der offensichtliche Neid, mit dem er Enrique begegnet, ist unübersehbar. Wo wir gerade bei der Hauptfigur sind: James wird als wenig vertrauenswürdiger, labiler und schwieriger Charakter eingeführt. Einer, der es mit Vorgesetzten nicht wirklich hat und der gerne seinen eigenen Weg geht. Kaum steht er dann in Panama Enrique gegenüber, wirkt er wie ein kleiner Schuljunge, der staunend das erste Mal einen Playboy durchblättert. Das passt einfach hinten und vorne nicht. Ein Wort über die Darsteller – okay, vielleicht zwei: Mel Gibson ist Marketing-Blickfang auf dem Cover und hat (wie zuletzt nicht selten) ungefähr sieben Minuten Screentime. Cole Hauser ist seit Pitch Black nicht nur furchtbar aufgeschwemmt, sondern stolpert weitgehend gelangweilt durch den spannungsarmen Film. Und wenn dann mal eine Actionszene die Langeweile unterbricht, wirkt die auch noch eher albern als rasant – spielt er WIRKLICH Luftgitarre auf seinem MG? Völlig unnötig und unfassbar untalentiert inszeniert und geschnitten ist dann die Motorradszene nach 53 Minuten – Momente, in denen man sich als Zuschauer wirklich fragt, ob man hier für dumm verkauft wird.
Bild- und Tonqualität
Wenn man mal für den Moment die hektische Wackelkamera weglässt, fällt die Blu-ray von Panama mit einem stark stilisierten Bild auf, das eine gewisse digitale Körnung hinzufügt und Farben mitunter stark übersättigt, um einen schwül-hitzigen Look (vor allem in Panama, wofür übrigens Puerto Rico doublen musste) zu erzeugen. Die Körnung ist allerdings sehr stark unterschiedlich und nicht konsistent durch den Film homogen. Die Schärfe ist bisweilen gut, die Kontrastierung geht in Ordnung. Das Encoding dürfte hier und da etwas souveräner mit dem digitalen Rauschen umgehen. Akustisch ist Panama auffällig nervtötend vom vor sich in plärrenden Gitarrenscore geprägt, der auch in den unnötigsten Situationen noch Tempo vorgaukelt, wo man sich mal kurz auf die Dialoge konzentrieren könnte – vielleicht will er aber auch von diesen ablenken, wer weiß. Das tut er immerhin räumlich und auf den Rears beinahe lauter als auf den Frontspeakern. Während der einzigen großen Actionszene nach 30 Minuten knallen die Schüsse auch relativ effektvoll, aber auch dort dröhnt die Musik alles andere zu. Dialoge sind gut verständlich, aber nicht herausragend gut eingebettet.
Bonusmaterial
Lediglich ein Trailer ist im Bonusmaterial zu finden.
Fazit
Panama ist ein in allen Belangen ärgerlicher Film. Die Story ist ärgerlich dünn, unnötig verkompliziert erzählt und dennoch vorhersehbar. Die permanent vor sich hin plärrende Filmmusik ist ärgerlich nervtötend und völlig uninspiriert über das Geschehen gelegt worden. Die Charaktere sind allesamt ärgerliche Arschlöcher und die andauernde Wackelei der Kamera versucht zu überspielen, dass der Film keinerlei Tempo hat. Mel Gibson ist zudem bereits dabei, den gleichen Weg zu wählen, den zuletzt Bruce Willis während der letzten Jahre seiner Karriere beschritten hatte. Neudeutsch „Geezer Teaser“ nennt man das, was Gibson hier macht – und das ist wahrlich kein Kompliment. Dass Neveldines Film politisch auch noch erzreaktionär ist und sich einen feuchten Kehricht um eine ausgewogene Darstellung kümmert, passt ins Bild. Bisher die Gurke des Jahres und heißer Anwärter auf die Flop-5 2022.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 5%
Film: 10%
Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: USA/GB 2022
Regie: Mark Neveldine
Darsteller: Cole Hauser, Mel Gibson, Charlie Weber, Kiara Litz, Mauricio Hénao
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 95
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter EuroVideo)
*Affiliate-Links sind mit * gekennzeichnet. Für Einkäufe über diese Affiliate-Links erhalten wir eine Provision. Für den Käufer entstehen keine Mehrkosten. Infos zum Datenschutz findet ihr hier.
Trailer zu Panama
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Ich hab den Film mit meinem Freund gesehen, weil er so großer Mel Gibson / Lethal Weapon Fan ist und wir beide mussten sagen, dass die Bluray einer der größten Fehlkäufe von ihm war. Ich frage mich ob Mel Gibson so etwas nötig hat oder hat er Geldprobleme oder langweilt er sich? Wieso kann er nicht einfach mit Würde in den Ruhestand gehen?
Geld müsste er doch mehr als genug bis ans Ende seines Lebens haben.
Schauen werde ich ihn dennoch mal allerdings betrachte ich mich nun mehr als Vor-gewarnt.
Hatte aber auch so schon nicht vor viel Geld zu investieren weil ich an anderer Stelle schon gelesen hatte das Mel Gibson inzwischen wohl auch auf Bruce „Geldeinsacken und nix machen“ Willis mimt.
Dachte mir in erster Linie eigentlich das ich bis jetzt Cole Hauser immer nur als Bösewicht gesehen habe seit Pitch Black und es doch mal nett wäre wenn dem nicht so ist.
Oh je , das liest sich ja nicht gerade gut. Ich habe mir den Film gestern bei Amazon Prime Digital gekauft. Dann werde ich mir mal nicht zuviel versprechen.
oder mit einer gesunden Portion Distanz und Ironie anschauen.
Du bist seit heute einer der mutigsten Menschen die ich „kenne“, lieber Timo. Wer sich so tapfer, so einen Film auch nur in Ausschnitten antut, der ist einfach ein wahrer Menschenfreund :o) Danke, dass Du so manchen nicht in die gleiche Falle tappen lässt! (wobei ich mir diesen Film definitiv nicht angetan hätte, schreibe aber auch keine Rezensionen). Gute Besserung, nach dem „Genuß“.
Hab mich schon wieder ein bisschen erholt 😉