Blu-ray Review
OT: –
Von Pferden und Menschen
In jeder Hinsicht außergewöhnliches Kino aus Deutschland.
Inhalt
Wiebke könnte es eigentlich gar nicht besser gehen. Sie betreibt einen erfolgreichen Reiterhof, der unter anderem auch mit der Reiterstaffel der Polizei zusammenarbeitet, hat mit Nikolina ein liebes und nettes Mädchen, das sie aus dem Osten adoptierte und lebt ein freies und selbstbestimmtes Leben. Da es ihr gut geht, sie finanziell abgesichert ist und ein gutes Zuhause bieten kann, adoptiert sie ein weiteres Kind. Die kleine Raya kommt aus Bulgarien, denn in Deutschland darf eine berufstätige und alleinstehende Frau kein Waisenkind adoptieren. Zunächst klappt auch alles gut. Das kleine Mädchen fühlt sich scheinbar wohl in der neuen Umgebung und freundet sich schnell mit Nikolina an. Dass sie hier und da Lebensmitteln hamstert und sich ein bisschen komisch verhält, sind sicherlich nur kurze Ausprägungen eines ungewohnten neuen Lebens. Doch Raya zeigt sich zunehmend aggressiv. Für Wiebke ist es schwierig, zu differenzieren: Testet das Mädchen nur ihre Grenzen aus oder ist etwas nicht in Ordnung? Die Sprachbarriere tut ihr Übriges dazu, dass das Verhältnis zunehmend schwierig wird. Als sie in einem rasenden Wutanfall des Nachts Nikoletta angreift und kaum beruhigt werden kann, wird es langsam grenzwertig. Doch Wiebke fühlt sich herausgefordert. Immerhin ist sie Pferdeflüsterin, warum sollte das nicht auch bei Kindern funktionieren?
Ein Mädchen mit engelsgleicher Mähne. Unschuldig lächelnd und vermeintlich nicht in der Lage, einer Fliege etwas zuleide tun zu können. Und doch verwandelt sich der Engel in einen Teufel. Das ist die Ausgangsprämisse im mehr oder weniger parallel zu Systemsprenger produzierten und veröffentlichten Film von Tore-tanzt-Regisseurin Katrin Gebbes. Pelikanblut, nutzt einen sehr ähnlichen Background wie Systemsprenger mit der großartigen Helena Zengel in der Hauptrolle. Allerdings ist das Mädchen hier noch jünger und ihr Verhalten ist noch extremer. Es dauert nicht lange, bis man sich als Zuschauer sogar etwas an das bekannte Subgenre des Besessenen-Horrors erinnert fühlt. Immerhin läuft Raya dermaßen Amok, dass man schnell meint, der Teufel stecke ihr im Leib. Inhaltlich zusammen gehalten wird der Film von der Tatsache, dass Wiebke (Nina Hoss) sich ihrer Fähigkeiten als Pferdeflüsterin bewusst ist und nicht vor einem Kind kapitulieren will, wenn sie auch wilde Vierbeiner mit Mähne bändigen kann. In diesem Spannungsfeld aus schwer traumatisiertem Kind und sich überschätzender Adoptivmutter bewegt sich der Film und nutzt dabei gerne auch mal die Stilmittel verwandter Horror-Beiträge. Die Konzentration liegt bei Pelikanblut mehr auf Wiebke und ihren Reaktionen. In ihr perfektes Leben als selbstbewusste Pferdetrainerin passt nicht hinein, dass sie das Mädchen nicht gebändigt bekommt. Sie verweigert die Hilfe eines Psychologen (der ein schwerwiegendes Trauma bei Raya diagnostiziert) und lässt sich auch dann nicht helfen, als es allmählich wirklich gefährlich für Wiebke und Nikoletta wird. Ein Kollege der Polizeistaffel entwickelt Gefühle, die scheinbar auf Gegenseitigkeit beruhen. Aber Raya lässt es ebenso wenig an sich ran.
Es ist fraglich, ob die Abbildung von Wiebkes Verhalten wirklich nachvollziehbar und realistisch ist – zumal es die Nerven des Zuschauers irgendwann etwas strapaziert. Pelikanblut wandelt hier schon mal auf unsicheren Pfaden zwischen dem Horror-/Thriller-Element und dem Drama. Als Thriller darf der Film natürlich übertreiben. Schaut man allerdings unter dem Drama-Aspekt, geht es mitunter eine Spur zu weit und droht den Zuschauer zu verlieren. Ebenso wie Wiebke die Kontrolle über die Situation zu verlieren droht – was sie sich freilich nicht eingestehen würde.
Den größten Schnitzer aber leistet sich Pelikanblut nach 99 Minuten mit einer Szene, die so holzhammerartig eine Metapher auf Wiebkes Situation mit Raya herstellt, dass man mit den Augen rollen muss. Außerdem gerät die Darstellung des Psychiaters ein bisschen formelhaft. Nicht in jeder Situation ist es nachvollziehbar, was er sagt. Und oft wirkt der Text wie auswendig aufgesagt.
Was wiederum etwas besser funktioniert, ist die Porträtierung der Raya selbst. Gebbes war es wichtig, das Mädchen nicht als Antagonistin zu zeigen. Sie wollte, dass man als Zuschauer nicht den Bezug zu ihr verliert und stets noch das Gefühl hat, man müsse dem Kind helfen und es nicht einfach wieder zurückgeben. Hin und wieder fällt das sicher schwer – auch, weil die junge Katerina Lipovska ihre Figur beängstigend gut spielt.
Bild- und Tonqualität
Pelikanblut lässt die Landschaftsaufnahmen stimmungsvoll und mit natürlichen Farben ins Heimkino gelangen. Innenraumszenen sind teils wärmer gestaltet und mit bräunlicher Farbgebung versehen. Die Bildruhe ist gut, wenngleich hier und da ein bisschen Körnung zu erkennen ist. Die Schärfe verteilt sich sehr ausgewogen über den ganzen Bildschirm und ist in Close-ups wirklich ordentlich. Größtes Manko sind dunkle Bereiche, in denen die Durchzeichnung besser sein dürfte. Hier gehen dann doch hin und wieder Details verloren.
Schön atmosphärisch und räumlich präsentiert sich der DTS-HD-Master-Sound, der sowohl Vogelgezwitscher als auch die Bambule beim Stresstest der Pferde nach vier Minuten sehr effektvoll präsentiert. Auch die Räumlichkeit in der Reithalle ist authentisch und die Stimmen sind (meist) gut verständlich. Wunderbar klingt der Wind in den Winterszenen bei 75’30, nachdem die Spitzhacken-Einsätze erstaunlich viel Druck freimachen. Klasse sind auch die Geräusche innerhalb der Pferdeställe. Ob das zuknallende Holzgatter sind oder das hörbare Schnaufen der Tiere durch ihre Nüstern. Während der stimmungsvoll-gruseligen Szenen gibt es außerdem eine sehr aufregende und räumliche Filmmusik, die für echte Gänsehaut sorgt (ab 105’00).
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial enthält lediglich Trailer und Programmtipps.
Fazit
Pelikanblut beginnt stark und vollzieht dann einen Spagat aus Systemsprenger und Das Omen. Während die Bilder stets von erlesener Qualität sind und die drei Hauptdarstellerinnen allesamt grandios abliefern, kann man mit der Entscheidung, den Film als Genremix anzulegen, durchaus hadern. Empfehlenswert ist Katrin Gebbes Film deshalb vor allem (wenn nicht sogar NUR) für sehr aufgeschlossene Filmfreunde.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%
Anbieter: DCM/Leonine Distribution
Land/Jahr: Deutschland/Bulgarien 2019
Regie: Katrin Gebbe
Darsteller: Nina Hoss, Yana Marinova, Sebastian Rudolph, Murathan Muslu
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 127
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Leonine Distribution)
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Trailer zu Pelikanblut
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Werde ich mir auf jeden Fall besorgen. Nachdem ich deine Rezension voll gelesen habe ist mein Interesse geweckt und dazu sehe ich Nina Hoss sehr gerne. Sie hat schon in sehr vielen guten Filmen mitgespielt. Der ist auch schon bei Prime sofort verfügbar. Werde mir den Stream gleich besorgen.
Hat mich auch sofort an Systemsprenger erinnert bevor ich gelesen habe das du dich auch darauf beziehst. Bei Systemsprenger ist mir die Luft weggeblieben wenn sie wieder mal ein Tobsuchtsanfall bekommen hat. Diese Schauspielerische Leistung die das Mädchen hier abgeliefert hat ist einsame Spitze. Hoffe das der Film in dem sie an der Seite von Tom Hanks spielt bald auf Scheibe zu haben ist. Hast du schon evtl. schon was klingeln gehört ? Ich weiß das er bei Netflix läuft und habe selbstverständlich deine Rezension dazu gelesen.