Blu-ray Review
OT: Perfect Skin
Abschlussarbeit
Atmosphärischer Mix aus Horror, Drama und Fetisch – definitiv einen Blick wert.
Inhalt
Katia war für eine Zeit Au-pair-Mädchen in London. Nachdem die Anstellung nun beendet ist, hat sie nur bedingt Lust, wieder in ihre Heimat nach Osteuropa zurück zu kehren. Für den Moment kommt sie bei ihrer Freundin Lucy unter. Als die beiden nach einer Partynacht bei deren Tätowierer Bob vorbeischauen, ist dieser vollkommen fasziniert von Katias reiner und vollkommen jungfräulicher Haut. Wie eine weiße und unbemalte Leinwand erscheint sie ihm. Perfekt, um darauf ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen. Und so nutzt er ihr Delirium bei einer Party aus und kidnappt sie. Eingesperrt in seinen Tattoo-Keller beginnt er mit seiner Arbeit, die großflächig auf Katias Körper stattfinden wird …
Nur langsam und beschwerlich kann sich der schmächtige und stark tätowierte Typ aus seinem Bett schälen. Die Hände zittern, der Blick ist müde und zeugt von einem harten Leben. Kurz darauf sehen wir ihn, wie er an einem Schweinekopf seine eigenen Tätowier-Künste verfeinert. Dazu gibt’s wahlweise Metalsounds oder melancholische Klavierklänge – nein, so ganz gewöhnlich und genretypisch geht’s in Perfect Skin zunächst nicht zu. Denn wie uns Cover und Klappentext des Films zu verstehen geben, haben wir es durchaus mit einem „harten“ und „angsteinflößenden“ Film zu tun, der „testet, … wie zimperlich du bist“.
Debüt-Regisseur Kevin Chicken (im Ernst?) mixt hier das Torture-Porn-Genre aus Motiven von Hostel mit einem klaren Fetisch-Einschlag und lässt das Ganze in einem ungewohnten Umfeld geschehen. Ein bisschen Sadomaso-Optik gesellt sich hinzu, wenn Katia zunächst in einem Käfig gefesselt „gehalten“ wird, bevor Bob seinen künstlerischen Prozess beginnen kann.
Atmosphärisch ist das stark, ganz stark. Ausleuchtung, spezielle Farbfilterung und Kontrastierung. Dazu das kalte Set des Tattoo-Studios und der hervorragende Soundtrack – zuletzt begann kaum ein anderer Horrorthriller derart stimmungsvoll.
Herausragend ist außerdem Richard Brake, der den Tattoo-Artist Bob mit Intensität spielt, gleichzeitig aber den Schmerz seiner Figur glaubwürdig vermittelt.
Denn man wäre gehörig schief gewickelt, wenn man annähme, dass „Torture Porn“ hier Programm ist. Zwar gibt es ein paar wenige grafische Szenen. Doch geht es selten vordergründig rein um das Ergötzen an Gewalt. Wer beispielsweise Vergewaltigungsfantasien sowie einen Handlungsverlauf im Stile eines I Spit on Your Grave erwartet, wird das hier nicht finden.
Vielmehr bekommt Bob einen Hintergrund für sein Tun, einen für ihn sehr schmerzhaften und ultimativen. Und, so seltsam es klingen mag: Der Zuschauer kann seine Motivation zumindest nachempfinden – wenngleich seine Zwangstaten selbstverständlich zu verurteilen sind. Perfect Skin schafft aber tatsächlich das Kunststück, trotz zunehmend intensiverer Bilder die Faszination für das Thema Tätowieren eher zu verstärken als davor abzuschrecken. Nach und nach baut sich fast eine poetische Stimmung auf, die auch Opfer und Täter einander näher bringt. Die Gilde der Hautkünstler dürfte also eher erfreut sein über diesen Film als ihn zu verteufeln, weil da jemand vermeintlich ihren Berufsstand in den Schmutz zieht – auch wenn das fertige Tattoo in der Form nicht gerade von hochwertiger Kunst zeugt. Aber wer will’s dem günstig produzierten Film schon anlasten, dass er das fertige Bild eben mit wasserlöslichen Stiften realisieren musste?
Während all diese Aspekte Perfect Skin zu einem atmosphärisch-stimmigen Thriller machen, verlässt er später diese Atmosphäre wieder ein bisschen, um die Suche nach Katia zu thematisieren. Das stört leider sowohl den Erzählfluss als auch die Stimmung, die sich bis dahin entwickelt hatte. Und es führt zu einer unnötig gewöhnlichen Horrofilm-Sequenz, die zum eigentlichen Tenor des Films überhaupt nicht passt.
Gut, dass sich diese kurze Intermezzo wieder legt und Perfect Skin zum Schluss wieder auf seine Stärken besinnt.
Bild- und Tonqualität
Perfect Skin hat alles, nur keine „perfekten Hauttöne“. Sorry für den etwas müden Wortwitz, aber die teils deutliche Gelbfilterung der Haut ist nicht wirklich schön. Die Kontrastflanken sind zudem etwas steil. Hier und da überstrahlen helle Bereiche, wohingegen dunkle Teile versumpfen. Die sichtbare Körnung in dunklen Szenen lässt den Film schön authentisch schmuddelig erscheinen, was hervorragend zum Inhalt passt. Close-ups sind bisweilen erstaunlich detailliert und scharf.
Beim Ton gibt sich der dts-HD-Master-Track durchaus Mühe, schon von Beginn den Metall-Soundtrack räumlich darzustellen. Das klingt zwar eher etwas dünn, beschäftigt aber die Surrounds angemessen. Nach gut 18 Minuten haut der Subwoofer dann ordentlich rein, wenn Katia in der Disko über die Stränge schlägt.
Wenn Bob dann mit seinen Arbeiten beginnt und die Nadeln in die Haut stechen, sirrt es höchst direktional aus allen Speakern, was für einen wohligen Schauer sorgt.
Bonusmaterial
Das Behind the Scenes, das sich neben dem Trailer im Bonusmaterial befindet, begleitet für knapp drei Minuten in die Maske. Dort werden gerade Kopfabgüsse zweier Darstellerinnen angefertigt. Besonders cool ist allerdings vor allem das T-Shirt eines der Maskenbildner: „The more you sweat in practice, the less you bleed in battle“ – wie wahr!
Fazit
Perfect Skin ist weder plakativer Horror, noch Gore-Gemetzel oder ähnlich oberflächliches Genre-Allerlei. Vielmehr gelingen Kevin Chicken in seinem Erstlingsfilm verstörende Bilder zwischen Missbrauch, Mitgefühl und Poesie – ein Spagat, den man erst einmal hinbekommen muss.
Im besten Sinne ein Arthouse-Horrorfilm.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 20%
Film: 70%
Anbieter: Pierrot le Fou/ALAMODE FILMDISTRIBUTION oHG
Land/Jahr: GB 2018
Regie: Kevin Chicken
Darsteller: Richard Brake, Natalia Kostrzewa, Jo Woodcock, Tom Ashley, Jemima Bennett, Oscar Bennett
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Pierrot le Fou)