Plötzlich Gigolo

Blu-ray Review

Plötzlich Gigolo Blu-ray Review Cover
Concorde Home, seit 19.03.2015

OT: Fading Gigolo

 


Das älteste Gewerbe der Welt

Ein Film mit Woody Allen, der wie ein Film von Woody Allen wirkt, es aber nicht ist.

Inhalt

Der traditionelle Buchladen vom älteren Murray läuft schon länger mehr schlecht als recht. Da hilft auch nicht, dass der Teilzeit-Blumenverkäufer Fioravante ihm hier und da aushilft – zumal er das ja nicht umsonst tut. Als Murrays Hautärztin davon berichtet, gerne mal eine Ménage-à-trois erleben würde, kommt Murray auf eine ziemlich ungewöhnliche Idee: Fioravante steht gut im Saft, ist attraktiv und charmant und könnte als Gigolo sicher bei vielen Frauen landen. Klar, dass der sensible Florist erst einmal dezent belustigt ablehnt. Doch weil auch Fioravante trotz seiner Arbeit mit Blumen nicht gerade auf Rosen gebettet ist, willigt er ein, es auszuprobieren. Erstaunlicherweise ist das Date mit der Dermatologin ein voller Erfolg (500 Dollar Trinkgeld inklusive) und so machen die beiden weiter. Murray vermittelt als „Dan Bongo“ die Dienste von „Virgil Howard“, wie sich Fio von nun an nennt – das Geld wird natürlich aufgeteilt. Als Zuhälter entwickelt Murray bald erstaunlichen Ehrgeiz und sammelt sämtliche frustrierte oder alleinstehende Damen mittleren Alters in seiner Kartei. Dann jedoch verliebt sich Fioravante in Avigail, die Witwe eines chassidischen Juden. Dies sehr zum Unbill von Dovi, der für die jüdische Nachbarschaftswache Shomrim arbeitet und selbst seit langem Gefühle für Avigail hegt …

Warum nicht mal eine vollkommen absurde Story ersinnen, sie mit zwei großartigen Hauptdarstellern besetzen und schauen, was dabei raus kommt? So ähnlich muss es John Turturro bei der Konzeption von Plötzlich Gigolo, seiner fünften Regiearbeit gegangen sein, deren Drehbuch er selbst schrieb und für dessen Hauptrolle er sich gleich selbst vor die Kamera stellte. Dabei konzentriert sich der gebürtige Brooklyner allerdings nicht nur auf die komischen Elemente seiner nett erdachten Geschichte, sondern stellt seinen Geburts-Stadteil in den Fokus. Mit einem sensiblen und respektvollen Blick auf die Vermischung der verschiedenen Kulturen in Brooklyn könnte Plötzlich Gigolo tatsächlich ein Film von Woody Allen sein, wenngleich dieser hier „nur“ mitspielt. Die scharfzüngigen Dialoggefechte zwischen Turturro und Allen wirken fast wie einem Manhattan oder Stadtneurotiker entsprungen und der dieses Jahr seinen 80. Geburtstag feiernde Filmemacher agierte schon lange nicht mehr so entspannt vor der Kamera. Dazu sind die Nebenrollen mit Liev Schreiber als Dovi und Sharon Stone als Dermatologin sowie Vanessa Paradis als Avigail hervorragend besetzt. Schreiber, der als vollkommen humorloser und stoischer Kopf der Nachbarschaftswache vor Zynismus zerfließt, gehören mitunter die besten Szenen des Films.

Einzig die Wandlung der Geschichte zur Hälfte des Films muss man bereit sein, nachzuvollziehen. Denn Plötzlich Gigolo beginnt eher spaßig und entwickelt sich dann zu einer Liebesgeschichte zweier Menschen mittleren Alters, die schon lange mit unerfüllten Sehnsüchten umgehen mussten. Von da an rückt Allens Figur etwas in den Hintergrund und scheint plötzlich auch seinen Job als „Vermittler“ und das damit verbundene Geldverdienen zu vergessen. So wirkt Plötzlich Gigolo nach gut 50 Minuten etwas zweigeteilt: Auf der einen Seite die durchaus romantische Entwicklung zwischen Avigail und Fioravante, auf der anderen die witzigen Aktionen Murrays, der mit jungen chassidischen Juden und Afroamerikanern Kulturverbindung per Baseball-Lektionen betreibt. Manchmal mag das nicht mehr so ganz zusammenpassen und hätte auch ein wenig mehr Tempo vertragen können. Am Ende überwiegen aber neben genannten Aspekten zusätzliche positive Eindrücke wie die tolle Ausstattung, die authentische Atmosphäre und die sensible Inszenierung kultureller Verschiedenheiten. Man sollte allerdings kein Problem mit Jazzmusik haben, denn diese füllt den Soundtrack praktisch dauerhaft. Zum freizügigen Thema passt das natürlich sehr gut, bisweilen nimmt er aber durchaus quäkige Formen an. Eltern jüngerer Kinder sollten sich überlegen, ob der ohne Alterseinschränkung gekennzeichnete Film aufgrund des Themas und einer durchaus freizügig sprechenden Sharon Stone etwas für Kids unter sechs Jahren ist.

Bild- und Tonqualität

Das erdige, sich auf braune Farbtöne konzentrierende Bild von Plötzlich Gigolo im Format 1,85:1 setzt auf eine warme Stimmung und gibt Brooklyn mit sichtbarer Herbststimmung wieder. Die Schärfe ist auf mittlerem Niveau, nimmt zu keiner Zeit eine extreme Plastizität an, behält diesen Look aber immerhin durch die Bank in Nah-, Halbnah- und Totaleinstellungen. Der Kontrastumfang geht in Ordnung.
Akustisch bleibt Plötzlich Gigolo frontbezogen und liefert im Deutschen etwas zu dumpfe Dialoge, die nicht immer perfekt verständlich sind. Während der Musiksequenzen und in den Außenaufnahmen gibt’s etwas räumliche Atmosphäre und Stereoeffekte differenzieren das Geschehen hörbar. Der Subwoofer bleibt dauerhaft still.

Bonusmaterial

Zirka zehn Minuten an entfallenen, alternativen und verpatzten Szenen finden sich neben dem Audiokommentar von John Turturro und vier Interviews im Bonusmaterial von Plötzlich Gigolo. Letztere lassen die Hauptdarsteller aus und fokussieren sich auf Sharon Stone, Liev Schreiber, Vanessa Paradis und Sofia Vergara.

Fazit

Plötzlich Gigolo ist einer der romantischsten und entspanntesten New York Filme, die Woody Allen nicht gedreht hat. Turturro zeigt aber durchaus Ambitionen, den Regiemeister dereinst zu beerben – die Stimmung und Dialoge passen schon mal. Jetzt noch eine etwas ausgewogenere Story und dann klappt’s auch mit sämtlichen anderen Aspekten, die einen Film ausmachen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 55%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 30%
Film: 60%

Anbieter: Concorde Home
Land/Jahr: USA 2013
Regie: John Turturro
Darsteller: Aubrey Joseph, John Turturro, Woody Allen, Sharon Stone, Liev Schreiber, Vanessa Paradis, Sofia Vergara
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 90
Codec: AVC
FSK: 0

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