Plötzlich Papa

Blu-ray Review

OT: Demain tout commence

Plötzlich Papa Blu-ray Review Cover
Universum Film, 12.05.2017

 


„The Question is …“

Rundum gelungener Mix aus Komödie und Drama über einen Vater wider Willen.

Inhalt

Samuel genießt sein Leben an der Küste Südfrankreichs in vollen Zügen. Als Skipper eines Ausflugsbootes flirtet er mit den Damen der Kunden und nachts schleppt er die heißen Urlauberinnen ab. Sein Partymodus führt auch dazu, dass er seine Verflossene Kristin nicht erkennt, die eines Morgens unvermittelt vor ihm steht. Am besten hätte er sich ohnehin direkt aus dem Staub gemacht, denn Kristin eröffnet ihm, dass das 3 Monate alte Baby, das sie im Arm hält, von ihm ist. Doch einen kleinen Trick später steht Samuel mit dem Junggeborenen alleine auf dem Steg und hat keinerlei Ahnung, was er mit Gloria, dem Kind, machen soll. Also reist er zügig nach London, um dort das Kind zurückzugeben. Doch es kommt anders als er denkt. Der Kurztrip führt nicht dazu, dass die Mutter gefunden wird und so muss Sam wohl oder übel das Kind übernehmen. Acht Jahre später wohnen die Zwei in einem stylishen Apartment und haben zu Dritt viel Spaß mit Samuels Buddy Bernie. Während Papa immer noch kein Englisch kann, übersetzt Gloria ihm die Skripte, die er als Stuntman für den nächsten Tag einstudieren muss. Dann jedoch taucht die Mutter aus heiterem Himmel auf und erhebt ihrerseits Ansprüche auf Gloria. Und das, wo Samuel Gloria acht Jahre lang vorgegaukelt hat, die Mama wäre eine Geheimagentin und überall auf der Welt hinter Schurken her, nur um seiner Tochter zu vermitteln, dass sich Kristin einfach aus dem Staub gemacht hat. Die Freude über das Treffen weicht dementsprechend schnell, als Kristin ihren neuen Partner vorstellt und zu verstehen gibt, dass sie Gloria mit in die USA nehmen möchte …

Omar Sy ist seit Ziemlich beste Freunde genauso gut im Geschäft wie sein älterer Filmpartner François Cluzet. Beide können sich seit ihrer Zusammenarbeit am erfolgreichsten französischen Film der letzten Jahrzehnte kaum mehr vor Angeboten retten. Sy ist es, der vornehmlich in Actionrollen besetzt wird – allerdings meist mit mindestens einem Augenzwinkern. Für die Rolle eines Vaters wider Willen i Plötzlich Papa ist er deshalb geradezu idealbesetzt. Wenn er die kleine Gloria einen halben Meter von sich weghält, weil er völlig unbeholfen ist und auch noch die absurdesten Argumente findet, warum es definitiv nicht sein Kind sein kann, dann schafft er das, was die meisten französischen Komiker nicht erreichen: Humor ohne das Abrutschen in bodenlose Albernheiten, der auch in Deutschland funktioniert. Seine wilden Gestiken funktionieren und erinnern in den besten Momenten an einen Louis de Funes, ohne natürlich dessen Hyperaktivität zu imitieren. Gleichzeitig transportiert er stets eine gewisse Naivität, die ihn einfach ultrasympathisch macht. Man kann ihm seine Eskapaden einfach kaum übel nehmen – ob das das ständige Anbaggern von Magalie in Ziemlich beste Freunde ist oder das Schürzenjäger-Ding in diesem Film. Gleichzeitig tut er mehr für die Toleranz zwischen Schwarz und Weiß als jede politische Dokumentation – und das einfach dadurch, weil es in seinen Filmen einfach kein Thema ist und er kein Aufhebens drum macht. Doch auch Omar Sy kann ein schlechtes Drehbuch nicht in einen guten Film verwandeln. Gut, dass er es hier mit einem ebenso abwechslungsreichen wie lockeren Skript zu tun hat – und das, obwohl gleich sieben Autoren mitgewirkt haben. Es geht also doch, dass viele Köche den Brei mal NICHT verderben. Ganz im Gegenteil gehen hier die lockeren Töne ziemlich easy mit den melancholischen und dramatischen Hand in Hand. Die Albereien zwischen Samuel und der kleinen Gloria (zuckersüß: Gloria Colston) machen schlicht Spaß und beschreiben mit Leichtigkeit die tollen Seiten am Vatersein.

Plötzlich Papa ruht sich aber darauf nicht aus, sondern präsentiert die eine oder andere unerwartete (und nicht immer schöne) Überraschung. Und selbst wenn man erstmalig spürt, dass ein Damokles-Schwert über der Geschichte hängt, schafft Omar Sys Samuel es, für seine Gloria eine fantasievolle Märchenwelt zu erzeugen. Gerade das Luftschloss, das Sam aufrecht erhält, um Gloria vorzugaukeln, dass ihre Mutter in stetem Kontakt mit ihr steht, zeigt den gelungenen Balance-Akt, auf dem der Film wandelt. Man nimmt Samuel seine Überzeugung ab, mit der er sogar ein Casting abhält, um ein Treffen Glorias mit ihrer vermeintlichen Mutter zu organisieren. Gleichzeitig spürt man die Traurigkeit darüber, dass er sie belügt und natürlich auch jene, die in Gloria herrscht. In der zweiten Hälfte wird die unbeschwerte Stimmung dann vom Konflikt zwischen Mutter und Vater abgelöst, der etwas Tragik mit ins Spiel bringt. Allerdings wird auch das immer wieder mal unterbrochen. Beispielsweise vom witzigen Hahnenkampf zwischen Samuel und Kristins neuem Freund Lowell. Wenn die Zwei sich einen Schlagabtausch in Sachen Englisch vs. Französisch liefern, ist das schon ein Brüller und einer der kleinen Nickligkeiten, die sich auf die Hass-Liebe zwischen Frankreich und England beziehen und die Hugo Gélin immer mal wieder einflechtet. Auch die Film-im-Film-Aspekte streuen ein paar ironische Elemente ein, wenn der Regisseur der Actionblockbuster sich wie eine hysterische Furie verhält. Und wenn am Ende ein (kurz angekündigter) ziemlich überraschender Twist vollzogen wird, wird’s dem Zuschauer sogar warm ums Herz.

Bild- und Tonqualität

Mit immens kontraststarken Szenen beginnt Plötzlich Papa an den Klippen über der See. Das Meer ist unglaublich blau und sticht gegenüber den fas weißen Kreidefelsen kräftig hervor. Auch das rote Hemdchen des jungen Samuel knallt förmlich Richtung Zuschauer (1’57). Dazu gesellt sich eine in den Nahaufnahmen der beiden Figuren zu Beginn extrem gute Schärfe, die von der Bildruhe noch begünstigt wird. Kein Korn ist hier zu sehen, kein Rauschen auf dem Hintergrund – die Arbeit mit der digitalen Red-Epic-Dragon-Kamera zahlt sich in den gut ausgeleuchteten Szenen maximal aus. In Innenräumen ist die Ausleuchtung vielleicht ein klein wenig zu hell geraten, was etwas am Kontrastumfang knabbert, doch auch hier ist die Bildruhe super und die Schärfe meist hervorragend. Zudem führt das etwas angehellte Bild dazu, dass dennoch die Durchzeichnung auf Omar Sys Gesicht dauerhaft gut bleibt (109’45). Lediglich in wenigen Halbtotalen lässt die Auflösung mal etwas nach und im späteren Verlauf gibt’s ein paar leichte Nachzieher – meist auf Bewegungen in Clémence Poésys Gesicht.
Akustisch punktet Plötzlich Papa in den Partyszenen zu Beginn mit guter Dynamik und luftigen Surround-Momenten. Das anbrandende Meer hätte allerdings noch etwas räumlicher sein dürfen. Das holen die dts-HD-Masterspuren aber spätestens nach, wenn Sam als Stuntman im Auto „verunglückt“ und sämtliche Lautsprecher einbezogen werden (29’25).
Die Stimmen der gelungenen Synchronisation sind stets präsent und hervorragend verständlich. Anlass für echte Action gibt es zwar nur selten, doch wenn es rumpelt, dann ziemlich gewaltig – beispielsweise wenn Sam brennend aus dem elften Stock springt (78’10).

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Plötzlich Papa unterteilt sich in einen deutschen Bereich mit einem Mini-Making-of, Bildern von der Filmpremiere in Berlin sowie zwei Featurettes über Omar Sy sowie über Sy und seine Filmpartnerin Gloria Colston und in einen französischen Bereich. Letzterer liefert dann zusätzlich eine unkommentierte B’Roll, ein echtes Making-of und insgesamt acht kurze Featurettes, die leider nicht untertitelt sind. Fünf Interviews runden das reichhaltige Angebot ab.

Fazit

Plötzlich Papa mag inhaltlich auf einem mexikanischen Film basieren (auch wenn der Regisseur das gerne dementiert). Das macht aber nichts, denn Gélin spürt sowohl den dramatischen als auch den komischen Szenen zielsicher nach. Dabei kann er sich auf einen Hauptdarsteller und eine Jungschauspielerin verlassen, die perfekt harmonieren – ein ebenso witziger wie bewegender Film, der am Ende die wichtigen Fragen von Familie beantwortet und rührend vermittelt, dass der Tod zum Leben gehört.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 70%
Film: 75%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Frankreich 2016
Regie: Hugo Gélin
Darsteller: Omar Sy, Clémence Poésy, Antoine Bertrand, Gloria Colston
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fr
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 118
Codec: AVC
FSK: 0

Trailer zu Plötzlich Papa

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